Samstag, 13. Dezember 2014

Wie der kleine Georg Diez vom Spiegel fast ein grosser Poet geworden wäre

„Ach der Dietz,“ mag der eine oder andere sagen, „der kann nicht dafür“. Bei der schweren Jugend, Generation Golf eben. Eine Jugend im Überfluss. Das Wirtschaftswunder hatte dafür gesorgt, dass die Kinder der 68er Generation nicht mit einer alten Zündapp oder einem „Kreidler Kleinkraftrad“, bestenfalls mit 80ccm Hubraum ausgestattet, zum Mädchen aufreissen in die Eisdiele fahren konnten. Nein, die armen Kinder mussten mit einem nagelneuen Golf vorlieb nehmen, mindestens 1.500 ccm. Oder wenn es ganz dicke kam war es, oh schweres Schicksal, ein Golf GTI mit über 2.000 ccm.

 Auch die italienische Eisdiele wurde ihnen gestohlen, da saßen immer noch die Eltern mit ihren Zottelhaaren, selbst gestrickten Socken und auf alt getrimmten Edelparka, rauchten statt gutem Stoff jetzt Davidoff Zigarren und klopften sich gegenseitig auf die Schultern, wie sie doch damals 68/69 die Welt aus den Angeln gehoben hatten. Dieser Generation blieb nur die Disko und Saturday Night Feever, die Bee Gees, Donna Summer und der Denver Clan.

 Diese Generation, die lange Zeit die Discokugel für das Leitgestirn hielt um dass sich alles drehte, ist die Einzige, die ohne Gewalt aufgewachsen ist. Ausser ein paar kleinen Scharmützeln in Lateinamerika, angezettelt von den USA und Großbritannien, gab es keine Kriege. Auch die Gewalt in der Gesellschaft war durch das Wirken der Elterngeneration verpönt.

 Dem jungen Diez werden alle Freiräume gewährt. Er kann sich nicht behaupten gegen seine Eltern, weil die ihm keinen Widerstand bieten. Er kann sich nicht auflehnen gegen die Elterngeneration. Während denen noch als Gammler oder Hippies der Gang ins Gas angedroht wurde oder zumindest das Arbeitslager, wurde dem jungen Georg sogar großmütig verziehen, wenn er rebellisch wie er war, am Samstag einfach einmal seinen Golf nicht in die Waschstrasse fuhr, sondern erst am Montag. Aber als junger Mensch braucht man die Reibung, die Emanzipation gegen heftigen Widerstand.

 Amerika drang in dieser Zeit mit der Einführung des Privatfernsehens endgültig in die deutschen Wohnzimmer ein. Verkitschte Serien und B- und C-Movies ersetzten die Realität. In den Kinos liefen Schmonzetten wie „Dirty Dancing“ oder „E.T.“, hirnloser Klamauk wie „Police Academie“ und Science Fiction Blockbuster wie „Rückkehr der Jedi Ritter“, „Das Imperium schlägt zurück“ oder „Zurück in die Zukunft“.

 Diese Filme und diese Serien waren es denn auch wohl, die Georg Diez das Hirn verklebten. Die ihn die ganze Welt wie eine Seifenoper, beleuchtet von einer riesigen Diskokugel erscheinen ließ und leider heute auch noch läßt. So erscheint denn auch dem älteren Diez die Ukrainekrise wie eine der mit den großen Gefühlen spielende Seifenopern.

 Wie sehr er Fiktion für Realität hält, dass lässt er uns erleiden in seinem neuesten Erguss auf Spiegel-online:
„Europas Politiker und Prominente arbeiten eher an der Abschaffung der Revolution - und damit an der Abschaffung der Realität.“
Wie sieht sie aus, die Realität des Georg Diez?
„Eine Revolution der Bürger, die ein Beispiel hätte sein können für Europa. Sie wollten Freiheit und Würde, in Kiew, Lwiw und anderswo.“
  Die Bilder, die die Wirklichkeit prägten, das waren die Bilder von einem Meer von Fahnen der rechtsradikalen Swoboda, das waren Politprofis auf der grossen Bühne des Maiden, die von fremden Mächten bezahlt und beraten wurden, das waren die vom Wodka Seligen, die sich ein paar Griwna dazuverdienten, indem sie sich in allen Teilen des Landes in Busse zwängen liessen und für ein paar Stunden auf dem Maidan Revolution spielten, das waren die Politiker aus Westeuropa und den USA, die für die Wahlkämpfe in ihren Heimatländern Punkte sammeln wollten, indem sie blödsinnige Reden ins Mikrofon brüllten und das waren die faschistischen Horden, die plündernd und Feuer legend durch Kiew zogen und friedliche Bürger drangsalierten.

Aber wie in den Hollywoodschinken, so entsteht in Diez's Hirn ein ekelhaft süsser, klebriger Brei, der die Realität einfach überkleistert:
 "in so einer Zeit hätte der Maidan auch zum Symbol einer neuen zivilgesellschaftlichen Gründung Europas werden können."
 Kein Wunder dass es den normalen EU-Bürger schaudert. Diez, aber kann das nicht verstehen. Er lebt in der Welt der großen Leinwandhelden, die ganz allein auf sich gestellt, als letzte, einzige Aufrechte, den eigenen Tod nicht scheuend, die Welt vom Bösen befreien und in die befreite Mnschheit in die untergehende Sonne führen, aus der das Wort "Ende" auf die Zuschauer hochgezoomt wird:
"Aber statt von Aufbruch und Hoffnung redete der Rest Europas rasch von Angst und Krieg"
 Aber Diez will sich seinen Traum nicht nehmen lassen: Wenn es nur mit Krieg geht, dann muss es eben Krieg geben.
"...das ändert aber nichts daran, dass der Mut, der auf dem Maidan bewiesen wurde, die Sehnsucht, die in den Straßen Kiews zu spüren war, die Frage nach Gerechtigkeit und dem guten Leben konstituierend sein könnten und sollten für das Europa von heute."
 Es ist allerdings einfach aus dem gut geheizten, mit feinsten Möbeln ausgestatteten Büro eines Spiegelredakteurs den Menschen in der Ostukraine einen Krieg an den Hals zu schreiben, während man selbst seinem kitschigen Traum nachhängt, auch wenn der Pöbel diesen Traum zum Platzen zu bringen versucht:
"All das Gerede vom Krieg in den Köpfen, all das Geraune davon, dass faschistische Horden das Wesen des Maidan ausmachen und nicht die freiheitsliebenden Lehrer, Studenten, Angestellten, Arbeiter, Künstler: All das hat funktioniert. Sie haben getrommelt, als hätten sie selbst dran geglaubt, was sie immer und immer wiederholt haben und was der Kurzschluss der Weltkriegsfurchtnostalgie der Jahreszahlen war: 1914 = 2014 - und in der Kriegspanik ist die Freiheitshoffnung untergegangen."
Tiefe Verzweiflung, ja Depression ergreift Georg Diez. Geradezu poetisch, oder vielleicht doch eher pathetisch, kommt er daher. Wie einer, der in die falsche Zeit geboren ist. In eine Zeit, in der die Menschen, vielleicht zum ersten Mal in ihrer Geschichte in ihrer überwiegenden Mehrheit Frieden wollen, in eine Zeit in der sie von ihren Eliten, den Politikern, den Wirtschaftsführern und den Journalisten verlangen, dass sie diesen Frieden bewahren.

 Was hätte einer wie er werden können wäre er zu einer anderen Zeit geboren? Zu einer Zeit mit echten Kriegen, in denen es schon immer um die Freiheit ging, um die Freiheit des Volkes vor der Knechtschaft des Feindes, so wie zur Zeit aus allen Medien im Heldenepos vom Maiden gesungen wird? Was wäre, wenn es den großen Krieg gäbe, mit richtigen Helden. Helden an deren Festtafeln und Siegesfeiern der Hofnarr von ihren Taten hätte singen können? Er der kleine Georg wäre der größte, der berühmteste unter den Narren. Aber so? Fast schon depressiv gibt er sich der Melancholie, der Tristes hin:
"Das Ergebnis ist eine Ödnis der Herzen."
Aber er lässt uns nicht so einfach aus. Ganz im Stil eines Westernhelden der den Bewohnern einer kleinen, gottverlassenen Stadt im mittleren Westen ihr schlechtes Gewissen um die Ohren schlägt, damit sie den ungleichen Kampf gegen die Übermacht der wilden Rothäute und anderen Schurken, Russen oder Islamisten, aufnimmt stellt er uns die alles entscheidende Frage:
"Was würde denn zum Beispiel in Berlin passieren, wenn der Alexanderplatz besetzt wäre? Wer würde hier in der Früh mit zwei Thermoskannen Kaffee und 36 Donuts vorbeischauen?"
Unsere Antwort würde ihm nicht gefallen:
  "Go home, fucking Victoria Nuland!"

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