Dienstag, 28. August 2012

Das unvorteilhafte Selbstportrait des Herrn Rösler

 Fernsehinterviews sind oftmals, sogar mit der sich selbst auferlegten Beschränktheit der Fragen stellenden Journalisten, nicht nur von hohem Unterhaltungswert, sondern auch vor allen Dingen sehr informativ. Der Betrachter muss sich allerdings von der Vorstellung lösen, er bekomme zum angesprochenen Thema irgendwelche Neuigkeiten geliefert. Am besten, er löst sich vollständig vom Inhalt des Interviews, was oftmals nicht sonderlich schwer ist, da die meisten Fernsehinterviews nur vorgeben ein Thema zu haben, in Wirklichkeit aber nur inhaltsloser Smaltalk liefern.

 Ein hervorragendes Beispiel liefert hierzu das Interview, das Christiane Meier mit dem Mann führte, der sich als unser Wirtschaftsminister ausgibt, Phillip Rösler. Das vorgebliche Thema waren die zu erwartenden Steigerungen bei den Strompreisen, und wo die Verantwortung dafür liege. Schon die Interviewerin, Frau Meier, gab sich alle Mühe, mit ihren Fragen das Thema möglichst nicht zu berühren. Stattdessen war sie bemüht, den Wirtschaftsminister intellektuell nicht zu überfordern.

 Schon die erste Frage ist eigentlich rein rethorischer Natur: „Herr Rösler, der Wirtschaftsminister ist jetzt der grosse Bremser der Ökowende, der Energiewende, ist das so?“

 Kaum ein Zuschauer hat auf diese Frage von Rösler eine kokrete Antwort erwartet, die da ja hätte lauten müssen: „ja, ich bin der grosse Bremser der Energiewende,“ oder: „Nein, natürlich bin ich nicht der grosse Bremser der Energiewende“. Rösler antwortet auf diese ohnehin wohl kaum ernst gemeinte Frage, die zudem noch haarscharf am vorgegebenen Thema vorbeigeht: „Das Ziel ist es die erneuerbaren Energien stärker auszubauen als bisher.“ Er spricht von einem Zielsetzung, die anscheinend von jemand Anonymen gesetzt ist. Es ist nicht sein Ziel, es ist nicht Ziel seines Ministeriums.

 Erst im zweiten Satz nennt er dann Personen: „Aber gerade weil wir das wollen, weil wir mehr erneuerbare Energien brauchen, muss doch dieser Ausbau bezahlbar bleiben.“ Gehen wir davon aus, dass Rösler noch nicht im Pluralis Majestatis von sich spricht, so klingt dieses „wir“ etwas merkwürdig. So als klammere Rösler sich selbst aus. Ein Politiker, der will, dass man von ihm glaubt, dass er etwas wirklich will, der betont das eigene Wollen so sehr, dass auch der letzte Idiot ihm das abnimmt. Er würde niemals die Form des Plurals, das „wir“ benutzen, sondern sich herausstellen indem er alle anderen die auch seiner Meinung sind, ganz bewußt ausschliesst, durch die Form des Singular, das „ich“.

 Und nun kommt Rösler unvermittelt zu seinem Thema, das sein einziges ist und das er wie einen unverrückbaren Glaubenssatz vor sich her trägt: „Und da muss doch ein marktwirtschaftliches System her.“ Die Marktwirtschaft dieses liberale Keuschheitsgelübde, das hier genauso pharisäerhaft hintergangen wird, wie in der katholischen Kirche. Wir werden etwas später darauf zurückkommen.

 „Dass bisherige System ist für die Menschen ausdrücklich zu teuer.“ Schon im vierten seiner Sätze ist es da, dieses merkwürdige „die Menschen“. Rösler benutzt es immer wieder. Er gebraucht es im Sinne eines Tierpflegers im Zoo, wenn der sagt: „Sie brauchen Futter, die Affen, oder Wildschweine, oder Nilpferde.“ Er meint dieses Gewusel weit unter ihm. Dieser tumbe, gesichtslose Haufen, der versorgt, gefüttert und getränkt werden muss und den man im Winter ins Haus holen muss. Es ist die Verachtung für Alle, die nicht seiner Kaste entstammen, der der vermeintlichen Eliten, die er mit diesem "die Menschen" zum Ausdruck bringt. Es ist diese Verachtung, die ihn an anderer Stelle von der Anschlussverwendung der Menschen sprechen lässt, wenn von den entlassenen Verkäuferinnen bei Schlecker die Rede ist.

 Die Interviewerin unternimmt nun einen ersten Versuch sich dem Thema zu nähern: „Es ist schon irgendwie widersinnig. Der Ausbau geht zu schnell und wird zu teuer und muss deshalb jetzt wieder gebremst werden Das versteht ja kein Mensch. Weshalb ist das denn so?"

 Welche Frage zu welchem Thema, Rösler kennt nur eine Antwort, wie ein schlecht programmierter Roboter, oder der, angeblich die menschliche Sprache beherrschende, Hund in einem der Zeichtrickfilme Loriots, der auf jede Frage des Reporters nur immer wieder mit einem heiseren Bellen antwortet, was den Reporter schliesslich zu der Erkenntnis kommen lässt: „Ich glaube ihr Hund kann gar nicht sprechen.“

 So antwortet Rösler auch hier wieder mit einer breiten Salve an Worthülsen aus dem neoliberalen Propagandarepertoire der FDP-Boygroup: „Ein eher planwirtschaftliches System, dass wir derzeit haben. Die Preise werden festgelegt durch den Gesetzgeber und das führt natürlich zu Verzerrung.“ Und während der Zuschauer sich noch verwundert die Augen reibt und sich fragt ob er irgendetwas verpasst hat, da seiner Erkenntnis nach, die Stromanbieter doch die Preise diktieren, fügt Rösler fluchs noch, wie ein Sektenmitglied nach der Gehirnwäsche, den einzigen Satz hinzu, den er fehlerfrei auch nach einer feucht fröhlichen FDP-Mitgliederversammlung sprechen kann: „Ich plädiere dafür, für mehr soziale Marktwirtschaft.“

 Er will dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht. Er nicht und seine Freunde in der Energiewirtschaft wollen es noch viel weniger. Gleichzeitig weiss er aber auch, dass seine Tage gezählt sind im Ministerium in der FDP und überhaupt in der Politik. Deshalb, und weil er, der eigentlich nichts gelernt hat, zum praktizieren als Arzt fehlt ihm das abgebrochene Facharztstudium,  anschliessend einen hochdotierten Job braucht, drängt er aufs Tempo: „Wir brauchen deswegen eine Reform des Erneuerbare Energiegesetzes und zwar möglichst bald, also möglichst noch in dieser Legislaturperiode.“ Rösler muss sich noch schnell nützlich machen im Dienste seiner Herren, nur so ist die Zukunft gesichert. Die ehrenwerte Gesellschaft erwartet, dass man ihr einen Gefallen tut.

 Weil er diesen Gefallen noch schuldig ist, antwortet er auch auf die Frage Meiers, ob es nicht zu einem Konflikt mit Umweltminister Altmeyer kommen könne, da dieser eine längerfristige Lösung im Einvernehmen mit der Opposition, in der nächsten Legislaturperiode anstrebe, mit dem ewigen Mantra der FDP und dem Synonym für Marktradikalisierung und Menschenverachtung, weg von der Planwirtschaft, hin zur Marktwirtschaft: „Und deswegen ist es, glaube ich, richtig, dass wir uns alle dransetzen und jetzt ein neues System auf den Weg bringen, weg von der Planwirtschaft, hin zu mehr sozialer Marktwirtschaft, wie sich das auch für uns gehört.“

 Von diesem einzigen aller Wege für jegliche Eventualitäten des Lebens, ähnlich wie der Ratschlag des katholischen Geistlichen immer der gleiche ist, tue Buße und bete, weicht Rösler nur ab, wenn seine Freunde aus der Großindustrie drohen in Verruf zu geraten, und damit sind wir bei dem oben angekündigten pharisäerhaftem Bruch des liberalen Keuschheitsgelübdes. Auf die Frage, warum denn die stromintensive Industrie nur 0,3% der Energie bezahle, obwohl sie doch 18% der Energie verbrauche, antwortet Rösler mit gespielter Entrüstung: „.. ich bin es im wahrsten Sinne des Wortes leid, dass man sich immer dafür entschuldigen muss, wenn man sich stark macht für Arbeitsplätze." Anschliessend hält er dann noch ein kleines Referat unter dem Titel Ökonomie für Gehirnamputierte: „Bei der Frage Energiepreise für die Industrie geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit, also ganz konkret um Wachstum und Beschäftigung, um Jobs für die Menschen. Und wir müssen immer sehen, unsere deutsche Wirtschaft steht in Konkurenz auch mit den europäischen Nachbarn und da spielt die Energie und die Energiepreise eine grosse Rolle."

 Meiers letzter Versuch Rösler ausser seiner Schwüre für die Marktwirtschaft etwas verwertbares zu entringen, scheitert ebenso kläglich wie alle vorherigen: „Wie wollen sie denn gerade die Geringverdiener entlasten, denn die sind es ja die Mehrkosten von 80 - 90 - 100 oder gar mehreren Hundert Euro gar nicht tragen können?“

 Pah, Geringverdiener, das ist nicht eben die Klientel mit der ein Rösler sich befasst: „Wir müssen alle gleichermassen entlasten. 80 Millionen Menschen also 40 Millionen Haushalte, aber auch 4 Millionen gerade mittelständige Unternehmen.“ Letztendlich schafft er aber auch hier wieder vom eigentlichen Thema abzulenken und seinen Glaubenssatz zum gefühlt hundertstem Mal herunterzuleiern: „…aber wenn er kommt (der Ausbau der erneuerbaren Energien, d. Verf.), dann muss er wirtschaftlich sein und es ist bekanntermassen das wirtschaftlichste System, ein System der sozialen Marktwirtschaft.“

 Es ist, wie gesagt, oftmals von grossem Nutzen, aufmerksam, oft sinnlos erscheinende Fernsehinterviews zu verfolgen. In diesem Falle hat es, abseits des eigentlichen Themas, das Bild eines inkompetenten, menschenverachtenden, karrieresüchtigen Bundeswirtschaftsministers gezeichnet. Sicher von der ARD nicht so gewollt, war es doch mehr ein Selbstportrait des Herrn Rösler.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen