Donnerstag, 21. August 2014

"Die Zeit" dreht dem Papst das Wort im Mund herum

"Der Papst will kein Pazifist sein" titelte "Zeit-online" am gestrigen Donnerstag. Papst Franziskus, so wollte uns die Co-Autorin, Evelyn Finger, weismachen, befürworte, nicht nur, wenn auch zu allererst, militärisches Eingreifen gegen die IS im Irak, sondern auch weltweit. "Jetzt auch der Papst", kommentierten verzweifelte User. Die Aufregung war allerdings umsonst. Der Papst hatte überhaupt nicht von militärischem Eingreifen gesprochen.

 Die Verzweiflung bei den Chefs der Zeit darüber, dass die Deutschen nichts von Militäreinsetzen der Bundeswehr oder Waffenlieferungen in Krisengebieten, trotz jahrelangem Trommelfeuer der deutschen Kriegsmedien Zeit, Spiegel, Welt, FAZ, Tagesspiegel und vor allen Dingen taz, wissen wollen, schien in der Chefetage der Zeit dermassen gross zu sein, dass sie nun die letzten Kräfte mobilisieren.

 So schickten sie jetzt Evelyn Finger in den Kampf. Finger arbeitete sich in dreizehn langen Jahren von einer Miarbeiterrin im Ressourt Literatur über die Stationen "Leben und Reise", "Tanz, Literatur, Kulturpolitik und Geschichtsaufarbeitung" bis zur Leiterin des Ressourts "Glauben und Zweifeln" hoch.

 Wenn jemand, wie Finger, bei den täglichen Redaktionskonferenzen über dreizehn Jahre lang am Katzentisch Platz nehmen musste, der oder in diesem Falle die, ist dann, wenn sie plötzlich von den grossen Chefs auf dem Flur erkannt und gegrüsst wird, zu jeder verlangten Manipulation und Lüge bereit. Da macht man auch vor dem "heiligen Vater", dem Stellvertreter Gottes auf Erden nicht halt. Und wenn der Papst nicht sagt, was er eigentlich sagen sollte, dann dreht man ihm die Worte im Mund herum und macht daraus auch noch eine fette Überschrift.

 Wenn der Papst beklagt: "Wir erleben jetzt einen Dritten Weltkrieg – wenn auch verstreut über die Welt. Aber der Krieg ist überall", dann macht Finger daraus "Franziskus fordert angesichts der Gräuel im Irak und eines "Dritten Weltkriegs" internationales Eingreifen." Berauscht von ihrer eigenen Definition der Worte des Papstes folgert die Autorin: "Der Schutz der Opfer steht über einem Pazifismus aus Prinzip".

 Der aufmerksame Leser fragt sich, was denn ein "Pazifismus nicht aus Prinzip" ist?. Kann man Pazifist sein, wenn man je nach Lage oder auch Sympathie, das eine Mal Menschen niederschiesst, bombadiert, verbrennt, foltert und vergewaltigt und das andere Mal darauf verzichtet, weil der Krieg ein guter Krieg ist? Pazifismus ist immer uneingeschränkt und prinzipiell. Das prinzipielle ist das Wesen des Pazifismus.

 Wenn der Papst sagt, "Er plädiere nicht für Bombardierungen oder Kriegseinsätze gegen die Milizen des Islamischen Staates (IS)", dann macht "Zeit-online" Autorin Evelyn Finger daraus "Franziskus stellt nun den Schutz der Opfer über einen christlichen Pazifismus aus Prinzip."

 Aus ihren eigenen Worten, die sie dem Papst in den Mund legt, konstruiert Finger flink "eine politisch-interventionistische Kirche, die sich aus Weltkonflikten nicht heraushält, indem sie sich auf das Prinzip der Gewaltlosigkeit zurückzieht." und einen "Gegensatz zu Teilen der deutschen Kirchen, die, wie die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, jegliche Militäreinsätze ablehnen" und sich mit "wohlfeilem Pazifismus begnügen".

 Und damit sind wir beim eigentlichen Anliegen der hohen Herren der "Zeit". Der deutschen Bevölkerung soll ein Schuldgefühl eingeimpft werden, wenn sie sich gegen Krieg und Gewalt ausspricht. Nicht die völlig verfehlte Aussenpolitik der westlichen Welt, nicht der Neokolonialismus, der letzten Jahrzehnte, die kompromisslose, auf den Lehren des Neoliberalismus fussende Ausbeutung der dritten Welt, die wahllosen Tötungen des "Krieges gegen den Terror" und die Lieferung von Waffen an Despoten in der ganzen Welt werden verantwortlich für die Terrorherrschaft der IS gemacht, sondern der "wohlfeile Pazifismus" des überwiegenden Teils der Deutschen.

 Finger macht aus dem Anspruch Franziskus' "Der Einsatz für den Frieden sei der Auftrag der Kirche, und sie habe alle Freiheit, ihn zu erfüllen"den Satz: "Es gibt auch eine moralische Pflicht zum Eingreifen". Diesen Satz hat der Papst aber nie gesagt.

 Evelyn Finger fügt dem fünften Gebot: Du sollst nicht töten, einen Teilsatz hinzu: Es sei denn, die Interessen des Westens sind gefährdet. Die Zeit-Ressortleiterin "Glauben und Zweifeln" übersieht dabei auch einen wichtigen Satz aus der Bergpredigt Jesu Christi: "Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich".

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