Montag, 30. April 2012

Menschenrechtsverletzungen weltweit, nicht nur in der Ukraine, von unseren Politikern verschwiegen

 Menschenrechte haben Konjunktur. Besonders wenn Wahlkampf ist. Wer von den im Dauerstress stehenden Damen und Herren will sich da schon lumpen lassen. Mangels eigener Themen und einer zunehmden geringer werdenden Neigung, den Wählerinnen wirkliche Alternativen zur Wahl zu stellen, übertrifft man sich in den Forderungen nach Sanktionen gegenüber anderen Staaten, bei nicht Einhaltung der Menschenrechte.

 Das ist sehr praktisch. Man landet auf den ersten Seiten der Presse, stellt Forderungen, die jedermann unterschreiben kann und begibt sich selbst nicht in die Gefahr Versprechungen gemacht zu haben, die man nach der Wahl nicht einhalten kann. Eine PR, die nichts kostet. Es spielt auch gänzlich keine Rolle, ob man etwas von den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten des  Landes weiss, für das man die Menschenrechte einfordert, denn die Wählerinnen wissen genau so wenig und die Presse ist viel zu faul eigene Recherchen anzustellen. Ausserdem hat meistens doch sie den Hype, dem man gerade hinterher hächelt, selbst entfacht.

 So nimmt es auch nicht Wunder, dass ausgerechnet der Dicke aus Goslar, der SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, sich in einer Vorstadtsiedlung, irgendwo im niedersächsischen Niemandsland, vor den Kameras aufbaute und mit einer Miene, mit der für gewöhnlich das Volk auf Blut- und Tränenkriege vorbereitet wird, verkündete, die Ukraine müsse umgehend, erstens zur Demokratie zurückkehren und zweitens unverzüglich die Oppositionelle Julija Tymoschenko frei und ausreisen lassen. Ansonsten könne kein Politiker der Bundesrepublik als Zuschauer die Spiele der Fußball-EM besuchen, weil man ja nicht wisse, ob man neben einem Gefängniswärter oder Geheimdienstschergen sitze.

 Nun lassen wir einmal dahin gestellt, ob in der Ukraine irgend jemand darauf erpicht ist, bei einem Fußballspiel auf der Tribüne neben Sigmar Gabriel Platz zu nehmen. Fakt ist, das Gabriel, wie auch die anderen bekannten Dampfplauderer, Norbert Röttgen und Ronald Pofalla von der CDU, Claudia Roth von den Grünen oder Gudrun Kopp von den, vor dem Untergang stehenden, Liberalen, entweder einmal mehr, nicht wissen wovon sie reden, oder die Öffentlichkeit bewusst in die Irre führen.

 So ist die selbst ernannte Führerin der ukrainischen Opposition, die sich gerne so bieder darstellt, mit dem, zu einem  Zopf geflochtenen, züchtig um den Kopf gewundenen, blonden Haar, längst nicht die aufrichtige, ehrliche, für Freiheit und Demokratie kämpfende Politikerin, als die sie hier von den Medien unter Führung von Bild und Spiegel dargestellt wird. Vielmehr ist sie die Führerin eine der von Oligarchen der Energiebranche oder Schwerindustrie in der Ukraine finanzierten politischen Parteien, die sich seit Jahren unerbittlich bekämpfen, zum Teil bis zum Mord. Es geht um Geld, um sehr viel Geld und Macht und nicht, wie man uns Glauben machen will um die Freiheitsrechte des ukrainischen Volkes.

 Man fragt sich  sowieso, warum gerade jetzt die Aufregung um die Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine?  Warum fangen wir nicht hier bei uns in Deutschland, in Europa an?

 Bei Flüchtlingen aus Afrika, zum Beispiel, die versuchen über das Mittelmeer zu uns zu kommen, ist uns das Menschenrecht grad wurstegal. Tausende von Menschen ertrinken jedes Jahr elendig bei dem Versuch, auf nicht seetauglichen Booten, die europäischen Küsten zu erreichen, nur um für sich und ihre Familien ein menschenwürdiges Leben zu erarbeiten. Zigtausende von Menschen vegetieren in Flüchtlingslagern in den nordafrikanischen Staaten vor sich hin, eingefercht auf geheiss von Verträgen mit der EU, um sie an der Flucht nach Europa zu hindern.Die nordafrikanischen Staaten lassen sich dafür, dass sie für uns die Drecksarbeit erledigen, fürstlich entlohnen.

 Wo ist die Entrüstung unseres politischen Führungspersonals über die Diskriminierung der Sinti und Roma auf dem gesamten Balkan. Wann hat man schon jemals gehört, dass Herr Gabriel und Konsorten protestieren, wenn Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, obwohl sie in ihrer Heimat Verfolgung, Inhaftierung, Folter und Mord erwartet?

 Warum klagen wir nicht die Menschenrechtsverletzungen in den Staaten Zentralasiens an, wie z. B. des auf einer Öl- und Gasblase am Kaspischen Meer regelrecht schwimmenden Kasachstan, dessen Präsident  Nasarbajew noch Anfang des Jahres mit allen Ehren eines Staatsmannes von Kanzlerin Merkel in Berlin empfangen wurde? Nasarbajew liess im letzten Jahr hunderte streikende Arbeiter auf den Ölfeldern seines Landes zusammen schiessen.

 Oder Usbekistan, wo wir eine Militärbasis unterhalten von der aus unsere Truppen in Afghanistan versorgt werden, und von wo aus auch unsere Politiker, zu publikumswirksamen Ausflügen, in die Bundeswehrkamps am Hindukusch aufbrechen. Hier wird regelmässig gefoltert. Tausende politische Häftlinge sitzen in usbekischen Gefängnissen. Unvergessen ist das Massaker von Abijan am 13. Mai 2005, bei dem hunderte Menschen auf offener Strasse von den Militärs erschossen wurden.

 Wo ist der Protest, der Boykott gegen die Golfstaaten, Saudi Arabien, die vereinigten Emirate, Kuweit, Bahrain oder Quatar? Werden hier doch Frauen von ihren Männern in lebenslangem Hausarrest gehalten. Arbeitern aus allen Herren Ländern werden jeglich Rechte verwehrt. Menschen durch ein mittelalterliches Strafrecht zu Prügel, Steinigungen und Abhacken von Gliedmassen verurteilt. Hier herrschen autokratisch Familienclans, denen Demokratie ein Graus ist, und die sich mit allen erdenklichen Mitteln an der Macht halten.

 Warum ignorieren wir die Menschenrechtsverletzungen in Afrika? In Nigeria verseuchen die Erdölgiganten aus Amerika und Europa riesige Landstriche mit ausgelaufenem Öl und mit dem Russ aus tausenden von haushohen Flammen, mit denen sie überschüssiges Gas und Öl verbrennen. Das riesige Nigerdelta, früher fruchtbar und fischreich haben sie zur Wüste gemacht, den Menschen ihre Lebensgrundlage genommen. Immer wieder aufflackernde Aufstände werden von den Regierungstruppen auf geheiss der Erdölfirmen blutig erstickt, Oppositionspolitiker hingerichtet.

 Was ist mit den Kindern im Kongo, die in ungesicherten Stollen mit blossen Händen, das für unsere Handys unverzichtbare Coltan schürfen? Das wertvolle Erz wird ihnen von Verbrecherbanden und Warlords für einen Hungerlohn abgenommen. Für die Kinder bleibt nichts ausser Hunger, Krankheit und ein früher Tod.

 Die EU, Frankreich und die Vereinten Nationen haben um den Jahreswechsel 2010 - 2011 in der Elfenbeinküste gewaltsam einen Regierungswechsel herbeigeführt, angeblich um die Menschrechtsverletzungen der alten Regierung zu beenden. Es herrscht nach wie vor ein Klima der Gewalt, mit politischen Morden von allen Seiten. Die Kinderarbeit in den Kakaoplantagen blüht wie eh und je. Kinder, vorwiegend aus Bukina Faso und Mali werden von Sklavenhändlern verschleppt und an die Plantagenbesitzer verkauft.

 Und letztlich, warum kritisiert unser Bundespräsident nicht die USA, sondern lobt sie in den höchsten Tönen, als Hort der Demokratie und der Freiheit? Wäre es nicht unsere Pflicht, unseren engsten Verbündeten und die einzig verbliebene Grossmacht, die von sich behauptet, überall auf der Welt für Frieden, Freiheit und Menschenrechte zu kämpfen, immer wieder an ihre eigenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erinnern?

 Da ist Guantanamo, wo seit nunmehr 11 Jahren Menschen, unter erbärmlichsten Bedingungen, in Haf tgehalten werden. Menschen, bei denen die US-Justiz nicht einmal vor hat, ihnen den Prozess zu machen. Sie wurden unter dem Verdacht des Terrorismus gefangen genommen, aus der ganzen Welt nach Guantanamo verschleppt und nun lässt man sie bei lebendigem Leib in der Haft verfaulen.

 Warum erregt der Herr Bundespräsident sich nicht über die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe. Warum wird nicht das vorsintflutliche Rechtssystem der USA thematisiert, in dem es unbedarften, ungebildeten und zum Teil rassistischen Laienrichtern möglich ist, ohne jegliche juristische Vorbildung, über Leben und Tod zu entscheiden. Nirgends auf der Welt sitzen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, mehr Menschen im Gefängnis als in den USA. Dabei ist der Teil der Schwarzen und Hispanoamerikaner an den Häftlingen überproportional hoch. Nirgends sonst auf der Welt, ausser in den USA, ist es möglich wegen eines harmlosen Verkehrsdeliktes für immer hinter Gefängnismauern zu verschwinden.

 Mir ist bis jetzt nicht bekannt geworden, das auch nur ein deutscher Politiker die Ausreise und die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls, in einem deutschen Krankenhaus, für einen schwarzen Insassen, eines amerikanischen Gefängnises gefordert hätte.

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