Dienstag, 7. August 2018

Rentenreform in Russland - Ein Trost für deutsche Pfandflaschensammler

Der russophobe Mainstream feierte vor gut einer Woche eine Messe. Endlich, endlich schien das Ende nah.
"Putins Umfragewerte brechen ein",
jubelte Spiegel online und ließ sich auch rein optisch nicht lumpen. Ein Archivbild, scheinbar während irgendeinem internationalen Treffen aufgenommen, musste her, um der hochverehrten und ebenso hochverulkten Leserschaft einen zerknirschten, am Boden zerstörten Putin vorzugaukeln.

Screenshot Der Spiegel

Die FAZ assistierte:
"Großdemonstration in Russland gegen Rentenreform".
n-tv wollte es unter einem Rücktritt des Ministerpräsidenten nicht machen:
"Rücktritt Medwedews gefordert - Zehntausende protestieren in Russland"
Der MDR hielt sich zunächst mit Zahlen zurück:
"Umstrittene Rentenreform - Proteste gegen Anhebung des Rentenalters in Russland",
was wohl auch der allgemeinen Konfusion in der Redaktion geschuldet war:
"In Russland haben tausende oder sogar zehntausende Menschen gegen die geplante Anhebung des Rentenalters protestiert."
Denn wie immer, wenn in Moskau oder St. Petersburg drei Menschen zusammen stehen und miteinander diskutieren, geraten unsere Medien in Verzückung:
"Allein bei einer Veranstaltung im Zentrum von Moskau gingen nach Angaben der Organisatoren am Samstag 100.000 Menschen auf die Straße."
Die Realität sieht dann leider aber immer wieder ganz anders aus:
"Die Polizei sprach allerdings nur von 6.500 Demonstranten in der russischen Hauptstadt. Hinzu sollen Tausende in anderen Städten Russlands gekommen sein."
Da sind's dann plötzlich keine hunderttausend mehr - selbst mit den Zehntausenden wird es äusserst knapp, zumal weder der MDR noch die anderen Protagonisten, ausser für Moskau für irgendeine andere Stadt auch nur die Andeutung einer Zahl nenne konnten.

Die Huffington Post:
"Proteste in Russland - Ich sterbe bis zur Rente",
 macht noch einen schwachen Versuch:
"Gewerkschaften, die Kommunistische Partei und linke Gruppen mobilisierten ihre Anhänger am Samstag und Sonntag in Dutzenden russischen Städten, darunter Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, Nowosibirsk und Wladiwostok",
aber Zahlen mochte auch diiese Quelle nicht nennen. Selbst der strittige Versuch die Teilnehmerzahlen von Demonstrationen gleich zweier Tage zusammenzuzählen, schafft es nicht auf "Zehntausende":
"Allein in Moskau gingen am Samstag nach verschiedenen Schätzungen zwischen 6500 und 12.000 Menschen auf die Straße, am Sonntag nach Polizeiangaben 2500."
Hier tut sich die Frage auf, wie die Huffington Post in der Lage sein will, Berichte aus Moskau, immerhin die Hauptstadt des flächengrößten Landes der Erde und eine der größten Nuklearmächte, von einiger Relevanz zu liefern, wenn dort scheinbar niemand ist, der halbwegs seriös melden kann wieviele Menschen an einer Demonstration teilgenommen haben - 6.500, oder 100.000?

 Stattdessen müht sich die Huffington Post die Brisanz der Demonstration zu erhöhen:
"An einer der Demonstrationen nahm auch der Oppositionelle Alexej Nawalny teil"-
Navalny, der in der hiesigen Presse gern als Oppositionsführer bezeichnet wird brachte bei der von Ihm organisierten Demonstration am Sonntag gerade einmal angebliche 2.500 Menschen auf die Strasse und das bei einer Einwohnerzahl Moskaus von über 11 Millionen Menschen - wohl eher ein kümmerlicher Haufen.

 Allerdings für die Huffington Post ein sicheres Zeichen für das nahende Ende der Putinzeit. So zitiert sie angeblich einen der Demonstranten:
"Einer sagte der HuffPost: 'Dann kommt die Revolution.'" 
 Leider veräppelt das Online-Portal seine Leserschaft. Die Aussge ist überhaupt nicht während der Demonstration gefallen sondern bereits zwei Wochen alt. Die Huffington Post zitiert sie sich nur selbst. Denn schon am 15. Juli bewundert Jürgen Klöckner die seherischen Fähigkeiten des jungen Frederik Diadkow. Der sagt bereits einen Tag nach dem Beschluss in der Duma, während er selbst intensivst an der Nichterreichung des eigenen Rentenalters arbeitet ("pustet den Rauch einer Zigarette der Billigmarke “21. Jahrhundert” aus"):
"Aber ich denke, dass wir nach der Weltmeisterschaft große Proteste in Russland erleben werden.(…) Dann ist alles möglich. (…) Spürbare Veränderungen in der Regierung oder vielleicht sogar eine friedvolle Revolution."
 Das sieht man beim Spiegel ähnlich. Die Putin-Dämmerung zieht herauf, weshalb man sich bei dem Blatt auch nur noch am Rande mit dem Grund für die Demonstrationen befasst und vielmehr die sinkenden Werte Putins bei den landesweiten Umfragen zum Hauptthema macht.
"Ich sterbe bis zur Rente"
fand auch die Tagesschau eine besonders gute Überschrift. Bei der Tagesschau war man regelrecht fasziniert vom Tode so vieler Russen noch vor dem Erreichen des Rentenalters, dass der gesamte Text, gefühlt, nur aus dieser einen Aussage bestand:
 "Viele sterben vor der Rente" 
"Die Lebenserwartung in Russland ist niedrig, viele sterben vor dem Rentenalter..." 
"Wir wollen von unseren Renten leben und nicht bei der Arbeit sterben"  
 und noch einmal:
"Ich sterbe bis zur Rente"
und in einer etwas anderen Variante:
"...dass vor allem Männer kaum mehr den Renteneintritt erleben, denn die durchschnittliche Lebenserwartung in Russland beträgt für Männer etwa 67".
 Hinzu kommen die bei der Tagesschau die zum üblichen Tagesgeschäft zählenden kleinen Lügen und Ungenauigkeiten wie die Bildunterschrift:
 "Zehntausende demonstrieren gegen Putins Rentenreform."
 Wohl wissend, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit beileibe nicht "Putins Rentenreform" ist. Oder:
"Allein in der Hauptstadt Moskau gingen nach Angaben der Organisatoren bis zu 100.000 Menschen auf die Straße...",
eine in der ARD wohl festgelegte Zahl, mit der ja auch der MDR schon einmal versucht hatte, die Menschen hinters Licht zu führen. Man fragt sich wirklich, was die Korrespondenten der ARD in Moskau eigentlich tun, so den ganzen Tag. Es müsste doch möglich sein irgendeinen Udo Lielischkies mal auf die Straße zu schicken um abzuschätzen wieviele Teilnehmer denn nun so eine Demonstration gehabt hat.

 Bei Barbara Oertel, immerhin Ressortleiterin Ausland, beim Zentralorgan der Grünen, taz, flogen gleich sämtliche Sicherungen aus dem Kasten. Die Frau beklagte lauthals, die:
"durchschnittliche Lebenserwartung liegt vor allem in den Regionen der Russischen Föderation gerade einmal bei 62 Jahren."
 Woher Frau Oertel diese Information hat, liegt im Dunkel völliger geistiger Umnachtung. Alle verfügbaren Daten sprechen von einer Lebenserwartung bei den Männern von über 65 Jahren. "Statista - Das Statistik-Portal":
"Im Jahr 2016 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern bei der Geburt in Russland rund 66,5 Jahre."
"Knoema", das Online-Datenportal, das die z. Z. neuesten Daten über die Lebenserwartung zur Verfügung stellt spricht von einer Lebenserwartung bei den russischen Männern in 2017 von 65,65 Jahre gegenüber 65,51 in 2016 und 65,33 in 2015. Die der Frauen beträgt 76,75 Jahre, Stand 2017. Die Tendenz zeigt also eine kontinuierliche Zunahme der Lebenserwartung. Eine Tatsache, die Oertel völlig aus dem Häuschen bringt:
"Sozial verträgliches Frühableben à la Wladimir Putin eben."
 Oertel scheint aber nicht nur selbst schwer verwirrt zu sein, sie verwirrt auch uns die Leserinnen und Leser:
"Keinem Menschen, der noch halbwegs bei Verstand ist, leuchtet es ein, warum sich jemand nach jahrzehntelanger harter Arbeit noch länger kaputt schuften soll, und das für ein Altersruhegeld, das oft nicht reicht, um in Würde leben und altern zu können."
 Wer ist dieser "Jemand"? Ist er Russe, Us-Amerikaner oder gar ein deutscher Arbeitnehmer? Immerhin arbeiten in den USA noch 37 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen zwischen 65 und 69 Jahren und immerhin noch 8,4 Prozent der über 75-Jährigen. Und auch in Deutschland scheinen immer mehr Menschen von ihrer Rente nicht mehr leben zu können. In den "Deutschen Wirtschaftsnachrichten" konnte, wer denn wollte, am 29 Juli folgendes lesen:
"Im Dezember 2017 gab es knapp 1,1 Millionen Minijobber ab 65 Jahren, wie die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann am Donnerstag unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte. Ende 2003 waren es noch rund 587.000."
 Im gleichen Zeitraum bezogen laut Deutscher Rentenversicherung 17.510.627  Menschen Altersrente. Eine kleine Rechnung ergibt , dass 6,3 Prozent dieser Bezieher von Altersrente dazuverdienen mussten, weil ihre Rente nicht zum Lebensunterhalt reicht.

  Flaschen sammelnde alte Menschen, überlaufene "Tafeln" und "Tische" Menschen, die in hohem Alter ihre angestammte Wohnung räumen müssen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können, für Oerter kein Grund, die von einer Rot/Grünen Regierung beschlossenen Kürzungen der Renten und Sozialleistungen zu beklagen. Ganz im Gegenteil: Der böse Russe muss auch hier herhalten um von eigenen Problemen bei uns in Deutschland abzulenken. Da hat der alte Flaschensammler einen Trost. Sein Magen ist zwar leer, aber den Russen, denen geht es ja noch einmal schlimmer.

  Für Oertel hingegen gilt die offizielle Zustandsbeschreibung der deutschen Lebenssituation durch die Deutsche Bundeskanzlerin auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos am 24. Januar 2018:
"Wir sind in Deutschland momentan in einer Situation, in der wir sagen können: Uns geht es gut, uns geht es sehr gut."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen