Sonntag, 18. März 2012

Nein Herr Gauck, es ist kein schöner Tag

 Es ist vollbracht. Die Springerpresse kann jetzt jubeln: „Wir sind Präsident!“  Haben sie doch endlich, mit zwanzig-monatiger Verspätung und einer beispiellosen Schlammschlacht gegen Christian Wulff, ihren Kandidaten durchgesetzt.

 Die Schöpfung ist vollendet. Joachim Gauck ist Bundespräsident, was soll jetzt noch kommen? Wer die, vom ZDF zwischen zwei Sportübertragungen eingeschobene, Berichterstattung von der Wahl des Bundespräsidenten verfolgte, der musste einfach zu dem Schluss kommen, dass mit der Wahl Gaucks die Evolution ihren erfolgreichen Abschluss gefunden hat.

 Hörte man Theo Koll und seinen Co-Moderatoren von „Focus“ und „Spiegel“, Uli Baur und Georg Mascolo zu, dann konnte man nicht umhin zu glauben, man wohne einer Heiligsprechenung im Vatikan bei. In der allgemeinen Besoffenheit spielte das Wahlergebnisdann auch keine Rolle mehr. Koll erklärte kurzerhand, Beate Klarsfeld habe nur die Stimmen der Linken erhalten. „…und keine mehr.“ Koll war dabei vollkommen entgangen, dass die Linke nur über 124 Delegierte verfügte, Klarsfeld aber 126 Stimmen erhielt.

 Nun mag der ein oder andere es mäkelig finden, wenn man nach der Wahl des Messias auf solche Kleinigkeiten, wie genaue Berichterstattung achtet. Und schliesslich was sind zwei Stimmen, da es doch, frei nach Wilhelm zwo nun keine Parteien mehr gibt, sondern nur noch Deutsche. Unter diesem Aspekt ist es auch nur zu verständlich, dass Koll auch die 108 Enthaltungen mit keinem Wort erwähnte. Immerhin 8,8% aller Delegierten konnten sich mit dem neuen Heilsbringer nicht anfreunden.

Aber der Deutsche liebt eben die Einigkeit, die Harmonie. Demokratie ist, wenn sich alle einig sind und schön in Reih und Glied hinter der Musik herlaufen, am besten gleich in die nächste Katastrophe. Nur so kann man sich auch die merkwürdigen Fragen Kolls an seine Nebenlobhudler von „Focus“ und „Spiegel“ erklären, ob sich die Linke mit der Aufstellung einer eigenen Kandidatin wieder einmal und diesmal endgültig ins Abseits gestellt habe.

 Wir lernen: Wenn eine Oppositionspartei, die ausdrücklich von der Kandidatenkür der Einheitsparteien von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen ausgeschlossen wurde, sich erdreistet eine eigene Kandidatin für das Präsidentenamt aufzustellen, so begibt sie sich ins politische Abseits. Das sahen die Delegierten der Bundesversammlung übrigens wohl ähnlich. Verweigerten sie doch der unterlegenen Beate Klarsfeld den  schuldigen Respekt. Sie konnten sich nicht dazu aufraffen, nach Bekanntgabe ihres Wahlergebnisses, zu applaudieren.

 So muss man dann wohl auch die kurze Ansprache des neuen Präsidenten, der über das Glück und die Verantwortung der freien Wahl sprach, eher skeptisch sehen. Heisst es doch anscheinend in der dritten, der Gauckschen Republik: Frei wählen? Ja sicher, aber bitte das richtige.

 Joachim Gauck selbst übrigens, fand es einen schönen Tag. Was er auch in der ihm eigenen Ergriffenheit, wenn es um seine Person geht, mit vor Rührung zu brechen drohender Stimme bekannt gab. Für die Demokratie in Deutschland ist es allerdings kein schöner Tag, dieser Tag der allgemeinen Gleichschaltung.

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