Donnerstag, 28. Juni 2012

Brot und Spiele

 Bundeskanzlerin Merkel ist nach Brüssel gereist, denn dort findet wieder einmal ein Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs statt. Sie wird dort weiter ihre Politik des unerbittlichen Sparens vertreten. Entgegen den Forderungen fast aller anderen europäischen Regierungschefs in Brüssel entgegen den Forderungen der USA, Chinas, Japans, Brasiliens, Indiens und entgegen fast aller Ökonomen weltweit, verteidigt sie ihr: “Keine Verteilung der Schuldenlast auf alle Staaten der Eurozone,“ keine Eurobonds, kein Altschuldenfond, kein Aufkaufen von Staatsanleihen durch die EZB und auch keine Lockerung der Austeritätspolitik in den Ländern des europäischen Südens.

 Dabei nutzt Merkel für sich auf perfide Art den Zwang zur Einstimmigkeit bei solchen Konferenzen. Gleichzeitig weckt sie in Deutschland niedrigste Gefühle des Nationalismus. Sie macht die Deutschen glauben, die notleidenden Staaten seien nicht bereit sich selbst zu helfen und nur darauf aus, sich mit hilfe des deutschen Geldes auf die faule Haut zu legen. Darin wird sie von der gesamten veröffentlichten Meinung, und weiss Gott nicht nur der Bildzeitung, in Deutschland lautstark unterstützt.

 Die allgemeine Euphorie während der Fußball-Europameisterschaft tut dabei ihr Übriges. Seit nunmehr zweieinhalb Wochen kennt vor allen Dingen das Leitmedium Fernsehen kaum ein anderes Thema als Fußball. Deutschland, in der Wirtschaft, wie im Fußball, Master of the Univers. Besonders pikant dabei, das Viertelfinalspiel gegen Griechenland, dass manchen Fersehmoderator im Vorfeld zu verbalen Entgleisungen verleitete, und die Tatsache, dass nach den Viertelfinals nur noch die europäischen „Hungerleider“ Italien, Spanien und Portugal und das ach, so starke, unschlagbare Deutschland übrig blieben.

 Merkel nutzt die Erfolge der deutschen Fußballkicker für ihre eigenen Zwecke. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie in der Presse nicht mit der Nationalmannschft in Verbindung gebracht wird. Ist es ihr reichlich unsensibler Besuch des Spiels Griechenland - Deutschland, ist es die fast tägliche Spekulation ob sie denn das Endspiel in Kiew, Zweifel, die deutsche Mannschaft könne dieses womöglich nicht erreichen grenzen ja mittlerweile an Landesverrat, besucht oder nicht, und wenn ja, neben wem sie Platz nimmt, oder die Mär von der Kanzlerin, die der deutschen Mannschaft Glück bringt, der Eindruck wird erweckt, Merkel und die deutsche Fußballnationalmannschaft sind ein untrennbares, unbesiegbares Team.

 Aber genau so, wie die Europameisterschaft am Montag Geschichte sein wird, ob mit deutschem Europameister oder nicht, genau so wird Merkel eines, sicher nicht mehr fernen Tages vor die Nation treten und das Scheitern ihrer Politik eingestehen müssen. Es wird keine Euro-Rettung zum Nulltarif geben. Vorausgesetzt, Merkel will wirklich eine Erholung der wirtschaftlich angeschlageenen Mittelmeeranrainer, woran ich starke Zweifel habe, dann müssen die Starken den Schwachen solidarisch zur Seite stehen und ihnen helfen eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen.

 Wie soll es diesen Ländern gelingen sich am eigenen Schopf aus dere Misere zu ziehen, wenn die Wirtschaft ihrer Länder kaputt gespart wird. Woher soll der Anreiz für Investoren kommen, wenn sie keine Möglichkeit sehen ihre Produkte zu verkaufen? Wie soll eine funktionierende Wirtschaft entstehen, wenn es an Geld für Investitionen in die Infrastruktur fehlt, wenn die Bevölkerung durch immer tiefere Einschnitte in ihren Lebensstandard demotiviert ist, wenn die jungen, gut gebildeten Menschen das Weite gesucht haben und wenn die politischen Verhältnisse immer unsicherer werden?

 Eine wirtschaftliche Gesundung des Euroraumes kann nur gelingen, wenn die Staaten sich untereinander solidarisch verhalten. Das heisst zunächst einmal, mindestens die Einrichtung eines Altschuldentigungsfonds, in den die älteren Schulden eingehen, und die von allen Mitgliedsländern gemeinsam getilgt werden. Das bedeutet zweitens die Ausgabe von Eurobonds, um so die riesige Belastung der Mittelmeerländer durch die enorm hohen Zinssätze, die sie zur Zeit bezahlen müssen zu reduzieren. Und das bedeutet drittens, dass die EZB die Anleihen der hoch verschuldeten Länder in unbegrenzter Höhe ankauft. Allein die Ankündigung der EZB zu einem solchen Schritt, würde wahrscheinlich schon genügen um die Spekulation gegen Griechenland, Italien, Spanien und Portugal zu verhindern.

 Solidarisches Handeln mit den sogenannten PIGS-Staaten bedeutet aber auch, insbesondere für Deutschland, seine aggresssive Exportpolitik einzustellen. Während die Löhne und Gehälter in den südlichen Staaten Europas fallen, müssen sie in Deutschland steigen. Es muss vorbei sein mit Leiharbeit, Minijobs, Teilzeitarbeit, Scheinselbstständigkeit, Hartz IV-Aufstockern.

  Ein, auf Dauer, gedeihliches Miteinander in Europa kann es nur geben, wenn wir auch bereit sind, die Waren und Dienstleistungen Griechenlands, Italiens, Spaniens und Portugals abzunehmen und im Gegenschritt nicht mit aller Macht unsere Waren in deren Märkte drücken.

 Auf diesem Weg ist allerdings der zur Zeit in Deutschland herrschende Chauvinismus wenig hilfreich. Merkel sollte nicht die eiserne Lady geben, sondern die Deutschen darauf vorberiten, dass sie international zurückstecken müssen. Etwas mehr Demut und viel mehr Verständnis für die Zusammenhänge, würden nicht nur unserer Kanzlerin helfen, bei der Lösung der Eurokrise endlich voran zu kommen.

 Es ist halt nicht so einfach wie im Fußball: Der Starke gewinnt und der Schwache verliert. Im internationalen Zusammenspiel kann nur der Starke gewinnen, wenn auch der Schwache gewinnt. Wenn Merkel meint, diese Regel ausser Kraft setzen zu können, dann werden auf Dauer wir alle verlieren.

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