Montag, 18. Juni 2018

Warum Steffen Dobbert, "Die Zeit", keine Panini-Sammelbilder mehr kauft

 Man soll ja nicht verallgemeinern, aber es ist doch frappierend wie der Zeitredakteur Steffen Dobbert einmal mehr das Vorurteil, Fußballer seien nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Torte, bestätigt.

Gehen wir einmal zu seinen Gunsten davon aus, dass Dobbert, was er in seinem Artikel:
"Ich boykotiere diese Show"
zur Fußball-WM in Russland auf Zeit-online der verehrten Leserschaft zumutet, auch selbst mit jeder Faser seines Sportlerkörpers glaubt. Schliesslich wissen wir ja, Journalisten der Qualitätsmedien sagen niemals und unter gar keinen Umständen die Unwahrheit. Ist dem also so, sollte Dobbert auf keinen Fall den Sport wechseln, etwa Kopfballer werden, denn der Kopf scheint bei ihm nicht Gleichmut wie die Füsse entwickelt zu sein.

 Schon die Theatralik, mit der Dobbert seine hingebungsvolle Liebe zum Fußballsport beschreibt, läßt erste Zweifel aufkommen, ob der Mann verstanden hat um was es geht:
"Seit 1990 habe ich jede Fußball-WM verfolgt, als Fußballfan, -spieler, -reporter. Drei Kreuzbandoperationen im Knie konnten mir meine Begeisterung für diesen Sport nicht nehmen."
 Hört sich ein wenig so an, als beklage sich ein Kriegsveteran darüber, dass sein Heimatland, für das er gekämpft, seine Gesundheit und seine Gliedmassen gegeben hat, ihm nun die ihm gebührende Anerkennung und die ihm zustehende Versehrtenrente verweigert. Fußball als Kriegsersatz. In weiten Kreisen eine gängige Ansicht, ruft man sich die diversen Schlachten der Hooligans mit oft Toten und Verletzten in Erinnerung.

 Aber Fußball scheint für Dobbert nicht nur Kriegsersatz zu sein, sondern viel, viel mehr. In Anbetracht des Satzes:
"Wenn sich meine Tochter in ihrem E-Jugendteam zwischen anderen Mädchen durchschlängelt und den Ball ins Tor drischt, springe ich in die Luft",
drängt sich einem Bedauern für das arme Töchterlein auf. Wer kennt sie nicht, die erfolgsgeilen Eltern an den Rändern der Fußballfelder Deutschlands, die ihre eigenen Ambitionen auf ihre Nachkommen projiziert haben, bei Erfolgen frenetisch feiern aber bei Fehlern diese hemmungslos kritisieren und beschimpfen.

 Für Dobbert ist das Spiel, bei dem man einen Ball mittels Fuß-, oder im Bedarfsfall mittels Kopfstoß in das, sogenannte Tor befördert kein Spiel, sondern Lebensphilosophie zu sein. Für ihn scheint Fußball, dieses Männerding, nicht nur Kriegsersatz und Erziehungshilfe, nein es ist ihm auch Ausdruck von Kultur - seiner Kultur:
"Für mich ist ein Volleyschuss ins Dreiangel ein künstlerischer Moment, eine saubere Grätsche schöner als ein echter Picasso...",
Allerdings gerät ihm im Überschwang der Gefühle die Sache mit der deutschen Sprache, immerhin auch ein, und nicht gerade unwichtiger Teil unserer Kultur, ein wenig ausser Kontrolle:
" ...und ein Sommer mit einer Fußball-WM ein schönerer."
Man kann das so schreiben, schön ist anders und schönerer schon erst recht.

 Nun aber, so läßt er uns Dobbert via "Die Zeit" wissen, ist dem Mann der Spaß am Fußball vergangen und er droht nicht nur wie in der Überschrift bereits kundgetan mit Boykott der Show, also der Fußballshow, sondern mit einem allumfassenden Totalboykott:
"Weil ich diesen Sport liebe, werde ich diese WM boykottieren, keine WM-Party schmeißen, nicht nach Russland reisen und keinen Cent für WM-Sammelbilder von Panini ausgeben."
 Was, so fragt man sich hat dem Mann so den Boden unter den Füssen weggezogen, hat sein bisheriges Leben sinnlos und den Sommer 2018 nicht "schönerer" werden lassen?

 Es ist der böse Russe. Der böse Putin, der dem Steffen Dobbert schon an frühen Morgen das Aufstehen vergällt, am Abend das Zubettgehen und der ihm während der Nacht den ruhigen Entspannung schenkenden Schlaf raubt.

 Dobbert ist Fußballer. Erkann mit der Vielschichtigkeit und dem Ränkespiel, der Taktik der Politik unter den Völkern nicht viel anfangen. Er träumt von einer Zeit, als noch galt: "Entscheidend is' auf'm Platz", als Feinde noch Feinde waren, denen sich Politiker entgegenstellten, die damals noch echte Männer, echte Kerle waren, so wie es Fußballer sind. Zur Not mit einem Boykott, so wie heute er - "Last man standing Steffen Dobbert":
"Fast auf den Tag genau vor 38 Jahren, am 15. Mai 1980, waren das die wichtigsten Nachrichten in Deutschland. Im Sommer 1980 durfte keine Sportlerin und kein deutscher Athlet aus der BRD bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau an den Start gehen."
Ein Kerl wie der dicke Kohl, der 1989 dem Steffen Dobbert die Freiheit vom Kommunismus brachte, wofür der Steffen Dobbert dem dicken Kohl heute noch zutiefst dankbar ist:
"Helmut Kohl, damals Oppositionsführer und CDU-Vorsitzender, unterstützte den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Boykottentschluss." 
 Da mussten die Sportler, die sich über Jahre gewissenhaft auf diese Spiele vorbereitet hatten, die auf ein Privatleben verzichtet hatten, die Verletzungen und Erkrankungen in Kauf genommen hatten für dieses eine, große Ziel für diese wahrscheinlich einzigartigste Chance in ihrem Leben, den Start bei Olympia, schon zurückstehen, verzichten für das Große-Ganze. Oder anders ausgedrückt für die Hegemonialpolitik des großen Freundes auf der anderen Seite des Atlantiks.

 Denn um nichts anderes als Hegemonialpolitik ging es damals, wie Steffen Dobbert unumwunden zugibt:
"Hauptgrund waren also nicht die antidemokratischen Zustände in der damaligen Sowjetunion. Weder der Schauprozess gegen den späteren Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow noch die Missachtung der Menschenrechte anderer Dissidenten und Helsinki-Aktivisten hatten Schmidt und den US-Präsidenten Jimmy Carter zum Eingriff in die Unabhängigkeit des Sports bewegt. Entscheidend war Russlands Einmarsch in Afghanistan..."
 Die Sowjetunion war im Dezember 1979 in Afghanistan einmarschiert - Ein Land, dass die USA schon fest auf ihrer Seite verbucht hatten. Knapp 10 Jahre dauerte das militärische Abenteuer bis die Sowjets im Februar 1989 das Land, auch Dank kräftiger US-Unterstützung mit Schimpf und Schande wieder verlassen mussten. Auf Anraten des Sicherheitsberaters von US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzeziński, pumpten die USA bis zu 6 Mrd. Dollar in Form von Waffen, bis hin zu den damals hochmodernen und hocheffektiven Flugabwehrraketen Stinger in das kleine Land.

 Mag es dummerhafte Vergesslichkeit oder boshafte Unterschlagung sein, in Dobberts Beitrag liest man kein Wort von der Okkupation Afghanistans durch eine Koalition des Westens, angeführt durch die USA im Herbst 2001. Diese Okkupation währt nun schon annähernd 17 Jahre. 7 Jahre länger als die ehemals sowjetischen Eindringlinge überziehen die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere Nationen dieses kleine Land mit Krieg, Tod und Verderben.

 In dieser Zeit gab es vier Fußballweltmeisterschaften unter anderem 2006 in Deutschland, einem der Aggressoren in Afghanistan. Hat Dobbert, was ja nur konsequent wäre, etwa die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland boykottiert? Hat er sich kein Spiel angesehen, war er nicht einmal zum Rudelgucken, hat er keine "Weltmeisterparty" geschmissen, keine "WM-Sammelbilder von Panini" gekauft?

 Oder hat er die Olympischen Sommerspiele 2012 in London boykottiert, weil doch ein Krieg so von Übel ist? Dobbert sagt es klar und deutlich:
"Ein Land, das Angriffskriege führt, darf nicht Gastgeber von Großereignissen wie Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften sein."
 Achja ich vergass - während die Sowjetunion aus reiner Machtgier in Afghanistan wütete, verteidigen die Truppen des Westens ja nur unser aller Freiheit am Hindukusch. Wenn also wieder einmal eine US-amerikanische Drohne, oder Raketen, abgefeuert von einem US-Kampfjet auf Befehl eines deutschen Offiziers 90 afghanische Bauern, Frauen und Kinder in ihre Atome zerlegt, dann sollten diese ungebildeten Tölpel nicht jammern, sondern sie sollten sich bewußt sein, dass sie ihr Laben für einen, für sie wahrscheinlich nicht einsehbaren, höheren Zweck gegeben haben: Für die Freiheit eines Steffen Dobbert und seiner Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin jede Unwahrheit, Lüge, Manipulation oder Propaganda mittels Zeit-online oder dergleichen in eine völlig wehrlose Welt hinauszuposaunen. Sie sollten sich bewußt sein, dass sie gestorben sind für die Freiheit des Steffen Dobbert, einen solchen Stuss zu verzapfen wie in diesem Beitrag auf Zeit-online.

 Zum Gedenken der Opfer des von Deutschland zu verantwortenden Bombenangriffs (zwei 500-Kilo-Bomben) auf zwei in der Furt Hadschi Ghafour durch den Kunduz-Fluß, in der Region Chardara, steckengebliebene Tanklastwagen am 4. September 2009 und um ihnen eine Identität zu geben, hier die Liste der Opfer, die dem Buch "Kunduz, 4. September 2009 - Eine Spurensuche" von Marcel Mettelsiefen und Christoph Reuter entnommen sind, erschienen bei Rogner & Bernhard GmbH & Co Verlags KG in Berlin, die im Dezember 2015 leider Konkurs anmelden musste und 2016 vom Zürcher Verlag Klein und Aber übernommen wurde.

Die Autoren schreiben erklärend dazu:
"Die Schreibweise richtet sich in ihrer Transkription danach, wie der Name auf Deutsch ausgesprochen wird. Die Altersangaben sind in vielen Fällen nicht korrekt, da die meisten Menschen in Afghanistan ihr Geburtsdatum nicht kennen und in ihren Ausweispapieren häufig nicht das korrekte Alter angegeben wird. Da es kein klar differenziertes System bezüglich der Familiennamen gibt, wird der Name des Vaters mitgenannt."

Liste der Toten von Chardara 

Aus dem Dorf Yacub Bayi: 

Said Mohammed, 32, Sohn von Hadschi Dschalat, Bauer
 Dschuma Gul, 22, Sohn von Hadschi Dschalat, Bauer
Assadullah, 18, Sohn von Hadschi Dschalat, Schüler
Amanullah, 20, Sohn von Mohammed Fairuz, Bauer
Qadratullah, ca. 23, Sohn von Abdul Daian, Fahrer
Rahmatullah, 15, Sohn von Abdul Daian, Schüler
Khodaidad, ca. 30, Sohn von Hadschi Wahab, Bauer
Hafizullah, 20, Sohn von Hadschi Wahab, Bauer
Alef Din, 35, Sohn von Hadschi Guldin, Bauer
Wazir Gul, ca. 27, Sohn von Hadschi Guldin, Fahrer
Abdul Baschir, 17, Sohn von Hadschi Guldin, Bauer
Zikrullah, 15, Sohn von Alef Din, Schüler
Gul Alam, 15, Sohn von Mir Afghan, Schüler
Abdul Salam, ca. 14, Sohn von Abdul Wudud, Schüler
Mohammed Ali, ca. 40, Sohn von Nur Mohammed, Fahrer
Ibrahim, ca. 25, Sohn von Nur Mohammed, Bauer
Rahmatullah, 15, Sohn von Mohammed Ali, Schüler
Jan Mohammed, 30, Sohn von Hadschi Dschuma Khan, Bauer
Nurullah, 15, Sohn von Hadschi Dschuma Khan, Schüler
Ayaz, ca. 11, Sohn von Mohammed Wali, Schüler
Mohammed Wali, 40, Sohn von Tor Bay, Bauer
Aref Khan, 15, Sohn von Nadir Khan, Schüler
Mohammed Daud, ca. 23, Sohn von lbrahim, Bauer
Alef Din, 20, Sohn von Akhtar Mohammed, Bauer
Nadir Khan, ca. 40, Sohn von Akhtar Mohammed, Bauer
Guldin, 35, Sohn von Mullah Scharafudin, Bauer
Mohammed Din, ca. 40, Sohn von Hadschi Abdullah Jan, Bauer
Amanullah, 30, Sohn von Abdul Salam, Fahrer
Mullah Qadam Schah, 50, Sohn von Sher Ahmed Khan, Bauer
Gul Dost, ca. 40, Sohn von Hadschi Adschab Khan, Bauer
Dost Mohammed, ca. 20, Sohn von Gul Dost, Bauer
Mohammed Pahlawan Hassan, 55, Sohn von Qurban Ali Schah,
Ghafar Fazil, 25, Sohn von Mohammed Pahlawan Hassan, Bauer
Abdul Latif, 26, Sohn von Nadir, Bauer

Aus dem Dorf Omar Khel (das aus verschiedenen, zum Teil weit auseinanderliegenden Unterdörfern besteht): 

Sanaullah, ca. 11, Sohn von Abdul Hanan, Schüler
Abdul Daian, 13, Sohn von Abdul Hanan, Schüler
Mohammed Agul, 12, Sohn von Gulruz, Schüler
Ahmed Gul, 13, Sohn von Gulruz, Schüler
Nadschmudin, ca. 30, Sohn von Gulab, Bauer
Qadratullah, 37, Sohn von Amanullah, Ladenbesitzer
Said Rasul, 24, Sohn von Hadschi Sahar Gul, Maurer
Abdulghuiur, 23, Sohn von Hadschi Sahar Gul, Maurer
Abdul Rahim, 25, Sohn von Hadschi Abdul Basir, Bauer
Mohammed Ibrahim, 22, Sohn von Hadschi Abdul Basir, Bauer
Samiullah, 20, Sohn von Hadschi Abdul Basir, Schüler
Zikrullah, ca. 17, Sohn von Abdul Daian, Schüler
Abdul Qadir, 35, Sohn von Hadschi Rauf, Traktorfahrer
Maulana Nur, ca. 16, Sohn von Hadschi Rauf, Schüler
Sidiqullah, ca. 30, Sohn von Gul Mohammed, Straßenbauarbeiter
Aref Khan, ca. 13, Sohn von Rahman, Schüler
Abdul Hamid, 34, Sohn von Hadschi Abdullah Jan, Bauer
Mumin, ca. 30, Sohn von Aziz Khan, Bauer
Ahmed Nur, ca. 13, Sohn von Hadschi Lailudin, Schüler
Guldin, 35, Sohn von Hadschi Musa Khan, Bauer
Hukmudin, 30, Sohn von Hadschi Musa Khan, Bauer
Qari Allah Nur, 28, Sohn von Hadschi Musa Khan, Bauer
Abdul Khaliq, 21, Sohn von Gulbudin Arsala, Bauer
Mohammed Adschmal, 15, Sohn von Hadschi Abdul Hanan, Schüler
Abdul Wahid, 23, Sohn von Gulbudin, Arbeiter
Samad Khan, 48, Sohn von Mohammed Amand, Bauer

Aus dem Dorf lssa Khel: 

Abdul Qayum, 23, Sohn von Hadschi Miro Gul, Bauer
Ahmed Din, 18, Sohn von Said Alam, Ladenbesitzer
Ali Mohammed, ca. 30, Sohn von Jan Mohammed, Bauer
Abdul Baschir, 35, Sohn von Ghamai, Bauer
Abdul Rahim, 23, Sohn von Mohammed Ghulam Bayi, Schüler/Bauer
Azizullah, ca. 24, Sohn v011 s"aid Ahmed Din, Bauer
Amir Gul, 28, Sohn von Karim Gul, Bauer
Said Rahim, ca. 25, Sohn von Samander, Bauer
Nur Alam, ca. 25, Sohn von Salamat Khan, Bauer
Abdul Wahab, 30, Sohn von Nur Khan, Bauer

Aus dem Dorf Gul Bagh: 

Dschuma Khan, 39, Sohn von Hadschi Salu, Bauer
Adschab Khan, 34, Sohn von Hadschi Salu, Bauer
Schawali, 35, Sohn von Akhtar Mohammed, Bauer
Mohammed Akram, 36, Sohn von Hadschi Adam Khan, Bauer

Aus dem Dorf Hadschi Amanullah: 

Assadullah, 23, Sohn von Wali Mohammed, arbeitete in einem Hotel in Kunduz
Masdschidi, ca. 17, Sohn von Mir Rahman, Bauer
Schamsulrahman, ca. 15, Sohn von Mir Rahman, Schäfer
Mohammed Daud, 35, Sohn von Hadschi Sahar Gul, Taxifahrer
Rahmat Schah, 13, Sohn von Mohammed Daud, Lehrling in Kunduz
Faiz Mohammed, ca. 23, Sohn von Jan Mohammed.varbeitete in Kunduz
Din Mohammed, ca. 42, Sohn von Dschuma Khan, Bauer
Abdul Rahim, ca. 21, Sohn von Mir Akbar, Schüler
Ihsanullah, ca. 13, Sohn von Said Mohammed, Schüler
Guladin, 13, Sohn von Dschamaludin, Schüler
Hafizullah, ca. 25, Sohn von Hadschi Nur Ahmed, Bauer
Nasratullah, ca. 22, Sohn von Mohammedullah, Bauer
Dschamaludin, 27, Sohn von Naimudin, Bauer
Nur Ali, 44, Sohn von Nur Mohammed, Bauarbeiter
Fazil, ca. 17, Sohn von Abdul Rahman, Schüler
Musa, 32, Sohn von Nadschibullah, Bauer


 Kommen wir zurück zum Fußballer Dobbert und zu einem Leiden, dass scheinbar zum Fußball dazugehört wie die Pfeife zum Schiedsrichter. Spieler und vor allem Zuschauer leiden unter einer stark eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit und einem einseitigem Urteilsvermögen.

 Spielt z. B. ein Spieler der gegnerischen Mannschaft im eigenen Strafraum sauber den Ball, der Spieler der eigenen Mannschaft fällt aber hin und windet sich unter scheinbar unmenschlichen Schmerzen am Boden, so ist klar, hier ist ein Strafstoß und mindestens die gelbe Karte fällig.

 Haut aber ein Spieler der eigenen Mannschaft ohne Rücksicht auf die Gesundheit seines Gegenspielers diesem brutal die Beine weg, worauf der andere mit gebrochenem Schien- und Wadenbein am Boden liegt, so ist dieser einfach ein begnadeter Schauspieler, der Publikum und Schiedsrichter, um des eigenen Vorteils willen, täuschen will. Böse Zungen könnten behaupten, Täuschung und Betrug ist Fußballimmanent.

 Leider, so scheint's, wirkt sich diese eingeschränkte Wahrnehmung auch auf Dobberts berufliche Tätigkeit aus. Wie anders sollen einem solche Sätze erklärlich werden:
"Krieg, also ein organisierter, mit verschiedensten Waffen ausgetragener Konflikt, gehört gegenwärtig wie selbstverständlich zur russischen Außenpolitik."
Was soll der halbwegs informierte Leser/Leserin mit einer solchen Aussage anfangen? Schon das Dobbert sich veranlaßt fühlt, den Begriff "Krieg" zu erklären, zeigt, welch geringen intellektuellen Anspruch er an seine Leserschaft stellt. Auf grenzenlose Dummheit und Arroganz der Leserschaft ist das Blatt, das dereinst einmal die Lektüre von eher linksliberal eingestellten Menschen war, aber angewiesen, wenn es Autoren wie Dobbert zu Wort kommen lässt. Der verdreht und manipuliert Geschichte als bekomme er dafür Geld von der CIA:
"Nach der bewaffneten Auseinandersetzung um Transnistrien und im Anschluss an den ersten Tschetschenien-Krieg griff das russische Militär allein in den vergangenen zehn Jahren in vier Kriege ein oder löste sie aus: Der Kreml führte Russland in den zweiten Tschetschenien-Krieg (1999 bis 2009) und in den Georgien-Krieg (2008). Bis zum heutigen Tag lässt Wladimir Putin auf den syrischen Schlachtfeldern Söldner kämpfen und Städte bombardieren (seit 2015). Auch in der Ukraine, wo Russland 2014 einen Krieg entfachte, der ebenfalls bis heute anhält, beschießen immer noch Woche für Woche russische Raketenwerfer ukrainische Dörfer und töten Menschen. Allein dieser Krieg mitten in Europa hat bisher mehr als 10.000 Bürgern das Leben genommen."
 Es ist müssig sich wieder und wieder mit diesen dreisten Behauptungen, die jeder geschichtlichen Grundlage entbehren ernsthaft auseinanderzusetzen. Dobbert macht Propaganda und sonst nichts. Darum vermeidet er auch peinlichst, irgendwelche Belege für seine Behauptungen vorzubringen. Es ist das alte Spiel, je öfter etwas behauptet wird um so wahrscheinlicher wird es, dass die Menschen es am Schluss auch glauben.

Was Dobbert wirklich will, verrät er ein paar Zeilen weiter unten:
"…die Geschichte lehrt, dass der Boykott eines Sportspektakels zwar kurzfristig wenig ändert. Langfristig könnte so ein symbolischer Akt aber zu einer Veränderung führen."
Dobbert ist es völlig egal, wo welcher Krieg geführt wird, wo Menschen sterben oder verletzt werden. Alle diese Opfer sind einzig Mittel zum Zweck:
"Olympia 1980 wurde zu einem Meilenstein des Kalten Krieges, der auch wegen des Boykotts einige Jahre danach beendet werden konnte."
Er will einen Regimechange in Russland. Er will an die russischen Rohstoffe, an Öl, Gas, Nickel, an die rieseigen landwrtschaftlichen Flächen und er will Zustände wie in der Zeit des Raubtierkapitalismus unter Jelzin. Dafür ist ihm und seinen Freunden jedes Mittel recht. Da müssen dann sogar die Hinterbliebenen der Opfer der MH 17 Katastrophe herhalten. Dobbert zitiert aus einem Brief von Hinterbliebenen:
"Nein, für das, was geschehen ist, beschuldigen wir nicht die russische Bevölkerung. Wir sind nicht gegen euch. Es ist der russische Staat und seine Anführer, die letztlich für den Tod unserer Familienmitglieder verantwortlich sind. (...)Einige von uns sind leidenschaftliche Fußballliebhaber, andere nicht. Aber niemand von uns wird in der Lage sein, an dieser Weltmeisterschaft so mitzumachen, wie wir es zuvor getan haben." 
Dazu schreibt er:
"Diese Zeilen sind ein Auszug eines Briefes, den die Hinterbliebenen der 298 Todesopfer geschrieben haben, die beim Flug MH17 ihr Leben verloren."
Er suggeriert nicht nur, nein, er behauptet, die Hinterbliebenen aller 298 Opfer seien die Autoren. In der Tat haben aber nur zehn Personen, drei Australische Staatsbürger, 3 Niederländische Staatsbürger und 4 Britische Staatsbürger, diesen Brief unterzeichnet. Veröffentlicht wurde er zuerst in der Novaya Gazetta am 22. Mai. Allerdings, so scheint es, ist das Manuskript, zumindest, redaktionell bearbeitet worden. Benennnt die Novaya Gazeta doch Pavel Kanygin als Sonderkorrespondenten im Bereich Politik als Autor. Auch drückt die Zeitschrift massiv auf die Tränendrüsen, indem sie Bilder von Opfern veröffentlicht, natürlich nur von jungen, hübschen Menschen, die ihr Leben noch vor sich gehabt hätten. Bilder von Roger Guard, 67und Jill Guard, 62, Glenn R. Thomas, 49 und Stephen Anderson, 44, deren Angehörige doch zu den Unterzeichnern des Briefes gehören sucht man vergeblich.

 Natürlich gebührt Menschen, die ein solch schweres Schicksal erlitten haben, wie nahe Angehörige durch ein Unglück von jetzt auf gleich zu verlieren, unser aller Mitgefühl und unser Respekt. Aber gerade weil ihnen unser Respekt gebührt, ist es unverantwortlich und geradezu schändlich, ihre Gefühle auszunutzen, um damit Propaganda zu machen. Noch dazu gegen eine vergleichsweise Nichtigkeit wie die Austragung der Fußballweltmeisterschaft in Russland.

 Es dürfte Dobbert wohl selbst gedämmert haben, dass ein Brief von 10 Angehörigen von neun Opfern der Katastrophe bei einer Gesamtopferzahl von 298 nicht gerade überzeugend ist. Darum macht er aus zehn Unterzeichnern fix "die Hinterbliebenen der 298 Todesopfer", also die Gesamtheit der Hinterbliebenen. Er lügt dreist im Angesicht von so viel Leid und Schmerz.

 Wie egal dem Fußballreporter Dobbert die Menschen, sowohl die 298 Opfer, wie auch deren Angehörige wirklich sind, verrät sein nächster Satz:
"Es sind EU-Bürger, die bis zum Juli 2014 nichts mit dem russisch-ukrainischen Krieg zu tun hatten. Dann starben plötzlich ihre Töchter, Söhne, Ehemänner und Freunde durch einen russischen Raketenwerfer in der Ukraine."
 Diese Menschen sind Dobbert dermassen gleichgültig, dass er nicht einmal ihre Herkunft sauber recherchiert hat. Egal worauf sich sein Satz auch bezieht, auf die Gesamtzahl der Opfer, oder auf die  Angehörigen der Neun Opfer, die in dem Brief namentlich genannt werden, ist man es diesen Menschen nicht zuallererst einmal schuldig, dass man ihnen soviel Ehrerbietung entgegenbringt, dass man ihre Identität richtig wiedergibt?

 Zumindest die drei Australier unter den Briefschreibern sind schon mal keine EU-Bürger wie Dobbert behauptet. Unter den Opfern von Flug MH 17 befanden sich immerhin 87 Nicht-EU-Bürger, 43 aus Malaysia, 27 aus Australien, 12 aus Indonesien, 3 von den Philippinen, 1 aus Kanada und 1 aus Neuseeland. Zwei der Opfer hatten neben einer EU-Staatsbürgerschaft auch die von Südafrika und den Vereinigten Staaten.

 Dobbert ist ein böser Journalist, ohne Mitgefühl, ohne Empatuie für die Menschen über die er schreibt. Ihm ist nur eines wichtig, seine Mission, seine politische Meinung den Leserinnen und Lesern unterzujubeln. Dabei spielen Genauigkeit und Sorgfalt bei der Recherche und Wahrheit und Aufrichtigkeit beim schreiben eine untergeordnete bis gar keine Rolle.

 Sollte man die Arbeit Dobberts mit einem Wort beschreiben, so träfe das Adjektiv "schlampig" wohl am besten zu. Fakten interessieren ihn, wenn überhaupt, nur am Rande.
"Ein politischer Boykott, wie ihn 60 Abgeordnete des EU-Parlaments und die Regierung von Großbritannien anstreben, wäre deshalb angebracht",
schreibt er und verlinkt auf einen Brief im Internet mit offiziellem Logo des Europäischen Parlaments. Zählt man die Unterzeichner durch so endet das bei der Zahl 58. Dobbert hat offensichtlich, wieder einmal, bei den Kollegen abgeschrieben, denn die Zahl "sechzig" geistert unisono durch den deutschen Blätterwald.

 Ob aber nun 58 oder 60 Unterzeichner, das Dokument ist eher ein beredtes Zeichen dafür, wie unpopulär solche Boykottaufrufe unter den Politikern Europas sind. Mitglieder im Europäischen Parlament sind 751 Politikerinnen und Politiker. Unabhängig von der genauen Zahl (58 oder 60) der Unterzeichner, erreichen diese nicht einmal 8 Prozent aller EU-Abgeordneten.

 Getragen wird der Aufruf dann auch nur von Abgeordneten aus zwei Fraktionen - der EVP mit 31 Unterzeichnern und den Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne/EFA) mit 19 Unterzeichnern. Hinzu kommen noch 6 Abgeordnete der Sozialdemokraten (S&D) und Petras Auštrevičius aus Litauen von den Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (Alde) und Anna Fotyga aus Polen von der nationalkonservativen, EU-kritischen und rechtspopulistischen Fraktion Europäische Konservative und Reformer (ECR). Die 5 Vertreter der Fraktion aus Deutschland wurden für die AfD gewählt.

 Wie die Initiatorin des Boykottaufrufes, Rebecca Harms, gehören alle 4 deutschen Unterzeichner zu den Grünen. Allerdings auch in ihrer eigenen Fraktion, 52 Mitglieder (19 Unterzeichner), wie auch bei den Abgeordneten ihrer eigenen Partei, 11 Abgeordnete (4 Unterzeichner), befindet sich Harms mit ihrer Aktion in der absoluten Minderheit. 

Sieht man sich die Liste im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit der Unterzeichner an, so fällt zunächst einmal auf, das diese nur aus 16 der 28 EU-Staaten kommen. Aus 6 Staaten (Belgien - im Parlament mit insgesamt 21 Abgeordneten vertreten; Finnland - 13; Irland - 11; Luxemburg - 6; Rumänien - 32; und Ungarn - 21) kommt jeweils nur eine Unterschrift und aus drei weiteren Ländern (Estland - 6; Lettland - 8; Niederlande - 26 Abgeordnete) nur zwei Unterschriften. Es dürfte sich hierbei um Einzelmeinungen handeln, die in keinster Weise die Meinung der Bevölkerung ihrer Länder widerspiegelt.

Die Liste der Unterzeichner:

  1. Adaktusson, Lars (EVP, Schweden)
  2. Auštrevičius, Petras (ALDE, Litauen)
  3. Boni, Michal (EVP, Polen)
  4. Bové, José (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  5. Buzek, Jerzy (EVP, Polen)
  6. Childers, Nessa (S&D, Irland)
  7. Delli, Karima (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  8. Durand, Pascal (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  9. Eickhout, Bas (GRÜNE/EFA, Niederlande)
  10. Fjellner, Christofer (EVP, Schweden)
  11. Fotyga, Anna (ECR, Polen)
  12. Gabelic, Aleksander (S&D, Schweden)
  13. Giegold, Sven (GRÜNE/EFA, Deutschland)
  14. Griffin, Theresa (S&D, UK)
  15. Guteland, Jytte (S&D, Schweden)
  16. Harms, Rebecca (Initiator of this call, GRÜNE/EFA, Deutschland) 
  17. Hetman, Krzysztof (EVP, Polen)
  18. Heubuch, Maria (GRÜNE/EFA, Deutschland)
  19. Hökmark, Gunnar (EVP, Schweden)
  20. Jadot, Yannick (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  21. Jávor, Benedek (GRÜNE/EFA, Ungarn)
  22. Jazłowiecka, Danuta (EVP, Polen)
  23. Joly, Eva (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  24. Kalinowski, Jarosław (EVP, Polen)
  25. Kelam, Tunne (EVP, Estland)
  26. Kozłowska-Rajewicz, Agnieszka (EVP, Polen)
  27. Kudrycka, Barbara (EVP, Polen)
  28. Lambert, Jean (GRÜNE/EFA, UK)
  29. Lewandowski, Janusz (EVP, Polen)
  30. Łukacijewska, Elżbieta (EVP, Polen)
  31. Macovei, Monica (EVP, Rumänien)
  32. Moody, Clare (S&D, UK)
  33. Olbrycht, Jan (EVP, Polen)
  34. Pabriks, Artis (EVP, Latvia)
  35. Pietikäinen, Sirpa (EVP, Finland)
  36. Pitera, Julia (EVP, Polen)
  37. Plura, Marek (EVP, Polen)
  38. Rivasi, Michèle (GRÜNE/EFA, Frankreich)
  39. Ropé, Bronis (GRÜNE/EFA, Litauen)
  40. Rosati, Dariusz (EVP, Polen)
  41. Sargentini, Judith (GRÜNE/EFA, Niederlande)
  42. Siekierski, Czesław (EVP, Polen)
  43. Smith, Alyn (GRÜNE/EFA, UK)
  44. Šojodrová, Michaela (EVP, Tschechische Republik)
  45. Staes, Bart (GRÜNE/EFA, Belgien)
  46. Štětina, Jaromír (EVP, Tschechische Republik)
  47. Szejnfeld, Adam (EVP, Polen)
  48. Tarand, Indrek (GRÜNE/EFA, Estland)
  49. Telička, Pavel (EVP, Tschechische Republik)
  50. Thun und Hohenstein, Róża Gräfin von (EVP, Polen)
  51. Trüpel, Helga (GRÜNE/EFA, Deutschland)
  52. Turmes, Claude (GRÜNE/EFA, Luxembourg)
  53. Vaidere, Inese (EVP, Lettland)
  54. Wałesa, Jarosław (EVP, Polen)
  55. Ward, Julie (S&D, UK)
  56. Wenta, Bogdan (EVP, Polen)
  57. Zdrojewski, Bogdan (EVP, Polen)
  58. Zwiefka, Tadeusz (EVP, Polen)
 So ist das mit der Propaganda: Da wird ein politischer Flop ohne jede Bedeutung, in Bayern würde man dabei nicht ganz zu Unrecht von einer Watsch'n für die russophobe Eifererin Harms, in ein Medienereignis von enormer Tragweite, durch den ebenfalls russophoben Eiferer Steffen Dobbert, umgedeutet.

 So zieht Dobbert auch Schlüsse, die absoluter geschichtlicher Humbug sind:
"Während im Sommer 1980 in Afghanistan Bomben auf die Bevölkerung fielen, fanden die Olympischen Spiele in Moskau ohne große Sportnationen und deren Regierungsvertreter aus Europa und Amerika statt. Das Sowjetregime geriet dadurch weiter in eine Legitimitätskrise. Olympia 1980 wurde zu einem Meilenstein des Kalten Krieges, der auch wegen des Boykotts einige Jahre danach beendet werden konnte."
Wer hat schon einmal größeren Blödsinn gehört: Der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, ein Ergebnis der Blockade der Olympischen Spiele 1980 in Moskau. Rebecca Harms und Steffen Dobbert ringen die gesamte russische Führung, einschliesslich des gerade mit über 70 % wiedergewählten Präsidenten Putin nieder. Mir scheint's Dobbert hat den Ball einmal zu viel mit dem Kopf anstatt mit dem Fuß angenommen.

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