Donnerstag, 9. Oktober 2014

Kommende Parlamentswahlen in der Ukraine - Sumpf von Rechtsradikalismus, Korruption und Vetternwirtschaft

 So langsam scheint es einigen Journalisten hierzulande dann doch zu dämmern, welche Hydra sie in der Ukraine herangezogen haben. In gut zwei Wochen finden dort die ersten Parlamentswahlen nach dem Putsch im Februar statt und es wird immer deutlicher, dass das alte System der Korruption und Vetternwirtschaft unter Präsident Poroschenko fröhliche Urständ feiert. Einigen Lohnschreibern scheint aufzugehen, dass sie nach dem 26. Oktober ihren Lesern erklären müssen, warum in der "neuen Ukraine" die Wahlen nicht nur so massiv gefälscht und manipuliert wurden, wie schon lange nicht mehr, sondern dass eine Kraft erstarkt ist, von der sie bisher behauptet haben, sie entstamme einzig und allein der russischen Propaganda: Die ukrainischen Rechtsradikalen.

 So widmet die FAZ dieser Tage einen ganzen Artikel in ihrer Online-Ausgabe, Oleh Ljaschko und seiner "Radikale Partei". Ljaschko, der bei den Präsidentenwahlen 8,32% der Stimmen erhielt und damit knapp hinter Julia Timoschenko den dritten Platz erreichte, wurde im Jahr 1993 wegen Veruntreuung von insgesamt 2,4 Millionen Rubel zu 6 Jahren Gefängnis und der Beschlagnahme seines Vermögens verurteilt. 1995 fiel er unter die Amnestie aus Anlass des 50. Jahrestages des Sieges über Nazideutschland. Ljaschkos "Radikale Partei" liegt neuesten Umfragen zufolge mit 11% auf dem zweiten Platz hinter dem Block Poroschenko.

  Über Oleh Ljaschko, der in der deutschen Presse gern als Populist verharmlost wird, schreibt Reinhard Vesper in der FAZ: "In der Welt des Oleh Ljaschko scheint es nur zwei Möglichkeiten zu geben: Kapitulation oder Kampf, Verrat oder Heldentum. Der Waffenstillstand in der Ostukraine ist in seiner Lesart: „Ein Akt des nationalen Verrats und der nationalen Schande“ und „die Kapitulation Präsident Poroschenkos vor Putin“.

 Aber dieser Ljaschko ist weiß Gott kein spinnerter Sprücheklopfer. Wie er Politik versteht, dass zeigte er bis vor kurzem auf seiner Internetseite. In Videos, die mittlerweile, wohl eher aus taktischen Gründen als aus tieferer Einsicht aus dem Netz genommen wurden, konnte man sehen, wie Ljaschko, beispielsweise, mit vorgehaltener Waffe einen Kommunalpolitiker im Südosten der Ukraine zwang, schriftlich seinen Rücktritt zu erklären. Sogar Amnesty International wurde auf ihn aufmerksam. "Anfang August stand Ljaschko im Zentrum eines Berichts von Amnesty International, in dem die ukrainische Regierung aufgefordert wurde, gegen willkürliche Festnahmen und Gewalttaten durch proukrainische Kräfte im Osten vorzugehen. Ljaschkos Taten – Entführungen, Befragungen, Misshandlungen vermeintlicher oder tatsächlicher Separatisten – waren leicht zu dokumentieren", schreibt Vesper in der FAZ.

 Wie tief  Oleh Ljaschko im braunen Sumpf verstrickt ist, zeigt auch die Tatsache, dass sich fünf Kommandeure der rechten Freischärlerbatallione auf seiner Kandidatenliste befinden.

 Wie kann es sein, dass die Partei eines rechtsradikalen Demagogen (er verspricht seinen Wählern, die Krim heim ins Reich zu holen) und brutalen Schlägers einen so grossen Zuspruch unter den Ukrainern hat, dass er zur zweitstärksten Kraft in dem Land aufsteigt?

 Vesper weiß Rat. Auf keinen Fall ist es die Unterstützung der Faschisten durch die Politiker des Westens und ihrer Lohnschreiber, auch in der FAZ. Faschisten, Rechtsradikale und Rechtspopulisten, wenn es sie denn überhaupt gibt, gehen einzig und allein auf das Konto dessen, von dem inzwischen alles Schlechte auf dieser Welt stammt. Vesper: "Je länger Putins Krieg im Donbass dauert, je wahrscheinlicher es scheint, dass die prorussischen Kämpfer sich dort für lange Zeit einrichten und je mehr glaubhafte Berichte es über Entführungen, Folterungen und Ermordungen von Ukrainern dort gibt, desto besser kommen Ljaschkos Sprüche bei vielen Ukrainern an."

 Aber nicht nur Oleh Ljaschko und seine Schlägertruppe, genannt "Radikale Partei",  zeigt was das für eine Demokratie ist, die auf dem Maiden erkämpft wurde, gegen eine demokratisch gewählte Regierung, und in deren Namen uns Politiker wie die Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Beck, ihr Ehegatte, der Vorsitzende der Stiftung der Partei der Grünen, die "Heinrich-Böll-Stiftung", Ralph Fücks oder die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, am liebsten in einen heissen Krieg mit Russland führen würden: So kandidiert für die "Volksfront" des Ministerpräsidenten Arsen Jazenjuk und des Parlamentspräsidenten Alexander Turtschinow neben neun anderen Rechtsextremisten der Kommandeur des Bataillons "Asow". Die umkommentierte Abbildung dessen Kämpfer, die sich mit Nationalsozialistischen Zeichen an Uniformen und Helmen schmücken im ZDF, führte vor ein paar Tagen zu einem handfesten Medienskandal.

 "Im Vorfeld der ukrainischen Parlamentswahlen Ende Oktober verzeichnen Beobachter einen sprunghaften Anstieg von Wählerbestechung und Stimmenkauf", schreibt Nina Jeglinski im Tagesspiegel. Sie zitiert Vitali Teslenko, den Vorsitzenden des "Wählerkomitee der Ukraine", einer angesehenen NGO: "Anders als bei den Präsidentschaftswahlen Ende Mai dieses Jahres sei der Parlamentswahlkampf „ein Rückfall in alte Zeiten.“

 Die KyifPost berichtet von einem Vorfall anlässlich eines Treffens Poroschenkos und Ministerpräsident Jazenjuks mit ausländischen Geschäftsleuten. Der Tscheche Tomáš Fiala, Managing Director der Investmentgesellschaft Dragon Capital behauptete, dass man einen Platz auf den Kandidatenlisten der antretenden Parteien für drei bis vier Millionen Dollar kaufen könne. “Und ich meine damit alle Parteilisten, einschließlich Ihre” wandte sich Fiala direkt an Poroschenko und Jazenjuk". (eurasiablog)

 Nur 50% der Abgeordneten des ukrainischen Parlamentes, der Werchowna Rada, werden über Parteilisten gewählt, die anderen 50% sind direkt gewählte Abgeordnete. Laut Serhij Kaplan, Vorsitzender der "Nationale Antikorruptionsarmee" tauchen in den Wahlkreisen in der Provinz immer häufiger völlig unbekannte Kandidaten aus Kiew auf. Diese Kandidaten, so urteilte das oben bereits erwähnte "Wählerkomitee der Ukraine", seien Strohmänner der Oligarchen und setzten, umgerechnet, zwischen einer und drei Millionen Dollar ein, um Stimmen regelrecht zu kaufen. So werden bei Wahlveranstaltungen  Lebensmittelpakete und Kleidung verteilt. Wer diese Geschenke annimmt verpflichtet sich am Wahltag ein Handyfoto von seinem ausgefüllten Wahlzettel zu machen und es an das Wahlkampfteam der Kandidaten zu schicken.

 Eine weitere beliebte Methode zur Manipulation der Wahl sind die sogenannten Klonkandidaten. Um Widersacher zu schwächen, werden Kandidaten mit dem gleichen Familiennamen des Gegenkandidaten aufgestellt. Der "eurasiablog" berichtet: "Im Gebiet Poltawa treten so zum Beispiel im Wahlkreis 147 neben dem Abgeordneten Oleh Iwanowytsch Kulinitsch auch der Kiewer Neurochirurg Wolodymyr Wolodymyrowytsch Kulinitsch und Oleh Olexandrowytsch Kulinitsch, Metallgießer aus Krementschuk, an. Und der einheimische Politiker Jurij Mykolajowytsch Kowalenko muss sich gegen einen Kandidaten aus dem über 400 km entfernten Donbass-Gebiet namens Serhij Olexandrowytsch Kowalenko und den Kiewer Arbeitslosen Wadym Mykolajowytsch Kowalenko behaupten."

 Wer nun glaubt diese Manipulationen und Vetternwirtschaft beschränke sich auf einige wenige unbekannte Finsterlinge und Strippenzieher der täuscht sich. So wird berichtet, dass der Sohn des ukrainischen Präsidenten Poroschenko, Alexej  sich ebenfalls um ein Parlamentsmandat bewirbt. Vor einem seiner Wahlkampfauftritte wurde, als kleine Aufmerksamkeit für die Wähler, fluchs eine Straße mit einem nagelneuen, glatten Belag versehen.

 Auf der Kandidatenliste des Poroschenko-Blocks tauchen aber auch noch andere Verwandte prominenter Politiker auf. "RIANOVOSTI" berichtet von einigen Beispielen: "Die Ehefrau von Poroschenkos Mitstreiter Juri Luzenko ebenfalls. Der ehemalige Chef der Präsidialverwaltung unter Viktor Juschtschenko und heutige Mitstreiter Poroschenkos Viktor Baloga bringt zwei Brüder und einen Cousin mit. In der Parteiliste ist auch der Sohn des ehemaligen Parlamentsvorsitzenden Wladimir Litwin zu finden, der zusammen mit seinem Bruder, der den ukrainischen Grenzschutz leitet, und anderen Verwandten ebenfalls einen Clan bildet." Auch der wegen seiner Bestechlichkeit bereits unter Janukowitsch von der Bevölkerung "König der Ausschreibungen" genannte Anton Jazenko kandidiert auf der Liste des Präsidenten.


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