Dienstag, 3. Juli 2018

Der Fall Chris Froome: Allein die WADA bestimmt was Doping ist.

 Die Nachricht war eigentlich gar keine richtige Nachricht. Wer interessierte sich zu Zeiten der Fußballweltmeisterschaft in Russland schon für den Radsport, die am Samstag beginnende Tour de France,  deren Dauersieger, Chris Froom und dabei wiederum um die Dopingvorwürfe gegen den Briten. Während sich hierzulande die Medien den Mund zerreissen über angeblich übermenschliche Laufleistungen russischer Balltreter und dabei ganz unverhohlen über durch nichts begründete Dopinganschuldigungen fabuliert, wird der Fall Froom, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, unter den Teppich gekehrt.

 Eine mehr als denkwürdige Rolle spielt in diesem Fall öffentlicher Ahnungslosigkeit die Antidopingagentur WADA, deren Präsident Craig Reedle, ebenfalls britischer Staatsbürger, ist.

 Froom nahm schon seit längerer Zeit mit einer Ausnahmeregelung, einer "Therapeutic Use Exemptions" (TUE), die eine Verwendung eigentlich verbotener Substanzen aus therapeutischen Zwecken erlaubt, an Radsportwettkämpfen teil. Froom "leidet" wie viele andere Spitzensportler an Asthma. Eine Krankheit, die die Verabreichung des Mittels Salbutamol mit einer solchen TUE der WADA ermöglicht.

Am 15. September 2016 veröffentlichte das Hockerportal "Fancy Bear" einige "Certificate of Approval for therapeutic Use" auf deutsch "Zulassungsbescheinigung für die therapeutische Verwendung" der "Union Cycliste Internationale" (UCI) für den Entzündungshemmer "Prednisolon" für den Sportkamerad Froome.




 Prednisolon wird seit 1957 von der deutschen Pharmafirma Merck unter dem Namen „Solu-Decortin H“ vertrieben. Zu den Anwedungsgebieten des Mittels zählt unter anderem die Medikation bei Asthma Stufe 4, schweres Asthma, und Stufe 5 sehr schweres Asthma. Bei Stufe vier ist die Atemfunktion um mehr als 40% eingeschränkt, eine Schwerstbehinderung. Zu den Nebenwirkungen des Medikaments zählen Osteoporose, Diabetes und dem Cushing Syndrom, einer Änderung der Körperformen, wie Vollmondgesicht, eine allgemeine Gewichtszunahme, Stiernacken, erhöhter Blutdruck, Herzschwäche, Bildung von Ödemen und Nierensteinen. Die älteste Ausnahmegenehmigung datiert auf das Jahr 2013.

 Am 7. September 2017 während der Spanienrundfahrt "Vuelta" hatte eine Urinprobe bei Froome eine Salbutamolkonzentration von 1.920 Nanogramm pro Milliliter Urin ergeben. Erlaubt ist etwas mehr als die Hälfte dieses Wertes 1.000 Nanogramm pro Milliliter Urin. Salbutamol gehört zu den Beta-2-Sympathomimetika, die das Bronchialsystem erweitern. Salbutamol hat gegenüber Prednisolon den großen Vorteil, dass es bis zur Höchstgrenze von 1.000 Nanogramm pro Milliliter Urin nicht genehmigt werden muss.

 An jenem denkwürdigen 7. September 2017 feierte Froome einen grandiosen Sieg auf dem Schlussanstieg der 18. Etappe der Spanienrundfahrt, der Vuelta, dem Alto de Santo Toribio de Liébana. Einen Tag zuvor hatte Froome noch stark geschwächelt. Auf dem Zielanstieg zum Alto de los Machucos verlor er 1:46 Minuten auf den späteren Sieger, den Österreicher Stefan Denifl und auf seine schärfsten Konkurenten Vinzenzo Nibali 1:04 Minuten und Alberto Contador 1:18 Minuten.

 Seit dem 7. September 2017 zögerte sich das Verfahren der UCI hin. Die positive Dopingprobe wurde sogar über Monate geheim gehalten. Froome durfte weiterhin Rennen fahren. So wurde er bei der Weltmeisterschaft in Norwegen dritter im Zeitfahren gewann die Italienrundfahrt, den Giro, nachdem er auf der drittletzten Etappe in einer 80 Kilometer langen Alleinfahrt den bis dahin führenden Simon Yates aus dem rosa Trikot des Gesamtführenden gefahren hatte. Er nahm an Klassikern wie der Ruta del Sol, Tirreno-Adriatico und der Alpen-Tour teil.

 Während also Froome fröhlich und unbehelligt von der WADA und der UCI weiterhin alles in Grund und Boden fuhr, was sich ihm in den Weg stellte, waren seine Anwälte damit beschäftigt den beiden Organisationen das harte Leben eines Schwerstbehinderten,
"ich leide seit meiner Kindheit an Asthma",
 zu erklären. Einem Schwerstbehinderten, dessen größter Wunsch es ist, im Spitzenradsport eine dominierende Rolle zu spielen. Das war Froome, so wird berichtet, wohl mehrere Millionen Euro an Anwaltskosten wert.

 Erst als der Veranstalter der Tour de France, "ASO", vor ein paar Tagen Froome von der Tour ausschloß, setzte die UCI überraschend kurzfristig eine Verhandlung des Falles an. 24 Stunden nach dem Tourausschluss kam nun der Freispruch ohne wenn und aber. Die WADA stimmte zu und Froome kann starten:
"Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gibt bekannt, dass sie gegen die Entscheidung der Union Cycliste International (UCI) keine Anti-Doping-Regelverletzung (ADRV) im Fall des Briten Christopher Froome geltend machen wird."
 Die Begründungen der WADA für dieses Urteil sind allerdings atemberaubend:
"Basierend auf einer Reihe von Faktoren, die für den Fall von Herrn Froome spezifisch sind - einschließlich insbesondere einer signifikanten Zunahme der Dosis, in einem kurzen Zeitraum vor der Dopingkontrolle, in Verbindung mit einer dokumentierten Krankheit; sowie die nachgewiesene Schwankung der Salbutamol-Ausscheidung, die im Patienten liegen - kam die WADA zu dem Schluss, dass das Probenergebnis nicht unvereinbar ist, mit der Aufnahme von inhaliertem Salbutamol innerhalb der zulässigen Höchstdosis."
Umständlicher als mit einer doppelten Verneinung "nicht unvereinbar" kann man sich wohl nicht ausdrücken und ist sicher dem Wunsch nach Verschleierung geschuldet. Nachdem die WADA nun referiert für den Fall,
"dass Athleten in seltenen Fällen die Konzentrationsgrenze (von 1200 ng Salbutamol pro ml Urin) überschreiten können, ohne die maximale inhalierte Dosis zu überschreiten",
erlaube die Verbotsliste es betroffenen Athleten,
"in der Regel durch eine kontrollierte Pharmakokinetikstudie (CPKS) (...) nachzuweisen, dass die relevante Konzentration mit einer zulässigen inhalierten Dosis vereinbar ist."
Frome scheint ein solcher Nachweis nicht gelungen zu sein, denn für ihn macht die WADA noch einmal eine Ausnahme von der Ausnahme.
"Im Fall von Herrn Froome akzeptiert die WADA, dass eine CPKS nicht praktikabel gewesen wäre, da es nicht möglich gewesen wäre, die einzigartigen Umstände vor der Dopingkontrolle vom 7. September angemessen wiederherzustellen (z.B. Krankheit, Medikamentengebrauch, chronische Verwendung von Salbutamol in unterschiedlichen Dosen im Verlauf von Wochen des intensiven Wettbewerbs)."
 Die WADA schließt:
"Nach sorgfältiger Prüfung der Erläuterungen von Herrn Froome und unter Berücksichtigung der einzigartigen Umstände seines Falles akzeptiert die WADA, dass:
  • das Probenergebnis steht nicht im Widerspruch zu einer Einnahme von Salbutamol innerhalb der zulässigen maximalen inhalierten Dosis;
  • eine angemessene CPKS ist nicht praktikabel; und
  • Die Stichprobe kann als keine AAF (Adverse Analytical Findings) betrachtet werden.
Die WADA hält dies für das richtige und faire Ergebnis für einen sehr komplexen Fall."
  Die WADA liefert nicht ein einziges Faktum, dass zu ihrer Entscheidung geführt hat. Die Vorschriften werden einfach ausgehebelt "akzeptiert die WADA, dass eine CPKS nicht praktikabel gewesen wäre", und nach den "Erläuterungen von Herrn Froome", wird die belastete Probe einfach weggeredet:
"Die Stichprobe kann als keine AAF betrachtet werden."
Die Russen sind schon um einiges hinter der Zeit. Glaubt man den diversen Anschuldigungen, so haben sie während der Winterolympiade in Sotschi die belasteten Proben durch Löcher in der Wand ausgetauscht. Die WADA ist den Russen da um Welten voraus: Hier muß nicht gebohrt, gesägt und gefeilt werden, hier muss man nicht heimlich still und leise die Fläschen mit Pipi drin aufschrauben, den Inhalt weggiessen und mit anderem unbelastetem Pipi wieder befüllen. Belastete Proben werden von ihr einfach anders betrachtet, nämlich als unbelastet und schon ist alles wieder gut.

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