Montag, 27. August 2012

DGB warnt vor Altersarmut und vergisst, Armut ist für viele Menschen täglicher Begleiter.

 Der DGB NRW hat vor einer verbreiteten Altersarmut in der Zukunft gewarnt. Durch zu gerigen Verdienst und Arbeitslosigkeit seien die Menschn nicht mehr in der Lage für ihr Alter vorzusorgen. Für viele Menschen ist aber Armut im Alter keine neue Erfahrung. Mit dem Erhalt von Rente unter dem Existenzminimum beginnt für diese Menschen lediglich ein neuer Lebensabschnitt.

Als ich zu Ende der 90er Jahre in einem ländlich geprägtem SPD-Ortsverein mit den Mitgliedern über die heraufziehende Armut sprach, wollte man mir nicht glauben, dass es in den grösseren Städten schon wieder Armenküchen gab. Zu dieser Zeit schien den meisten Menschen eine Armut, die zu Hunger und Unterernährung führt, in Mitteleuropa ein für allemal ausgerottet.

 Dann kam der SPD-Kanzler Schröder und der führte in der Politik einen Paradigmenwechsel durch. Ab nun waren Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut, nicht mehr ein Schicksalschlag, für den in der Regel nicht die Arbeitnehmer verantwortlich waren, sondern ab nun wurden ausschiesslich die Arbeitslosen für ihr Schicksal verantwortlich gemacht. Menschen die ihre Arbeit verloren hatten, egal aus welchem Grund, gerieten zunächst einmal in den Generalverdacht faul und arbeitsscheu zu sein und nur darauf aus, sich in der „Sozialen Hängematte“ auszuruhen.

 Von dem Tag an, an dem sie erfuhren, das sie in Kürze arbeitslos werden würden, verloren sie einen Teil ihrer Rechte. Sie wurden von der Arbeitsagentur, so hiess das Arbeitsamt ab sofort, einem Fallmanager , auch diese Bezeichnung, neusprech, zugeteilt und der bestimmte nun nach Lust und Laune was der oder die Arbeitslose zu tun und zu lassen hatten. Ganz wie ein Vorbestrafter seinem Bewährungshelfer, mussten die Menschen nachweisen, dass sie alles taten um sich zu bessern. Sie mussten nachweisen, dass sie sich regelmässig um Arbeit bewarben, hatten sich ständig dem Fallmanager zur Verfügung zu halten, mussten jede ihnen zugewiesene Arbeit annehmen, egal wie qualifiziert sie waren oder wie weit entfernt die Arbeitsstelle von ihrem Wohnort war. Es wurde keine Rücksicht genommen auf die persönlichen Lebensumstände des „Kunden“. Egal ob die Eltern gepflegt werden mussten, die Kinder aus dem gewohnten Umfeld gerissen wurden, die Ehefrau oder der Ehemann die eigene Arbeit aufgeben mussten, die angebotene Arbeitsstelle muss angenommen werden. Notfalls muss man sich eben von seinen Lieben trennen.

 Nach einem Jahr, spätestens aber nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit werden die Kunden dann aus der Rentenversicherung entlassen, egal wieviele Jahre sie Monat für Monat eingezahlt haben. Der Staat nimmt die Menschen, die bis dahin noch nicht wieder in Arbeit und Brot sind, nun der Arbeitslosenversicherung ab. Dafür erhält er ein paar tausend Euro Abstandszahlung von der Arge. Nach diesem Menschenhandel lässt das Interesse des Fallmanagers, den oder die Arbeitslose wieder in eine Arbeit zu vermitteln schlagartig nach.

 Wie bei einem Wiederholungstäter wird jetzt die Schraube um einige weitere Drehungen angezogen. Der oder die Deliquentin muss nun die gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen, Erspartes für den Lebensunterhalt aufbrauchen, aus einer Partnerschaft wird eine Bedarfsgemeinschaft, was heisst, seinem Partner ab jetzt auf der Tasche zu liegen, die Kinder müssen die Geldgeschenke ihrer Grosseltern abgeben, die Wohnung muss aufgegeben und ein zu grosses und zu neues Auto verkauft werden.

 Ab jetzt ist es, wenn es an der Tür klingelt, keineswegs sicher, dass es nur der Postbote ist. Wahrscheinlicher ist, dass der Kontrolleur der Arge einmal wieder die Zahnbürsten zählen möchte, die Temperatur der zweiten Schlafstatt im Schafzimmer prüft, die Schränke durchsucht, oder im Kühlschrank anhand der Anzahl der Yoghurtbecher feststellen möchte, ob der „Kunde“ nicht doch in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Ab jetzt kann jeder missgünstige Nachbar ihnen nach Belieben diese Bluthunde auf den Leib hetzen. Hinter vorgezogenen Gardinen spannen die Nachbarn, wer bei ihnen ein und aus geht, und wie oft und wie lange er oder sie bleibt. „Nach zehn keinen Damenbesuch,“ feiert fröhliche Urständ.

 Der Staat gesteht ihnen nun einen Regelsatz von 374 Euro zu. Davon haben sie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, Essen, Trinken, Kleidung Schuhe, Fahrgeld für den Personennahverkehr, Kino, Theater, Freibad. Da werden Aldi und Lidl zum Sozialpartner, und deren Preisdumping zur Lebensversicherung.  Jeder kleine Schadensfall, ob kaputte Waschmaschine, Kühlschrank oder Elektroherd, durchgewetzte Hose, oder Mottenlöcher im Wintermantel, für den Normalbürger zwar ärgerlich, aber mit einem Achselzucken verschmerzbar, ist eine, die Existenz bedrohende, Katastrophe. Der Kundenberater, nach einer Einmalzahlung als Zuschuss zu einer Neuanschaffung befragt, schüttelt unwirsch den Kopf. Neuanschaffungen sind aus den monatlichen Zahlungen zu bestreiten. „Da hätten sie eben etwas zurücklegen müssen!“

 Was nun? Entweder, mit durchgewetzter Hose, löchrigem Mantel, kaputten Schuhen herumlaufen, mit der Hand waschen, Lebensmittel verderben lassen und das Dosenfutter auf einem billigen Spiritusbrenner erwärmen, oder sich überwinden und bei den Tafeln eine gewisse Zeit um das tägliche Essen anstehen. Und hier schliesst sich der Kreis. Wir sind bei den Armenküchen angekommen, die für die Sozialdemokraten in dem kleinen Ortsverein noch Ende der 90er Jahre unvorstellbar waren.

 Während die Wohlhabenden der Gesellschaft mit Autos durch die Gegend fahren, die 300 und mehr PS haben, in Villen wohnen, deren Quadratmeterzahl gut und gerne den Intelligenzquotienten aller Bewohner um das vielfache übersteigt, Reitpferde halten und noch einmal eine gleichgrosse Villa als Feriendomizil auf Mallorca ihr eigen nennen, haben die ärmsten der Gellschaft nicht einmal heile Schuhe und bekommen billigen Wohnraum zugewiesen in Gegenden, die allein durch die Adresse schon jede Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme verhindert.

 Galt vor Bundeskanzler Schröder und seinen Sozialdemokraten das Prinzip, dass ein Jeder in dieser Republik einen gesetzlichen Anspruch auf ein Leben in Würde hatte, so sind die Menschen, die ihre Arbeit verloren haben innerhalb kurzer Zeit auf die Barmherzigkeit und die Spenden anderer angewiesen.

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