Freitag, 15. März 2013

Gekaufte Wissenschaft? - Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht


 In dem Beitrag „Bertelsmannstiftung fordert Rente mit 69“ wurde hier über einen Wissenschaftler an der Ruhr-Universität berichtet, der sich mühsam seine Drittmittel von Mal zu Mal bei der Bertelsmannstiftung verdienen muss. Ein mühsames Geschäft, auch wenn die Bertelsmänner schon zufrieden sind, wenn alte Texte etwas aufgearbeitet und in einen neuen Kontext gestellt werden. Da haben es drei Professoren der Juresprudenz an der Münchener  Ludwig-Maximilians-Universität einfacher. Sie haben den faustischen Pakt mit den Geldtöpfen der Wirtschaft gleich auf unbegrenzte Zeit geschlossen.

 Die Herren Professoren Dr. Volker Rieble, Dr. Abbo Junker und Dr. Richard Giesen haben je einen Lehrstuhl am "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" (ZAAR).

 Im Jahre 2003, Gerhard Schröder war gerade wieder zum Kanzler einer Rot-Grünen Mehrheit im Bundestag gewählt worden, ging die Angst um, im Arbeitgeberlager. Sechzehn lange Jahre hatte Kohl mit einer Mehrheit aus CDU/CSU und FDP bis 1998 regiert. Die Arbeitgeber saßen über die gesamte Zeit praktisch mit am Kabinettstisch. Dann kam Kohls Abwahl. Im Arbeitgeberlager sah man das als einmaligen Ausrutscher an. Niemand rechnete ernsthaft mit einer Wiederwahl Schröders. Nun drohte, so fürchteten die Arbeitgeber, eine lange Zeit unter einer Regierung der Sozis.

 Dagegen musste etwas getan werden. Überall in der Republik wurden sogenannte Initiativen und Gesprächskreise gegründet. Die Bekannteste davon ist die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ die sich der Metallarbeitgeberverband jährlich 8 Millionen Euro kosten läßt. Diese Vereinigungen, deren Personal sich immer aus fast den gleichen Leuten zusammensetzte, betrieben massive Propagandaarbeit für, wie sie es nannten, die “Soziale Marktwirtschaft“.

 In München ging man einen anderen Weg. Hier wurde nicht auf die vordergründige Agitation gesetzt, sondern auf lange Sicht in die Manipulation der öffentlichen Meinung investiert.
  •     Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V.,
  •     der Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. und
  •     der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V.
warfen 55 Millionen Euro auf einen Haufen und gründeten, steuersparend, am 21. August 2003 die „Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht“(STAR). Aus den Erträgen des Stiftungskapitals, so verlangt es die Satzung, finanziert sich das "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" (ZAAR).

 Zu diesen Gründungsmitgliedern dürften sich im Laufe der Zeit noch etliche Stifter hinzugesellt haben, denn mit dem Kapitalertrag aus 55 Millionen Euro sind, selbst bei bester Verzinsung, nicht drei Professorengehälter etliche Mitarbeiter die Veröffentlichungen und die zahlreichen Veranstaltungen des ZAAR zu bestreiten. Dieser Umstand lässt sich auch aus der Zusammensetzung des Beirates der Stiftung herauslesen, der „aus herausragend qualifizierten Persönlichkeiten“ zusammengesetzt, laut Satzung „den Vorstand in Fragen hinsichtlich der Verwirklichung des Stiftungszweckes“ berät. Da tauchen dann neben
  • Georg Feldmeier (Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie)
  • Bernhard Kessel (Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie)
  • Dr. Klaus-Peter Stiller (Bundesarbeitgeberverband Chemie)
als Vertreter der Gründungsstifter, noch
  • Klaus Lindner (Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie)
  • Dr. Peter Umfug (Verein der Bayerischen Chemischen Industrie)
  • und als einzige Nichtverbandsvertreter die Herren
  • Martin Naser (Siemens AG)
  • Dr. Uwe Schirmer (Robert Bosch GmbH).
 Martin Naser ist Leiter der Arbeitsrechtsabteilung bei Siemens, Dr. Uwe Schirmer ist Direktor der Zentralabteilung Personalgrundsatzfragen der Robert Bosch GmbH.

 Schirmer scheut auch schon mal vor einem Aufruf zum Bruch des Tarifvertrags nicht zurück, wenn es denn den Arbeitgebern als nützlich erscheint, so anlässlich des Vortrages: „Arbeitszeitgestaltung zwischen kollektiver Regulierungund individueller Freiheit“, in der Vortragsreihe des ZAAR am 14. November 2004 „Der Tarifvertrag gestatte regelmäßig nur 35 Stunden. Wolle man eine längere Arbeitszeit, bleibe der Tarifbruch.“ Der Bericht über den Vortrag zitiert Schirmer unter anderem „Dr. Schirmer sprach sich gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.“

 Schaut man auf die Internetseite der „Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht“, so fällt auf, dass dort immer wieder von der Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit des ZAAR die Rede ist. Ein Blick auf die Führungsgremien lässt allerdings das genaue Gegenteil vermuten. Ausser dem oben erwähnten Beirat setzen sie sich aus dem
  • Stiftungsvorstand,
  • Stiftungsrat,
  • Kuratorium und
  • Forschungsdirektorium
zusammen. Alle Fäden laufen im Kuratorium zusammen. Denn das „beruft den Geschäftsführenden Direktor und die Nachfolger des Stiftungsrates“. Ausserdem ist das Kuratorium uneingeschränkter Herrscher über die Finanzen. Es „genehmigt den Haushaltsplan, die Jahresrechnung und den Tätigkeitsbericht und kann Empfehlungen für die Verwaltung des Stiftungsvermögens geben“.  Das Kuratorium „entlastet den Vorstand“. Es ist somit im Besitz aller Schalthebel der Stiftung und des ZAAR. Kein Wunder, dass im Kuratorium die Schwergewichter der Gründungsstifter sitzen:
  •     Randolf Rodenstock (Präsident des VBM) - Vorsitzender
  •     Willibrord Lampen (Vorstandsmitglied des BAVC) - stv. Vorsitzender
  •     Dr. Stefan Wolf (Mitglied des Vorstandes von Südwestmetall)
Der Stiftungsrat, so heißt es, soll „den Stifterwillen repräsentieren“ und ist „für die Vermögensverwaltung der Stiftung zuständig“. Durch die Formulierung „den Stifterwillen repräsentieren“ wird überdeutlich, dass das "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" (ZAAR) eben gerade nicht unabhängig in Forschung und Lehre ist. Davor ist der Stifterwille. So sitzen im Stiftungsrat dann auch wieder ausschliesslich Vertreter der Gründungsstifter. Im Gegensatz zum Kuratorium aber die, eine Stufe tiefer angesiedelten, Hauptgeschäftsführer der drei Verbände:
  •     Bertram Brossardt (Hauptgeschäftsführer des VBM) - Vorsitzender
  •     Wolfgang Goos (Hauptgeschäftsführer des BAVC) - stv. Vorsitzender
  •     Peer-Michael Dick (Hauptgeschäftsführer Südwestmetall)
Stiftungsvorstand und Forschungsdirektorium sind personell nahezu identisch. Der Stiftungsvorstand besteht aus den drei Lehrstuhlinhabern des ZAAR:
  •     Professor Dr. Volker Rieble - Vorsitzender
  •     Professor Dr. Abbo Junker - stv. Vorsitzender
  •     Professor Dr. Richard Giesen
Das Forschungsdirektorium setzt sich aus den drei Vorstandsmitgliedern:
  • Professor Dr. Volker Rieble (ZAAR) - Vorsitzender
  • Professor Dr. Abbo Junker (ZAAR)
  • Professor Dr. Richard Giesen (ZAAR
und
  • Professor Dr. Martin Franzen (LMU)
zusammen. Beide Gremien führen zwar das tägliche Geschäft, aber nur in dem eng gesetzten Rahmen von Kuratorium und Stiftungsrat.

Schon aus der Zusammensetzung der Gremien und deren unterschiedlichen Kompetenzen wird klar, welche Aufgabe das ZAAR hat. Es soll ganz offensichtlich daran mitwirken die Rechte von Arbeitnehmern, juristisch abgesichert, einzuschränken. Das ZAAR veranstaltet Foren, Vorträge und Seminare, die sich hauptsächlich damit befassen, wie die Unternehmen die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Personalentscheidungen, hauptsächlich bei der Umwandlung unbefristeter Arbeitsplätze in Leiharbeit oder Werkverträge, umgehen können.

 Dabei bewegt man sich nicht selten in den Grauzonen des Arbeitsrechts. So wird von einem Vortrag des Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes und des Forschungsdirektoriums, Professor Dr. Volker Rieble, berichtet: „Rieble zeigte neben möglichen Umstrukturierungsmodellen einen Weg, die Widerspruchsgefahr des § 613a BGB zu bannen.“ Danach sah sich der Vortragende selbst genötigt seine Zuhörer zu beruhigen: „Rechtsmißbräuchlich seien die vorgestellten Maßnahmen nicht“.

Anlässlich der 3. ZAAR-Tagung „Freie Industriedienstleistung als Alternative zur regulierten Zeitarbeit“ formulierte Rieble den denkwürdigen Satz über die Zeitarbeit: „Unter dem Damoklesschwert des Branchenmindestlohns sei ein Lohnunterbietungswettbewerb mit ihr nicht mehr zu gewinnen“, um dann fortzufahren „auch begegne die Zuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit weitreichenden Bedenken. Diese Rechtsunsicherheit führe letztlich zur
Unkalkulierbarkeit des unternehmerischen Risikos“. So ist das also: Arbeitsrechtliche Vorschriften führen in den Augen des ZAAR zu Rechtsunsicherheit.

 Aber Rieble weiß Rat. Er empfiehlt der versammelten Unternehmerschaft von Siemens über BASF, die Deutsche Bahn, Porsche, BMW, Robert Bosch bis hin zur Metro AG die noch mieser bezahlten Werkverträge: „Umgekehrt sorgten gerade die veränderten wirtschaftlichen Anforderungen für die steigende Attraktivität der Industriedienstleistung“. Ein anderes Wort für Industriedienstleistung ist Werkverträge mit deren Hilfe die Löhne bis weiter unter den angestrebten Mindestlohn von 8,5o€ gedrückt werden.

 Rieble und seine beiden Mitprofessoren sind fürchterliche Wissenschaftler, die nur ein Ziel kennen: Den Willen ihrer Brötchengeber zu erfüllen. So berichtet die "taz" am 02.07.2011 über den „Fall der Kaisers-Kassiererin, die als "Emmely" bekannt wurde. Die Einzelhandelskette wollte der gewerkschaftlich engagierten Frau kündigen, weil sie Pfandbons in Höhe von 1,30 Euro, die vermutlich ein Kunde in ihrer Filiale verloren hatte, mit einem privaten Einkauf verrechnet hatte. Rieble bezeichnete die Kassiererin als "notorische Lügnerin" und forderte zusätzlich zur fristlosen Kündigung auch die Einleitung eines Strafverfahrens. Aktuell setzt er sich für ein Unternehmen ein, das Detektive als verdeckte Ermittler angeheuert hatte, die dann Mitarbeiter und Betriebsratsmitglieder bespitzelten“.

 Das was Rieble und Konsorten abliefern, ist gekaufte Wissenschaft. Sie stellen das Prinzip wissenschaftlicher Arbeit auf den Kopf, dass da besagt, ergebnisoffen zu forschen. Erst die Forschung ergibt das Ergebnis. Bei Rieble und Co steht das Ergebnis fest und die Tatsachen werden so lange verbogen, bis sie zum gewünschten Ergebnis führen.

 Nun könnte man sagen: „Laßt die Spinnerten doch in ihrem  "Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht" vor sich hin werkeln. Wen interressiert es?“ Die Crux ist aber, dass diese Herren ihre “Erkenntnisse" an Generationen von Studenten weitergeben, denn sie gehen der ganz normalen Lehrtätigkeit ausserhalb ihres Instituts an der Ludwig-Maximilians-Universität nach. Das heisst: Die kruden Ansichten der Arbeitgeberverbände werden an einer öffentlichen Hochschule auf Kosten der steuerzahlenden Arbeitnehmer, an die nächsten Generationen von Arbeitsrichtern, Staats- und Rechtsanwälten vermittelt, die dann mit diesem "Wissen" in ihren Köpfen Recht sprechen.

1 Kommentar:

  1. Super interessanter Text, danke dafür! Vielleicht dürfen wir diesen Artikel von uns hier als weiterführend anbieten? https://magazin.jobmensa.de/gekaufte-wissenschaft-wie-abhaengig-sind-universitaeten-von-unternehmen/ Es geht um die Beziehung zwischen Unis und Unternehmen.

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