Associated Press hatte am 1. Juni um
12:53 Uhr eine hochinteressante
Nachricht zu vermelden. Der Direktor der Agence nationale de la
sécurité des systèmes d’information (ANSSI), in deutsch, die
Nationale Agentur für Sicherheit der Informationssysteme, die dem
französischen Ministerpräsidenten direkt untersteht, Guillaume
Poupard, hatte in seinem Büro in Paris, der Presseagentur ein
Interview gegeben.
Dabei sagte Poupard den Journalisten,
dass Untersuchungen der „ANSSI“ keine Anzeichen dafür gefunden
hätten, dass hinter den „Macron-Hacks“ die Hackergruppe „ATP28“,
auch bekannt unter dem Namen „Fancy Bear“, gesteckt habe:
„Es ist mir gegenwärtig absolut unmöglich zu sagen, 'Macron Leaks', das war APT28. Der Angriff war so generisch und einfach, dass es praktisch jeder gewesen sein könnte.“
„ATP28“ oder „Fancy Bear“ wird
von US-amerikanischen Sicherheitskreisen als eine der Hackergruppen
verdächtigt, die im Auftrag der russischen Regierung tätig sein
sollen. Ohne die Möglichkeit grundsätzlich auszuschliessen, dass
ein Staat beteiligt gewesen sein könnte, sagt Poupard:
„bedeutet das, dass wir uns vorstellen können, dass es eine Person war, die das allein tat, sie könnten aus jedem Land sein.“
Poupard,
so AP, verglich den Macron-Hack mit dem:
„weitaus anspruchsvolleren Angriff , der TV5 Monde im Jahr 2015 vom Sender nahm. Dort wurden sehr spezifische Werkzeuge verwendet, um die Software zu zerstören.“
Das
sei damals eine Vorgehensweise gewesen, die der sehr ähnlich sei,
die man allgemein APT28 zurechne, erklärte Poupard.
„Aber zu sagen, Macron-Leaks, das war APT28, dazu sehe ich mich heute absolut ausserstande.“
Die
Deutschen, so hatte man wohl in den Führungsetagen der deutschen
Medienhäusern entschieden, sollten von dem Wissen des
Generaldirektors der Nationalen Agentur für Computer-Sicherheit
möglichst nichts erfahren. Anders ist wohl kaum zu erklären, dass
alle Medien, die sich noch Anfang des Monats empört hatten über die
„russische Einmischung“ in den Präsidentschaftswahlkampf in
Frankreich, nicht bereit waren sich zu berichtigen.
Das
„Handelsblatt“
holte sich prominente Unterstützung bei dem Versuch seine
Leserschaft für dumm zu verkaufen,: Den ehemalige Schachweltmeister
und Intimfeind des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Garri
Kasparow. Dieser gibt wieder einmal ein beredtes Beispiel dafür ab,
wie nah Genialität und Wahnsinn beieinander sind. Zwar gibt er
seine absolute Ahnungslosigkeit zu:
„Ich kann es nicht beweisen und mir fällt es schwer, die genaue Absicht zu erkennen“,
fühlt
sich aber trotzdem dazu berufen, eine präzise Schuldzuweisung in die
Welt zu posaunen:
„Für mich steckt der KGB dahinter.“
Dabei
scheinen die letzten 25 Jahre in seiner Welt nicht stattgefunden zu
haben. Bei ihm ist der russische Geheimdienst immer noch der KGB, der
allerdings schon mit dem Untergang der Sowjetunion 1991 aufhörte zu
existieren. Am 3. April 1995 wurde vom damaligen Präsidenten
Russlands, Jelzin, der russische Geheimdienst FSB gegründet.
Die
„BZ“
versicherte sich der Unterstützung von ebenso inkompetenter Seite
wie das Handelsblatt. „BZ“ zitierte den damals noch amtierenden
Aussenminister Frankreichs Jean-Marc Ayrault:
„demzufolge Macron Ziel von Cyberangriffen aus Russland ist.“
Der
„Stern“
fragte ganz unschuldig:
„Steckt
Russland hinter der Cyberattacke“
„Die
Welt“ liess unter der Überschrift:
„Die Spur in den Metadaten führt nach Russland“,
ihre
hinlänglich bekannte Korrespondentin Julia Smirnowa einige
Ungereimtheiten zusammenschreiben:
„In den geleakten Emails sind Hinweise auf den Ursprung des Cyberangriffs aufgetaucht – in kyrillischen Buchstaben. Sollten russische Hacker hinter dem Angriff auf Macron stehen, kommt Putin in Erklärungsnot“,
prognostizierte
Smirnowa gleich zu Beginn ihres Artikels und legte sich dabei in
ihrer Sicht über die Urheberschaft des Macron-Hacks unwiderruflich
fest. Zum Beweis beruft sich die Korrespondentin auf eine russische
Internetseite, die den schönen russischen Namen „The Insider“
trägt. Dieses Portal, so Smirnowa, sei unabhängig. Wobei die Frage,
unabhängig von wem oder von was, offen bleibt.
Smirnowa:
„Die Journalisten analysierten die gestohlenen E-Mails und fanden in den Metadaten an mehreren Stellen einen Namen, der in kyrillischen Buchstaben geschrieben war. Ein gewisser Georgi Petrowitsch Roschka hatte laut Metadaten mehrere Dateien geändert.“
Dieser
habe vor drei Jahren an einer Fachkonferenz über IT-Technologien der
Universität in Rostow am Don teilgenommen. Georgi Petrowitsch
Roschka sei Mitarbeiter einer Firma mit Namen Ewrika in St.
Petersburg, die das Verteidigungsministerium, den Geheimdienst FSO
(zuständig für Sicherheit von Regierung und Präsident, Personen-
und Objektschutz, nach Weisung des Präsidenten auch
nachrichtendienstliche Aktivitäten zur Abwehr oder Spionage lt.
Wikipedia), das Außenministerium und, und hier wird Smirnowa
etwas schwammig, andere russische Behörden zu ihren Kunden zähle.
Aus
diesen mehr oder weniger belegbaren Behauptungen zieht „Die Welt“
eine gewagte Schlussfolgerung und Smirnowa geht steil:
„Sollte ein Mitarbeiter von Ewrika tatsächlich hinter dem Hackerangriff auf Macron stehen, wäre dies ein starker Hinweis darauf, dass #MacronLeaks eine gezielte Operation russischer Geheimdienste war.“
Smirnowa
lässt die Leser mit dieser gewagten These aber nicht allein. Aus dem
reichen Schatz ihrer Erfahrungen fügt sie eine Erklärung an:
„Eine Partnerschaft zwischen Sicherheitsbehörden und privaten Unternehmen ist typisch für Russland. Bei ihren Cyberaktivitäten stützen sich russische Geheimdienste nicht selten auf das Wissen und Können privater Akteure.“
Schliesslich
würden
„kriminelle Hacker aus Russland, die weltweit als besonders geschickt gelten“,
und
wie das in Russland so üblich ist werden diese:
„von den Behörden entweder erpresst und zu der Zusammenarbeit gezwungen. Oder sie helfen russischen Geheimdiensten im Tausch dafür, dass Ermittler bei ihren kriminellen Aktivitäten ein Auge zudrücken.“
Die
„WAZ“
führt als Beweis, dass hinter allem mal wieder der Dämon Putin
steckt, weniger mit dezidiertem Hintergrundwissen als vielmehr mit
theoretischen Überlegungen:
„Heute beherrschen die Geheimdienste den Cyberraum, weil sie die schier unbegrenzten Ressourcen haben, um Angriffe massiv, koordiniert zu führen. Das ist zeit- und personalintensiv, technisch anspruchsvoll, kurzum: teuer. Viele kommen infrage. Aber auf Russland kommt man nicht böswillig...“,
intimen
Wissen über russische Militärstrategien:
„...Zum einen gehört die hybride Kriegsführung offiziell zur Moskauer Militärdoktrin, eine Mischform aus offenen und verdeckten, regulären und irregulären, symmetrischen und asymmetrischen, militärischen und nicht militärischen Konfliktmitteln“,
und
geheimnisumwitterten Internas aus nicht genannten Quellen:
„ Zum anderen bringt man eine Reihe verdächtiger Server in Verbindung mit Russland“.
Bild
war sich schon einen Tag nach der Veröffentlichung des
Hackerangriffs auf Macrons Bewegung „En March“ absolut sicher:
„Sicherheitsexperte: Russische Hacker stecken hinter Angriff“Steckt Russland hinter der Cyberattacke?Steckt Russland hinter der Cyberattacke?
ImText
wurde man dann von Satz zu Satz konkreter:
„Noch gibt es keine konkreten Beweise, dass der Kreml tatsächlich hinter den jüngsten Leaks steckt – dennoch halten Sicherheitsexperten das für mehr als wahrscheinlich.“
Jetzt
waren es schon nicht mehr irgendwelche anonymen russischen Hacker,
sondern konkret „der Kreml. Als nächstes zitiert Bild Vitali
Kremez, der Forschungsdirektor bei dem Cyber-Intelligence-Unternehmen
„Flashpoint“ mit Sitz in New York, der schon den Demokraten und
den US-amerikanischen Geheimdiensten kurzfristig mit einem
Schnellschuss aus der Hüfte hilfreich zur Seite sprang, als diese
von den Machenschaften der Führung der Demokratischen Partei, zur
Verhinderung eines demokratischen Präsidentschaftskandidaten Bernie
Sanders abzulenken versuchten:
„Seiner (Vitali Kremez') Analyse zufolge steckt die Hackergruppe „APT28“, die dem russischen Militärnachrichtendienst GRU nahe steht, hinter dem Angriff auf Macrons Daten, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.“
Aber
„Bild“ in Person von Julian Röpcke war wieder einmal der Zeit
und vor allen Dingen den Ereignissen weit voraus. Schon fünf Tage
zuvor, am
2. Mai dichtete Röpcke in seiner unnachahmlichen Art:
„Putins Cyber-Schergen kämpfen für Le Pens Sieg“.
In
einer Sprache, die nur bei sehr oberflächlichen Betrachtung etwas
mit der deutschen Sprache gemein hat, fährt Röpcke fort:
„Es handelt sich angeblich um dieselben Russen-Hacker, die im letzten Jahr in den US-Wahlkampf eingriffen...“
wobei
der Leser wissen sollte, dass bei Röpcke ein Russenhacker, nicht
jemand ist der wie man vermuten könnte Russen hackt, sondern Leute
russischer Staatsangehörigkeit, die Internetseiten hacken.
Röpcke
zitiert Richard Werner, Business Consultant der japanischen
IT-Sicherheitsfirma „Trend Micro“:
„Wir haben bei den Angriffen gegen die Macron-Kampagne dieselbe Art von digitalen Fingerabdrücken und die gleiche Vorgehensweise wie bei früheren Aktivitäten von Pawn Storm gefunden, darunter auch der Angriff auf die Demokratische Partei.“
Ein
schmales Brett auf das sich Röpcke und die „Bild“ da begeben. So
ist ein „Business Consultant“, in schnödem Deutsch ein
Unternehmensberater, nicht unbedingt das, was man sich unter einem
Fachmann für Cybersicherheit vorstellt.
Und
prompt konterte wenige Tage später Loic Guezo, der in Paris
stationierte Experte von „Trend Micro“, in dem Online-Magazin
„euobserver“,
dem man nicht eben nachsagen kann, dass es Russland und der
russischen Regierung in inniger Zuneigung zugetan wäre:
„dass die Operation vom 5. Mai zu amateurhaft aussah um von Pawn Storm / Fancy Bear zu stammen und sagte, dass es auch die Handarbeit eines einzelnen rechtsextremen Aktivisten gewesen sein könnte.“
Loic
Guezo zerschoss auch gleich einmal die Hypothese der diensteifrigen
Flashpoint-Jungs aus New York, die ihre gewagte These auf die
Tatsache gegründet hatten:
„dass 38 E-Mails aus Macrons Cache, die am 5. Mai, dem Vorabend der französischen Wahl, geleakt wurden, Links zu "Phishing" -Webseiten enthielten, die von einer Hackergruppe namens Fancy Bear eingerichtet worden waren.“
Loic
Guezo:
„...die Tatsache, dass 38 von den Tausenden geleakten E-Mails von Macron Links zu Pawn Storm / Fancy Bear enthielten, nicht bedeuten würde, dass irgendeiner dieser 38 Links maßgeblich bei dem Angriff war.“
Aber
auch diese Nachricht fand kaum Widerhall in der veröffentlichten
Meinung in Deutschland. Es war wohl wieder einmal mehr das Große -
Ganze, die, neuhochdeutsch, Message, die Vorrang bekam vor den
schnöden Fakten. In allen Berichten wurde auf die angebliche
Beeinflussung der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen durch den
russischen Geheimdienst hingewiesen und vor einer mit Sicherheit auf
uns zukommenden Einflussnahme auf die Bundestagswahl im Herbst dieses
Jahres.
Darum
stürzten sich die US-Medien und die US-Geheimdienste in bestens
einstudiertem Gleichschritt auch auf die Nachrichten aus Frankreich.
Wenn man schon selbst keine Beweise für die Einflussnahme Russlands
auf das amerikanische Wahlergebnis im letzten November vorweisen
konnte, so sollte die Öffentlichkeit in den USA zumindest durch
immer wieder neue Horrormeldungen über den scheinbar allmächtigen
russischen Geheimdienst und sein Vorhaben, die westlichen Demokratien
zu zerstören, zum Wohle des eigenen innenpolitischen Vorteils, den
US-Bürgern der Angstschweiß auf die Stirn fabriziert werden.
Ausgerechnet
Admiral Michael S. Rogers, der Chef der „National Security Agency“,
besser bekannt als „NSA“ und
des
„United States Cyber Command“ die Behörde die für die
elektronische Kriegsführung der USA zuständig ist, also der Mann
der als einer der ganz wenigen Menschen auf der Welt weiss, was hier
eigentlich gespielt wird, meldete sich in einer Parlamentsanhörung
laut „The
Guardian“ mit wilden Spekulationen zu Wort. Er habe die
Franzosen gewarnt, habe ihnen ein „Heads UP“ gegeben.
„Wir waren uns der russischen Aktivitäten bewusst. Wir beobachten die Russen, wir haben gesehen, wie sie in Ihre Infrastruktur eindringen, hier ist was wir gesehen haben, was können wir tun, um zu helfen?“
Sie
die US-Dienste machten ähnliche Sachen mit ihren deutschen und
britischen Gegenübern:
„Wir versuchen alle herauszufinden, wie wir voneinander lernen können.“
Guillaume
Poupard zeigte sich bei „AP“
ob der Äusserungen Rogers einigermassen überrascht und wohl
auch ein wenig ratlos:
„Warum hat Admiral Rogers das damals gesagt? Es hat mich wirklich überrascht. Und es hat meine europäischen Freunde überrascht und um ehrlich zu sein, als ich mit meine NSA-Gesprächspartnern fragte, warum er das gesagt hat, wussten keiner eine richtige Antwort. Vielleicht ging er über das hinaus, was er eigentlich sagen wollte.“
Es
macht immer mehr den Anschein, als versuchten die USA ihre
innenpolitischen Probleme seit der Wahl Donald Trumps zu ihrem
Präsidenten, auf Kosten der internationalen Beziehungen und dem
friedlichen Zusammenleben der Nationen zu regeln. Sich als
Mittelpunkt der Welt betrachtend scheinten ihnen die Folgen völlig
egal zu sein. Sie reflektieren nicht im mindesten, was sie mit ihren
haltlosen Behauptungen und wilden gegenseitigen Beschuldigungen, die
nur darauf gerichtet sind den innenpolitischen Gegner zu vernichten,
anrichten, und der deutsche Mainstream steht dabei pflichtschuldigst,
hilfreich zur Seite.
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