Freitag, 14. Dezember 2012

Mütter zweiter Klasse - Gerechtigkeit nach Kassenlage

 Fünfzig Euro mehr Rente im Monat, dass ist für manche Frau, die ihr halbes Berufsleben damit verbracht hat Kinder aufzuziehen, und damit über Zwanzig und mehr Jahre kein eigenes Geld verdienen und somit auch kaum eigene Rentenansprüche aufbauen konnte, eine ganze Menge Geld und eine, wenn auch nur kleine Anerkennung ihrer Leistung für das Gemeinwesen.

 Fünfzig Euro mehr Rente im Monat bekäme jede Frau, die ihre Kinder vor 1992 aufgezogen hat, wenn sich die Politik endlich dazu entschliessen könnte, alle Mütter gleich zu behandeln. Denn im Gegensatz zu den Müttern, die ihre Kinder nach 1992 geboren haben und pro Kind drei Jahre Betreuung angerechnet bekommen, wird den älteren Frauen pro Kind nur ein Jahr Kinderbetreuung bei der Rente angerechnet.

 Frauen, die ihre Kinder in den sechziger und siebziger Jahren grossgezogen haben, als es kaum Kindergärten, Krippen und schon gar keine Ganztagsbetreuung gab, kein Elterngeld und kein Betreuungsgeld. Damals als die gesellschaftlichen Normen, die Väter als reine Geldverdiener sah, sie aber von Kindererziehung, Kinderbetreuung und allen Haushaltspflichten entband. Es gab kaum Einwegwindeln und auch keine geländegängigen SUV’s mit denen die Kinder zur Schule und wieder nach Hause gefahren wurden, der Wäschetrockner war etwas für ganz reiche Leute.

 Trotzdem haben diese Frauen zwei und mehr Kinder geboren und gross gezogen, gefüttert, gewickelt, zur Schule gebracht, ihnen Mittags ein warmes Essen gekocht, sich um ihre Hausaufgaben gekümmert, ihnen Kleidung genäht oder gestrickt, gewaschen und gebügelt bis spät in den Abend. Eine berufliche Karriere blieb für sie ein Traum. Oftmals schon kurz nach der Ausbildung aus dem Berufsleben ausgeschieden, hatten sie, wenn die Kinder erwachsen und aus dem Haus waren, kaum eine Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz. Sie sind heute ein gefundenes Fressen für die Anbieter von 400 Euro- von Mini- und Midijobs. Sie putzen Büros und Toiletten, sie tragen Zeitungen aus und füllen im Supermarkt Regale auf, an die Kasse lässt man sie nicht mehr, das machen die jungen, hübschen Frauen.

 Ohne die Leistung dieser Frauen, wäre die gesetzlich Rentenversicherung schon lange nicht mehr finanzierbar. Denn die Kinder, die sie unter weit grösseren Mühen als heutzutage gross gezogen haben, denen sie eine vernünftige Ausbildung ermöglicht haben, während ihre eigene Ausbildung immer weniger wert wurde, bezahlen heute mit ihren Beiträgen die Renten der älteren Generation. Ohne diese Kinder würde es kaum noch Rente geben.

 Aber ihren gerechten Anteil an diesen Renten verwert man den Frauen mit  fadenscheinigen Argumenten. Das, so Finanzminister Wolfgang Schäuble koste im Jahr 13 Milliarden Euro und die seien angesichts der, im Grundgesetz verankerten, Schuldenbremse nicht zu finanzieren. Und die Gerichte geben ihm sogar noch Recht. In einem Beschluss vom 29. März 1996 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: „Zwar sei der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet, den Mangel des Rentenversicherungssystems, der in dem durch Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung liegt, in weiterem als dem seinerzeitigen Umfang auszugleichen“, es würde aber, „die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig beschränken, wenn ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen“.

 Diesen zeitlichen Gestaltungsraum nutzen die unterschiedlichsten Regierungen nun schon seit über sechzehn Jahre aus, um die Frauen um ihren gerechten Anteil an der gesetzlichen Alterssicherung zu bringen. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass die Politik das Problem so lange aussitzen wird, bis es sich von selbst erledigt hat, sprich die Mütter verstorben sind. Das ist zynisch und einem Staat, der sich Sozialstaat nennt, unwürdig.

 Die älteren Frauen haben keine Lobby. Sie haben, auch in Folge ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, nie gelernt für sich selbst zu sorgen. Immer waren es der Mann und die Kinder die zuerst kamen. Ihre Rolle war es immer hintan zu stehen.

 Nun sind sie für die Politik nichts mehr wert, sind Ballast, der nur noch mit durchgefüttert werden muss. Die jungen Frauen, von denen sich der Staat noch die, so dringend benötigten, Kinder verspricht, die bekommen drei Jahre Kindererziehungsjahre angerechnet, die bekommen 12 Monate Elterngeld und monatlich 100 Euro Erziehungsgeld, schliesslich ein wesentlich höheres Kindergeld, als es das noch in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren gab. Für diese Mütter werden Kindergärten und Krippen gebaut.

 Nicht etwa, dass das alles den Frauen nicht zustände, aber es ist ein nicht zu überbietender Zynismus, wenn der Staat die Frauen unterscheidet in diejenigen, die ihm noch zu Nutze sind, brutal ausgedrückt, die noch gebärfähig und gebärwillig sind, und jenen, die bereits ihre "Pflicht" getan haben und nun beiseite gestellt werden können, wie nutzlos gewordene Gebärmaschinen. Das ist nicht nur unwürdig und schäbig, das ist auch unsozial und durch nichts zu begründen.

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