Freitag, 6. Juli 2012

Deutsche Industriemultis - Tarnen, täuschen, tricksen

Klage gegen Bayer wegen Verjährung abgewiesen

BASF und Shell wehren sich gegen Millionenzahlung

Vorwurf: Ettikettenschwindel bei Radeberger

Übernahme von Porsche - VW spart 1,5 Mrd Euro Steuern


 Vier Überschriften zu Artikeln, die heute, an einem einzigen Tag, in den deutschen Tageszeitungen zu lesen sind. Vier Überschriften, die anscheinend nichts miteinander zu tun haben. Und doch haben sie eins gemein: Ihr gemeinsames Thema heisst Verantwortungslosigkeit. Verantwortungslosigkeit deutscher Grossunternehmen gegenüber Menschen und Umwelt und Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gesellschaft, die die Grundlage ihres Bestehensund ihrer Prosperität ist.

 Vor dem Berliner Landgericht ist gestern die Klage eines Mannes, der 1975 mit Missbildungen im Genitalbereich und einer aussenliegenden Blase geboren wurde, wegen Verjährung abgewiesen worden. Seine Mutter nahm während ihrer Schwangerschaft das als Schwangerschafttest deklarierte Duogynon der Firma Schering, einem Tochterunternehmen der Bayer AG.

 Dieses Mittel steht in dem dringenden Verdacht, Missbildungen bei Neugeborenen zu verursachen, und das nicht erst seit gestern. Schon 1967 warnte die britische Ärztin Isabel Gal vor Missbildungen bei hormonellen Schwangerschaftstests. Im gleichen Jahr weisen Manger der britischen Scheringtochter, Schering Chemikals LTD. die Zentrale in Deutschland auf „Schwierigkeiten bei Primodos“ (wie das Mittel in Großbritannien heisst) hin. Die Website der Duogynonopfer zitiert wörtlich aus dem Brief der britischen Manager an ihre deutsche Muttergesellschaft: „Wir müssen bezüglich des möglichen Zusammenhangs von Primodos und Geburtsschäden zu einer Lösung kommen. Als Hersteller ist es unsere moralische Pflicht, alles Menschenmögliche zu unternehmen, die Sicherheit unserer Produkte zu gewährleisten.“

 1970 verbieten die britischen Behörden Primodos als Schwangerschaftstest. 1978 dann, nachdem das Mittel bereits in Schweden, Finnland, Belgien Australien, den Niederlanden und Großbritannien verboten ist, wird Duogynon in Deutschland in Cumorit umbenannt, und die Packung erhält den Hinweis, dass es nur bei nachweislich nicht schwangeren Frauen eingesetzt werden darf.

 Bis heute verweigert Bayer jegliche Einsicht in seine Unterlagen und streitet einen Zusammenhang zwischen der Medikation von Duogynon und den Missbildungen bei Neugeborenen ab. Mit Hilfe hochbezahlter Winkeladvokaten ist es bisher gelungen, jegliche Schadensersatzforderungen abzuwehren. Selbst den Vorschlag einer Mediation, des Berliner Richters, wies Bayer brüsk zurück.

 Das oberste brasilianische Arbeitsgericht hob das Urteil einer unteren Instanz auf, nach dem die BASF und Shell insgesamt 1,06 Mrd. Real, das entspricht etwa 417 Mio. Euro, als Entschädigung an frühere Mitarbeiter für erlittene oder drohende Gesundheitsschäden zahlen sollten. 1.102 ehemalige Mitarbeiter einer Pflanzenschutzproduktion in Paulinia im Bundesstaat Sao Paulo hatten wegen erlittener Gesundheitsschäden durch eine Verseuchung des Chemiestandorts geklagt. Shell, hatte an dem Standort 1974 mit der Produktion von Pflanzenschutzmitteln begonnen. 1995 wurde das Werk dann an die US-amerikanische American Cyanamid verkauft, von der die BASF es im Jahre 2.000 erwarb.

 In einem weiteren Verfahren wurden BASF und Shell zu einer Zahlung von 490 Mio. Euro in einen Fond, zugunsten der ehemaligen Mitarbeiter, in zweiter Instanz, bereits 2011 verurteilt. Die BASF will gegen das Urteil Revision einlegen, da sie sich darauf beruft, die Kontaminierung des Bodens in Paulinia sei bereits vor dem Jahre 2.000 geschehen.

 Die ehemaligen Arbeiter der Chemiefabrik leiden an Prostatakrebs und Erkrankungen der Schilddrüse. In 61 Fällen führten die Erkrankungen bereits zum Tod.

 Auch hier versucht ein Industriemulti aus Deutschland mit allen juristischen Tricks und durch Verschleppung des Verfahrens den Menschen, die durch ihn geschädigt wurden eine Wiedergutmachung vorzuenthalten.

 Um Leben und Tod geht es bei dem Fall des Etikettenschwindels der Radeberger Brauerei zum Glück nicht. Aber auch hier wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt, es wird gelogen, gemauschelt und getrickst.

 Radeberger, das zur Oetkergruppe gehört, hat die Flaschen der mexikanischen Biermarke Corona als Mehrwegflaschen deklariert. Das verschafft den Bierbrauern einen Wettberwerbsvorteil, da auf Mehrwegflaschen nur ein Pfand von 8 Cent erhoben wird. Das Pfand auf Einwegflaschen beträgt hingegen 25 Cent, was bei einem 24er Kasten immerhin 4,08 Euro ausmacht. Ausserdem verschafft sich Radeberger damit ein ökologisches Image.

 Nun ist aber der Deutschen Umwelthilfe (DUH) aufgefallen, das die Coronaflaschen ausnahmslos ohne Gebrauchsspuren, wie bei Mehrweg üblich, in den Handel kommen. Radeberger erwiderte auf den Vorwurf des Etikettenschwindels durch die DUH, Corona werde in Deutschland ais Premiummarke geführt und deshalb benutze man hier nur neue Flaschen. Diese, so die haarsstreubende Begründung weiter, würden nach Gebrauch über den Atlantik nach Mexiko verschifft, dort gespült und neu befüllt. In Mexiko weiss man davon allerdings nichts. Ein Vertreter der Firma in dort sagte, keine Flasche komme nach Mexiko zurück.

Das Spülen und wiederbefüllen in Mexiko, sollte es denn überhaupt stattfinden ist hier in Deutschland allerdings auch ohne jede Relevanz. Nach deutschem Gesetz muss eine Mehrwegflasche mindestens zweimal nachgefüllt werden und darf nur in Ländern mit Mehrweg-Gesetz verkauft werden. Mexiko zählt nicht dazu.

 Porsche gehört nun restlos zum VW-Konzern. VW war bereits mit 49,9% an Porsche beteiligt und hat nun für 4,46 Mrd. Euro und eine Stammaktie die restlichen 50,1% an Porsche erworben. Durch den Trick mit der Stammaktie konnte VW den Vorgang als Umstrukturierung anstatt einer Übernahme deklarieren. Das hat dem Konzern mal eben 1,5 Mrd. Euro, ansonsten fälliger Steuern erspart. Wohl dem, der sich solche Anwälte leisten kann.

 Rainer Brüderle, FDP, der anscheinend wieder einmal ein Viertele Trollinger zu viel genossen hatte, kritisierte: „Das mag alles legal sein, zeigt aber, wie dringend wir ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht brauchen“. Wer, so fragt man sich, war denn 1994 an der Regierung, als das Gesetz auf das sich die Steuerersparnis begründet erlassen wurde und wer ist seit 2009 wieder an der Regierung und welche Partei hatte damals und heute wieder dass Wirtschaftsministerium inne?

 Und da kommt man gleich zur nächsten Frage: Wer bitteschön verzapft so einen Quatsch? Die Politik, Beamte oder vielleicht Angestellte deutscher Konzerne, die zur Erarbeitung günstiger Steuergesetze für eine bestimmte Zeit ihren Arbeitsplatz in die Ministerien verlagern?

 VW allerdings scheint nach der Devise zu verfahren: Sollen doch die Anderen, die Arbeiter, Angestellten und kleinen Gewerbetreibenden die Steuern bezahlen damit die Strassen und Autobahnen gebaut und instand gehalten werden, auf dass wir weiterhin unsere Autos verkaufen können.

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