Fernsehinterviews sind oftmals, sogar mit der sich selbst
auferlegten Beschränktheit der Fragen stellenden Journalisten, nicht nur
von hohem Unterhaltungswert, sondern auch vor allen Dingen sehr
informativ. Der Betrachter muss sich allerdings von der Vorstellung
lösen, er bekomme zum angesprochenen Thema irgendwelche Neuigkeiten
geliefert. Am besten, er löst sich vollständig vom Inhalt des
Interviews, was oftmals nicht sonderlich schwer ist, da die meisten
Fernsehinterviews nur vorgeben ein Thema zu haben, in Wirklichkeit aber
nur inhaltsloser Smaltalk liefern.
Ein hervorragendes Beispiel liefert hierzu das Interview, das Christiane Meier mit dem Mann führte, der sich als unser Wirtschaftsminister ausgibt, Phillip Rösler.
Das vorgebliche Thema waren die zu erwartenden Steigerungen bei den
Strompreisen, und wo die Verantwortung dafür liege. Schon die
Interviewerin, Frau Meier, gab sich alle Mühe, mit ihren Fragen das
Thema möglichst nicht zu berühren. Stattdessen war sie bemüht, den
Wirtschaftsminister intellektuell nicht zu überfordern.
Schon die erste Frage ist eigentlich rein rethorischer Natur: „Herr Rösler, der Wirtschaftsminister ist jetzt der grosse Bremser der Ökowende, der Energiewende, ist das so?“
Kaum
ein Zuschauer hat auf diese Frage von Rösler eine kokrete Antwort
erwartet, die da ja hätte lauten müssen: „ja, ich bin der grosse Bremser
der Energiewende,“ oder: „Nein, natürlich bin ich nicht der grosse
Bremser der Energiewende“. Rösler antwortet auf diese ohnehin wohl kaum
ernst gemeinte Frage, die zudem noch haarscharf am vorgegebenen Thema
vorbeigeht: „Das Ziel ist es die erneuerbaren Energien stärker auszubauen als bisher.“
Er spricht von einem Zielsetzung, die anscheinend von jemand Anonymen
gesetzt ist. Es ist nicht sein Ziel, es ist nicht Ziel seines
Ministeriums.
Erst im zweiten Satz nennt er dann Personen: „Aber gerade weil wir das wollen, weil wir mehr erneuerbare Energien brauchen, muss doch dieser Ausbau bezahlbar bleiben.“
Gehen wir davon aus, dass Rösler noch nicht im Pluralis Majestatis von
sich spricht, so klingt dieses „wir“ etwas merkwürdig. So als klammere
Rösler sich selbst aus. Ein Politiker, der will, dass man von ihm
glaubt, dass er etwas wirklich will, der betont das eigene Wollen so
sehr, dass auch der letzte Idiot ihm das abnimmt. Er würde niemals die
Form des Plurals, das „wir“ benutzen, sondern sich herausstellen indem
er alle anderen die auch seiner Meinung sind, ganz bewußt ausschliesst,
durch die Form des Singular, das „ich“.
Und nun kommt
Rösler unvermittelt zu seinem Thema, das sein einziges ist und das er
wie einen unverrückbaren Glaubenssatz vor sich her trägt: „Und da muss doch ein marktwirtschaftliches System her.“
Die Marktwirtschaft dieses liberale Keuschheitsgelübde, das hier
genauso pharisäerhaft hintergangen wird, wie in der katholischen Kirche.
Wir werden etwas später darauf zurückkommen.
„Dass bisherige System ist für die Menschen ausdrücklich zu teuer.“ Schon im vierten seiner Sätze ist es da, dieses merkwürdige „die Menschen“.
Rösler benutzt es immer wieder. Er gebraucht es im Sinne eines
Tierpflegers im Zoo, wenn der sagt: „Sie brauchen Futter, die Affen,
oder Wildschweine, oder Nilpferde.“ Er meint dieses Gewusel weit unter
ihm. Dieser tumbe, gesichtslose Haufen, der versorgt, gefüttert und
getränkt werden muss und den man im Winter ins Haus holen muss. Es ist
die Verachtung für Alle, die nicht seiner Kaste entstammen, der der
vermeintlichen Eliten, die er mit diesem "die Menschen" zum Ausdruck
bringt. Es ist diese Verachtung, die ihn an anderer Stelle von der Anschlussverwendung der Menschen sprechen lässt, wenn von den
entlassenen Verkäuferinnen bei Schlecker die Rede ist.
Die Interviewerin unternimmt nun einen ersten Versuch sich dem Thema zu nähern: „Es
ist schon irgendwie widersinnig. Der Ausbau geht zu schnell und wird zu
teuer und muss deshalb jetzt wieder gebremst werden Das versteht ja
kein Mensch. Weshalb ist das denn so?"
Welche
Frage zu welchem Thema, Rösler kennt nur eine Antwort, wie ein schlecht
programmierter Roboter, oder der, angeblich die menschliche Sprache
beherrschende, Hund in einem der Zeichtrickfilme Loriots, der auf jede
Frage des Reporters nur immer wieder mit einem heiseren Bellen
antwortet, was den Reporter schliesslich zu der Erkenntnis kommen lässt:
„Ich glaube ihr Hund kann gar nicht sprechen.“
So
antwortet Rösler auch hier wieder mit einer breiten Salve an Worthülsen
aus dem neoliberalen Propagandarepertoire der FDP-Boygroup: „Ein eher
planwirtschaftliches System, dass wir derzeit haben. Die Preise werden
festgelegt durch den Gesetzgeber und das führt natürlich zu Verzerrung.“
Und während der Zuschauer sich noch verwundert die Augen reibt und
sich fragt ob er irgendetwas verpasst hat, da seiner Erkenntnis nach,
die Stromanbieter doch die Preise diktieren, fügt Rösler fluchs noch,
wie ein Sektenmitglied nach der Gehirnwäsche, den einzigen Satz hinzu,
den er fehlerfrei auch nach einer feucht fröhlichen
FDP-Mitgliederversammlung sprechen kann: „Ich plädiere dafür, für mehr soziale Marktwirtschaft.“
Er
will dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht. Er nicht und seine
Freunde in der Energiewirtschaft wollen es noch viel weniger.
Gleichzeitig weiss er aber auch, dass seine Tage gezählt sind im
Ministerium in der FDP und überhaupt in der Politik. Deshalb, und weil
er, der eigentlich nichts gelernt hat, zum praktizieren als Arzt fehlt
ihm das abgebrochene Facharztstudium, anschliessend einen hochdotierten
Job braucht, drängt er aufs Tempo: „Wir brauchen deswegen eine
Reform des Erneuerbare Energiegesetzes und zwar möglichst bald, also
möglichst noch in dieser Legislaturperiode.“ Rösler muss sich noch
schnell nützlich machen im Dienste seiner Herren, nur so ist die Zukunft
gesichert. Die ehrenwerte Gesellschaft erwartet, dass man ihr einen
Gefallen tut.
Weil er diesen Gefallen noch schuldig
ist, antwortet er auch auf die Frage Meiers, ob es nicht zu einem
Konflikt mit Umweltminister Altmeyer kommen könne, da dieser eine
längerfristige Lösung im Einvernehmen mit der Opposition, in der
nächsten Legislaturperiode anstrebe, mit dem ewigen Mantra der FDP und
dem Synonym für Marktradikalisierung und Menschenverachtung, weg von der
Planwirtschaft, hin zur Marktwirtschaft: „Und deswegen ist es,
glaube ich, richtig, dass wir uns alle dransetzen und jetzt ein neues
System auf den Weg bringen, weg von der Planwirtschaft, hin zu mehr
sozialer Marktwirtschaft, wie sich das auch für uns gehört.“
Von
diesem einzigen aller Wege für jegliche Eventualitäten des Lebens,
ähnlich wie der Ratschlag des katholischen Geistlichen immer der gleiche
ist, tue Buße und bete, weicht Rösler nur ab, wenn seine Freunde aus
der Großindustrie drohen in Verruf zu geraten, und damit sind wir bei
dem oben angekündigten pharisäerhaftem Bruch des liberalen
Keuschheitsgelübdes. Auf die Frage, warum denn die stromintensive
Industrie nur 0,3% der Energie bezahle, obwohl sie doch 18% der Energie
verbrauche, antwortet Rösler mit gespielter Entrüstung: „.. ich bin
es im wahrsten Sinne des Wortes leid, dass man sich immer dafür
entschuldigen muss, wenn man sich stark macht für Arbeitsplätze." Anschliessend hält er dann noch ein kleines Referat unter dem Titel Ökonomie für Gehirnamputierte: „Bei
der Frage Energiepreise für die Industrie geht es auch um die
Wettbewerbsfähigkeit, also ganz konkret um Wachstum und Beschäftigung,
um Jobs für die Menschen. Und wir müssen immer sehen, unsere deutsche
Wirtschaft steht in Konkurenz auch mit den europäischen Nachbarn und da
spielt die Energie und die Energiepreise eine grosse Rolle."
Meiers
letzter Versuch Rösler ausser seiner Schwüre für die Marktwirtschaft
etwas verwertbares zu entringen, scheitert ebenso kläglich wie alle
vorherigen: „Wie wollen sie denn gerade die Geringverdiener
entlasten, denn die sind es ja die Mehrkosten von 80 - 90 - 100 oder gar
mehreren Hundert Euro gar nicht tragen können?“
Pah, Geringverdiener, das ist nicht eben die Klientel mit der ein Rösler sich befasst: „Wir
müssen alle gleichermassen entlasten. 80 Millionen Menschen also 40
Millionen Haushalte, aber auch 4 Millionen gerade mittelständige
Unternehmen.“ Letztendlich schafft er aber auch hier wieder vom
eigentlichen Thema abzulenken und seinen Glaubenssatz zum gefühlt
hundertstem Mal herunterzuleiern: „…aber wenn er kommt (der Ausbau
der erneuerbaren Energien, d. Verf.), dann muss er wirtschaftlich sein
und es ist bekanntermassen das wirtschaftlichste System, ein System der
sozialen Marktwirtschaft.“
Es ist, wie gesagt,
oftmals von grossem Nutzen, aufmerksam, oft sinnlos erscheinende
Fernsehinterviews zu verfolgen. In diesem Falle hat es, abseits des
eigentlichen Themas, das Bild eines inkompetenten, menschenverachtenden,
karrieresüchtigen Bundeswirtschaftsministers gezeichnet. Sicher von der
ARD nicht so gewollt, war es doch mehr ein Selbstportrait des Herrn
Rösler.
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