Es war wohl dem Umstand des Besuchs des
deutschen Aussenministers Gabriel im Irak geschuldet, dass die
ARD-Aktuell Redaktion das Land und den Kampf der Anti-IS-Koalition um
die Stadt Mossul neu für sich entdeckte. Der Besuch Gabriels selbst
gab nicht her. Denn der tat das, was deutsche Minister immer tun,
wenn sie denn im Ausland unterwegs sind: Er erteilte gute Ratschläge
und erzählte den „dummen“ Irakern, wie sie ihr Land zu regieren
hätten und wie sie es wirtschaftlich organisieren müssten.
In der Tagesschau
am 19. April zitierte Sabine Rau den Herrn Minister:
„Gabriel hat hier deutlich gemacht, dass der Irak als große Ölnation für den Wiederaufbau mehr tun müsse. Deutschland könne weder mehr finanzielle, noch militärische Hilfe leisten. Trotz der erkennbaren Sorge, dass der Kampf gegen den Terror des IS hier noch lange nicht gewonnen ist.“
Eine Neuigkeit hatte der deutsche
Aussenminister dann einen Tag später, am 20. April wiederum in der
Tagesschau, zu verkünden. Tagesschausprecherin Judith Rakers
zitierte Gabriel:
„Die Peschmerga verteidigten mit ihrem Kampf gegen den islamischen Staat auch die Sicherheit Deutschlands“
Der deutsche Michel hört und staunt.
War er doch seitdem der damalige Verteidigungsminister Peter Struck
im Dezember 2002, den in Hinsicht auf den Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan, sich zunehmend widerspenstig und ablehnend gebenden
Deutschen erklärt hatte:
„Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“,
davon ausgegangen, dass er seine
Sicherheit dem deutschen Engagement im Krieg in Afghanistan zu
verdanken hat. Nun also nicht mehr der Afghanische Hindukusch,
sondern das Gebiet der Kurden im Irak.
Mossul, das ist ein heisses Eisen im
deutschen Fernsehen und den Titeln der schreibenden Zunft. Einerseits
wird dort mit deutscher Hilfe der IS militärisch bekämpft, und wie
man jetzt aus berufenem Mund und von allerhöchster Stelle erfahren
konnte die „Sicherheit Deutschlands“ verteidigt –
andererseits schiesst dort die Koalition auch nicht mit
Wattebäuschen. Krieg, zumal wenn es sich dabei um einen, wie es
immer so schön verharmlosend umschrieben wird, einen asymmetrischen
Krieg, also in gutem Deutsch einen Krieg ohne Regeln, ohne Rücksicht
auf die Genfer oder irgendeine andere Konvention, handelt. Ein Krieg
also, in dem die Menschenrechte absolut keine Rolle spielen.
In so einem Krieg gibt es viele zivile
Opfer: Tote, Flüchtlinge und Vertriebene. Es gibt Geiselnahmen.
Kämpfer verstecken sich hinter Frauen und Kindern, nutzen
Wohngebiete als Aufmarschgebiete und Wohnhäuser als Hinterhalt für
Scharfschützen oder funktionieren Schulen und Krankenhäuser zu
militärischen Stellungen oder Gefechtsständen um.
Tote Frauen und Kinder, von Bomben
zerstörte Wohnviertel, bombardierte Schulen und Krankenhäuser –
das, so hat man wohl in unseren Qualitätsmedien stillschweigend
beschlossen, will man seinen Lesern, Zuschauern und Zuhörern nicht
zumuten. Jedenfalls nicht, wenn die todbringenden Bomben aus den
Schächten westlicher Flugzeuge fallen und wenn die
Artilleriegranaten, die ganze Wohnviertel in Schutt und Asche legen,
von westlichen Haubitzen abgeschossen wurden.
Nun reist aber der deutsche
Aussenminister in den Irak. Und der erwartet, besonders zu einer
Zeit, in der der Bundestagswahlkampf in Fahrt kommt, dass ihm in der
veröffentlichten Meinung, seine ihm zustehende Sendezeit und seine
Zeitungsspalten in gebührender Form, Länge und Breite zugestanden
werden. Das wiederum bringt die Zunft der Hofberichterstatter in arge
Bedrängnis. Berichtet man aus einem Land, dass seit 2003 immer
wieder von den verschiedensten Heuschreckenschwärmen heimgesucht
wird, angefangen bei den Freiheit und Demokratie bringenden
US-Kriegern bis hin zu den Kopfabschneidern des Islamischen Staates,
so kommt man nicht umhin auch über den Kampf um die Stadt Mossul zu
berichten.
In der ARD erinnerte man sich in
dieser heiklen Situation an jemanden, der - vulgär gesprochen –
aus einem Furz einen Donnerschlag machen kann und aus einem
Donnerschlag ein laues, wohl riechendes Lüftchen: Volker Schwenck,
aus dem ARD-Studio in Kairo, musste seinen bequemen Aussichtsplatz,
einen Balkon über den Dächern Kairos mit unmittelbarem Nilblick
räumen und sich in den ungemütlichen, von schweren Krisen
geschüttelten Irak begeben, und die Welt seines obersten Chefs, Dr.
Kai Gniffke wieder zurechtrücken.
Schwenck, der des öfteren von seinem,
oben erwähnten Balkon in Kairo aus, die Grausamkeit und abgrundtiefe
Menschenverachtung des syrischen Präsidenten Assad und dessen in
tiefer Männerfreundschaft verbundenen russischen Autokraten Putin,
in die deutschen Wohnzimmer getragen hatte, ohne auch nur ansatzweise
zu wissen wovon er sprach ( seine Zeugen waren ausnahmslos, von ihm
Aktivisten benannte Kopfabschneider aus Aleppo). Dieser Mann war
genau der richtige für die Aufgabe, den um nichts weniger grausam
ausgetragenen Kampf um Mossul wie den um das syrische Aleppo im
letzten Jahr, als ein heroisch ausgetragenes Ringen um die Freiheit
und die dabei unvermeidlichen Schäden an Leib und Leben der
Bevölkerung, bestenfalls als ein notwendiges unvermeidliches, höchst
bedauerliches Übel zu schildern.
Das Erlebnis der Schwenckschen
Bemühungen konnte die deutsche Öffentlichkeit am 19. April in der
ARD-Tagesschau
um 20:00 Uhr und später am Abend des gleichen Tages noch einmal
in etwas abgeänderter Form und um einige Szenen erweitert, in den
ARD-Tagesthemen
um 22:15 bewundern.
Linda Zervakis moderiert an:
„Seit einem halben Jahr versuchen irakische Streitkräfte die Stadt Mossul vollständig von der IS-Terrormiliz IS zurückzuerobern“,
und versorgt die Zuschauer mit ein paar
unpräzisen Fakten:
„Tausende sind durch die Kämpfe getötet worden, hunderttausende wurden in die Flucht getrieben.“
Genaues mag man der versammelten
Fernsehgemeinde wohl nicht zumuten.
Die
„taz“ veröffentlichte am 27. März ein Interview mit dem
Direktor der britischen NGO „airways.org“, Cris Woods, indem
dieser die Todesopfer durch Luftangriffe in Mossul benennt:
„Im März haben wir mehr als 110 Fälle dokumentiert, in denen die Koalition Zivilisten getötet haben soll. Allein bis zum Wochenende (also bis zum 24. des Monats) sollen mindestens 1.300 Zivilisten durch die Koalition getötet worden sein“,
und er fügt hinzu, diese Daten seien
„vergleichbar mit der Zahl der Opfer durch russische Aktionen.“
Nur für's Protokoll: Also die Opferzahlen in Mossul sind
vergleichbar mit denen, die es im Kampf des „Schlächters“ Assad
und seines Beschützers, dem „Gott-steh-uns-bei“ Putin gegen die
Kopfabschneider in Aleppo gegeben hat!
Am 18
April veröffentlichte die „OCHA“, das „Amt für die
Koordinierung Humanitärer Aufgaben“ der UN die neuesten
Flüchtlingszahlen aus Mossul:
„...Jetzt sind es bereits etwa 493.000 Menschen, die alles zurücklassen mussten“,
sagte die OCHA-Koordinatorin für den
Irak Lise Grande und sie fügte hinzu, dass sich noch immer ca.
500.000 Menschen im vom IS kontrollierten Westen Mossuls befänden.
In der Form eines
Kriegsberichterstatters aber mit dem getragenen Timbre eines
professionellen Redners bei einer Trauerfeier beginnt Schwenck seinen
Bericht:
„Rauch über West-Mossul“,
um dann mit einem Heldenepos,
vergleichbar mit denen der deutschen Wochenschauen in Weltkrieg zwei,
fortzufahren:
„Mühsam kämpfen sich die irakischen Sicherheitskräfte vor“,
bevor er uns die Mühsal und die Gefahr
in der die edlen Recken sich befinden, mit wenigen präzisen Worten
zu schildert:
„Es ist ein Krieg der Scharfschützen geworden, ein Kampf um jedes Haus.“
aber der Sieg der Aufrechten ist nicht
mehr fern.
„Seit Ende Januar drängen Spezialeinheiten der Irakischen Armee und der Polizei die Terrormiliz IS immer weiter zurück.“
Und das freut uns, denn schliesslich
wissen wir ja, zumindest seit unser Aussenminister uns diesen Umstand
so plastisch und mit Hilfe der Tagesschau vor Augen geführt hat,
dass der
„...Kampf gegen den islamischen Staat auch die Sicherheit Deutschlands“
sichert. Wie zur Bestätigung unseres neuen Gefühls von Sicherheit
und Geborgenheit lässt Schwenck einen irakischen Polizisten zu uns
sprechen:
„Es ist schwierig in den engen Strassen sagt ein Polizist. Überall verschanzt sich der IS. Aber wir haben die Lage im Griff.“
Wir lehnen uns zurück und dämmern hinüber in einen entspannten und
ruhigen Schlaf: „Lieb Vaterland magst ruhig
sein“
Wie anders klang da noch unser Kriegsberichterstatter vor ziemlich
genau vier Monaten. Diesmal hieß die belagerte Stadt Aleppo und die
Guten waren nicht etwa wie bei Mossul die Belagerer, die Befreier,
sondern die Guten waren die eingeschlossenen, die Kopfabschneider der
Al-Nusra Front und ihre Spießgesellen, die Schwenck liebevoll
„militärische Opposition“ oder auch einfach „Aktivisten“
nannte. Die Bösen waren der „Schlächter“ Assad und sein
russischer Beschützer Putin.
In der Tagesschau
vom 10. Dezember 2016 entrüstete sich der damalige
US-amerikanische Aussenminister John Kerry:
„Die rücksichtslosen Bombardierungen des Regimes, die gegen das Kriegsrecht verstossen und in vielen Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, müssen enden.“
Zuvor hatte Schwenck aus seinem Studio
in Kairo über die Lage in Aleppo berichtet. Dieses Mal macht die
Anmoderation aus der Zentrale in Hamburg Judith Rakers. Der Ton ist
weit weniger kriegerisch als am 19. April. Der Ton gleicht eher den
Wochenschauen kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges, als die Rote
Armee auf Berlin vorrückte. Der Feind droht von aussen:
„Im Krieg in Syrien rückt ein Sieg der Regierungstruppen im Kampf um Aleppo offenbar immer näher. Angesichts der heftigen Gefechte und Luftangriffe spitzt sich die Lage für die Menschen im Ostteil der Stadt weiter zu. Ihnen fehlt es an Trinkwasser Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Immer mehr Bewohner fliehen.“
Die Aufmerksamkeit wird dieses Mal
nicht auf die handelnden Personen gelenkt auf die kämpfenden, die
Zurückeroberer, sondern auf die Zivilbevölkerung, die den Krieg
erleidet. Nicht die Zuversicht des kommenden Sieges ist Thema,
sondern das Leid, das die Bevölkerung der Stadt zu ertragen hat. Die
Sicht der Zuschauer ist eine völlig andere als die heute auf die
Eroberung Mossuls, obwohl die Lage der Zivilbevölkerung in Mossul
durchaus vergleichbar mit den Einwohnern Ost-Aleppos damals im
Dezember 2016 ist.(s. Vergleichbarkeit der Opferzahlen)
Nahtlos übernimmt Volker Schwenck:
„Heftige Bombenangriffe auf die Gebiete Ost-Aleppos in denen sich die bewaffnete Opposition noch halten kann.“
Anstatt die islamistischen Gruppen, an
ihrer Spitze der Al-Quaida-Ableger, die Al Nusra-Front benutzt
Schwenck die verharmlosende Umschreibung „bewaffnete
Opposition“. Er suggeriert, ein paar, oppositionell zur
Regierung Assads stehende Syrer ,hätten sich zu ihrem eigenen Schutz
bewaffnet. Nicht einmal über eine Benutzung dieser Waffen gibt seine
Umschreibung Auskunft. So entsteht das Bild einer wehrlosen,
harmlosen Gruppe politisch Andersdenkender, die dazu noch von der
Regierung und ihren Alliierten brutal bombardiert (heftige
Bombenangriffe) werden. Ihre Ausrichtung so will Schwenck die
Welt glauben machen, sei rein defensiv (noch halten kann).
Er verschweigt, dass es die Islamisten waren, die 2012 Aleppo unter
dem Gebrauch von schweren Waffen und der Anwendung roher Gewalt
erobert und damit die Gewalt in die Stadt getragen haben.
Weiter berichtet Schwenck, dass nach
russischen Angaben 20.000 Menschen aus Ost-Aleppo geflohen seien und
1.200, Schwenck nennt sie in Verkennung ihrer wahren Absichten und
Handlungen „oppositionelle Kämpfer“ die Waffen niedergelegt
hätten, bezweifelt diese Angaben aber indem er einwendet:
„Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht“.
Und nun wird es peinlich für Schwenck,
aber vor allen Dingen für ARD-Aktuell. Nun werden nämlich aus den
Kopfabschneidern, den Mördern, Vergewaltigern und Geiselnehmern
völlig friedfertige, unbewaffnete „Oppositionsaktivisten“, die
noch dazu die Russen der Lüge bezichtigen und von Gräueltaten der
Regierungstruppen zu berichten wissen:
„Oppositionsaktivisten behaupten, nur wenige Menschen würden die Rebellengebiete verlassen. Viele seien bei der Flucht getötet worden.“
Schwenck entblödet sich nicht,
Terroristen die von den USA, wenn sie denn nicht gerade in Aleppo für
die Freiheit der syrischen Bevölkerung kämpfen, sondern sich im
Sudan, im Jemen oder in Afghanistan aufhalten, mithilfe von Drohnen
mitsamt ihren Familien und völlig unbeteiligten, rein zufällig
anwesenden, unschuldigen Menschen in ihre elementarsten Bestandteile
zerbombt werden, als friedfertigen Aktivisten zu bezeichnen.
Wie anders doch seine
Berichterstattung aus West-Mossul. Schwenck hat seinen bequemen
Balkon in Kairo verlassen und besucht als embedded Journalist die vom
IS befreiten Gebiete Mossuls. Das bedeutet allerdings nicht, dass
seine Berichterstattung deswegen an Glaubwürdigkeit gewonnen hätte.
Hat er doch von Kairo aus ausschliesslich Propagandamaterial der
Kopfabschneider verwand, immer wieder tauchen in der oberen linken
Ecke des Bildschirms das Zeichen Smart oder AMC auf.
Beide Institutionen werden überwiegend
vom CFI finanziert. Das CFI ist eine dem französischen
Aussenministerium unterstellte Kooperationsagentur und
Medienbetreiber.
Frankreich ist aber nicht nur ein
aktiver Kriegsteilnehmer. Es betrachtet das Syrien seit dem
Sykes-Picot-Abkommen im Jahr 1916, dass das damalige türkische Reich
zwischen Frankreich und Grossbritannien aufteilte als seine
Einflusssphäre.
Vom AMC stammt auch das Bild des
kleinen Omran Dacqneesh, dem kleinen staubbedeckten Jungen, der
apathisch auf dem Sitz eines Rettungswagen sitzt. Das Bild wurde
weltweit zum Sinnbild für das Grauen der Bombardierung Ost-Aleppos.
Später stellte sich dann heraus, dass das Bild von dem Fotografen
Mahmoud Raslan stammte, der sich auf einem anderen Bild fröhlich
lachend mit Kämpfern der Islamistengruppe Harakat Nour al-Din
al-Zenki zeigte, einer dieser Gruppen, die Schwenck zu
„Oppositionsaktivisten“ macht, die kurz zuvor den 12-jährigen
Jungen Abdullah Issa vor laufenden Kameras enthauptet hatten.
In Mossul zerrt Schwenck nun
höchstpersönlich „Zeugen“ vor die Kamera, die ihr Sprüchlein
aufzusagen haben:
„Im Nachbarhaus hatten sich IS-Kämpfer versteckt, sagt er. Und wann immer die geschossen haben, hat die irakische Armee zurückgeschossen und dabei auch Zivilisten gefährdet. Aber das war das Kalkül der Dschihadisten.“
Eines fällt auf: Die irakische Armee
schiesst nur, wenn zuvor der IS geschossen hat. Das Feuer der Armee
hat zwar Zivilisten gefährdet, aber verantwortlich dafür war der
IS, der ja nur in der Absicht geschossen hat, die irakische Armee zur
Gegenwehr zu veranlassen, um eben dadurch die Zivilisten zu
gefährden. Eine bestechende Logik. Es ist wie immer, wenn der freie
Westen Menschenleben vernichtet. Alles geschieht nur aus dem Zwang
der Selbstverteidigung heraus, ist keineswegs bösartig oder in
kriegerischer Absicht, sondern nur zum Besten der hilf- und wehrlosen
Bevölkerung..
In dieser Logik versteht sich auch
wenn uns Schwenck aus Mossul von dem Zeugen berichten lässt:
„Der IS habe ganze Familien entführt, als die irakischen Sicherheitskräfte sich näherten. Um zu fliehen mischten sich IS-Kämpfer unter Zivilisten berichtet dieser Mann. Wir haben uns versteckt und dann haben wir gehört wie der IS Menschen aus der Nachbarschaft als menschliche Schutzschilde mit sich genommen hat. Wer sich weigerte wurde erschossen oder sie haben sein Haus angezündet.“
In Aleppo dagegen durfte ein Islamist
über die Anzahl der fliehenden Menschen noch völlig unbewiesen
behaupten:
„ ...nur wenige Menschen würden die Rebellengebiete verlassen. Viele seien bei der Flucht getötet worden“,
natürlich von Assads Schergen, wie die syrische Armee auch gerne in
unseren Qualitätsmedien genannt wird.
Schwenck fühlt sich zu einem abschliessendem Fazit berufen. Es
klingt fast wie ein Appell ist aber eher als Anklage des IS,
gleichzeitig aber auch eine Verteidigung der Angreifer auf Mossul,
eine vorauseilende Entschuldigung für die vielen tausend Toten und
Vertrieben, die dieser Kampf noch unter der Zivilbevölkerung kosten
wird:
„Vierhunderttausend Menschen sitzen noch in der Altstadt fest, keine Chance der Gewalt zu entkommen. Der IS kann den Kampf um Mossul nicht mehr gewinnen, aber er kann noch viele Zivilisten mit in den Tod reissen.“
Gleiches hätte er auch im Dezember
2016 der Al-Nusra, dem IS, der Ahrar al-Sham und eben jener Harakat
Nour al-Din al-Zenki, die den 12-jährigen Jungen vor laufenden
Kameras köpfte, die Ost-Aleppo und seine Einwohner als Geiseln
hielten, mit gleicher Berechtigung zurufen können, wie in diesen
Tagen dem IS in Mossul.
Aber Schwenck argumentierte genau
anders herum, in den Tagesthemen
am 13. Dezember 2016:
„Monatelang hat Machthaber Assad die bewaffnete Opposition in Aleppo belagert, ausgehungert und dann über Wochen bombardiert. Viertel um Viertel wurde erobert oder befreit, je nach Perspektive. Für die Zivilbevölkerung brachte der Kampf um Aleppo vor allem eines: Entsetzliches Leid.“
Über Monate verbreitet er
Durchhalteparolen, so wie bereits am 02.
August 2016 in den Tagesthemen. Russen und die Syrische Armee
hatten damals gerade Fluchtkorridore für die Zivilbevölkerung aus
dem belagerten Ostteil der Stadt eingerichtet, die aber von den
Islamisten unter schweres Feuer genommen wurden, um eine Flucht der
Menschen zu verhindern.
Schwenck beginnt mit einer dreisten
Täuschung der Zuschauer:
„Im Moment sehe man in den Rebellenvierteln vor allem Kämpfer der Freien Syrischen Armee kurz FSA. Abu Sharif hält Wache“,
schliesslich ist selbst dem
vertrottelsten Zuschauer kein bärtiger Nusra-Kämpfer mit schwarzem
Stirnband als Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit zu verkaufen.
Und nachdem der Mann, den man extra für die deutschen
Fernsehzuschauer mit einem Anstecker der Fahne der FSA am Kampfanzug
ausgestattet hat, ausgiebig über die mangelnde Unterstützung des
Westens klagt , darf er markige Durchhalteparolen ins Mikrofon sagen:
„Wir werden weiterkämpfen bis zum Schluss. Wir stehen Seite an Seite mit den Zivilisten hier. Wir haben schon so lange der Belagerung und den Luftangriffen widerstanden.“
Schwenck wäre allerdings nicht
Schwenck, wenn er nicht noch versuchte den Menschen vor den
Fernsehern ein schlechtes Gewissen einzureden. Er wechselt wieder in
die pastorale Intonation:
„Rauch über Aleppo. – Die Menschen ducken sich in den giftigen Qualm und hoffen auf Schutz vor dem nächsten Angriff. - So ähnlich muss es wohl in der Hölle aussehen.“
Wer nun etwa meint, eine solch
eindringliche Schilderung könne nur ein Augenzeuge des Geschehens
vermitteln, der sieht sich getäuscht. Schwenck ist wieder einmal gar
nicht vor Ort. Er lässt sich wieder einmal einen Film schicken von
einem Kameramann, der den Dschihadisten angehört. Schwenck sitzt
derweil in Kairo und dichtet einfach auf die Bilder, was ihm gerade
so in den Sinn kommt. In der Anmoderation hatte Thomas Roth, damals
noch als Anchorman bei den Tagesthemen in Amt und Würden, die
Leistung Schwencks, „die Lage in der Stadt zu zeigen“,
ohne auch nur annähernd zu wissen, was ihm da von den
Kopfabschneidern untergejubelt wurde, in tiefer Ergriffenheit
gewürdigt:
„Kaum ein Journalist kann regelmässig aus Aleppo berichten, denn die Gefahr ist einfach zu groß. Unser Korrespondent schafft es trotzdem mithilfe der Bilder eines der Opposition nahestehenden Kameramanns , die Lage in der Stadt zu zeigen.“
Die Lage der Besatzer Ost-Aleppos war
damals schon hoffnungslos. Sie waren eingezingelt, verfügten über
keinerlei Luftabwehr und von Tag zu Tag wurden ihre militärischen
Ressourcen knapper. Aber sie hatten ihre Geiseln. Zwischen 60.000 und
250.000 Zivilisten, die Zahlen gingen je nach Interessenlage der
Berichterstatter weit auseinander, sollen sich zu dieser Zeit noch in
Ost-Aleppo in der Gewalt der Terroristen befunden haben.
Aber Schwenck will zu diesem späten
Zeitpunkt des Kampfes um Aleppo, am diesem 13. Dezember , da es nur
noch wenige Tage dauern wird, bis die ganze Stadt wieder in den
Händen der Regierung ist scheinbar nicht, dass die wehr- und
schutzlosen Zivilisten Ost-Aleppo verlassen. Verbreitet er doch 1:1
die Propaganda der Geiselnehmer.
Einer dieser Terroristen spricht in
seine Handykamera, während er sich selbst filmt, wie er durch eine
menschenleere Straße Ost-Aleppos geht, links und recht in Trümmern
liegende Ruinen:
„Nach dem das Regime vorgedrungen ist, haben wir von Massakern gehört, sagt dieser Aktivist aus den Rebellenvierteln. Wir wissen nicht wieviele genau getötet wurden, weil der Kontakt zu all denen, die in Regime-Gebieten sind, der ist abgerissen.“
Der „Aktivist“ weiß nichts
genaues. Ebenso wie Schwenck, der zitiert die UNO, die von
„mindestens 82 Zivilisten“, berichtet, die
Regierungssoldaten ermordet haben sollen, „darunter Frauen
und Kinder.“
Das syrische Militär weise das zurück
aber die Hinweise seien glaubhaft, die Namen bekannt, beruft sich
Schwenck auf den Sprecher der UNO, Rupert Colville. Der Brite
Colville, der sein Büro in Genf hat, ist auch nur auf hören-sagen
angewiesen, weiss anscheinend auch nichts Genaues, denn auch er
benutzt die vage Formulierung „haben sollen“. Eines weiss er
allerdings genau:
„Einige wurden erschossen als sie fliehen wollten. Andere wurden in ihren Häusern erschossen in denen sie Zuflucht gesucht hatten. Das ist eine alarmierende Entwicklung“.
Die Täter aber bleiben im dunklen, im
wagen. Aber die Botschaft der Geiselnehmer an die Zivilisten in
Ost-Aleppo ist klar: „Bleibt wo ihr seid, oder ihr seid tot!“
Volker Schwenck überbringt sie.
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