Donnerstag, 2. August 2012

Wolfgang Bosbach (CDU) im ARD-Morgenmagazin: Ökonomischer Analphabeth, oder böser Demagoge

 Während die ganze Welt sich grösste Sorgen um die Wirtschaft macht, während die Eurokrise mittlerweile droht, auch die USA mit in den Abgrund zu reissen, während die Zeichen auf allen Märkten auf eine Rezession hindeuten und selbst die Staaten mit boomenden Volkswirtschaften, wie Brasilien, Indien und nicht zuletzt China die europäischen Politiker drängen, nun endlich ihre Hausaufgaben zu machen, während der überwiegende Teil der europäischen Politiker und die EZB nun endlich mit einer grossen Kraftanstrengung die Spekulation gegen die Eurozone beenden und die Währung stabilisieren will, üben sich führende deutsche Politiker weiterhin im schulmeistern.

 Vielleicht liegt dieser Hang zur Besserwisserei und der Glaube an das Prinzip von Belohnung und Bestrafung, sowie die Kontrollwut der konservativen Politiker in unserem Land, an der sicherlich stockkonservativen Erziehung im Elternhaus, in dem vor allen Dingen abgestraft wurde, vielleicht ist der, in diesen Kreisen immer noch sehr präsente Satz: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen,“ oder einfach nur blanker Populismus die Triebfeder für das grandiose Versagen des von Deutschland dominierten Europas in der Finanzkrise.

 Der deutsche Michel neigt dazu, alles aus seiner Sparbuch- und Häuslebaumentalität heraus zu betrachten und ausserdem lebt er in der ständigen Angst, irgendwelche dunklen, ausländischen Mächte könnten sich über seine sauer erarbeiteten Spargroschen hermachen. Diese dunklen Ängste bedienen konservative Politiker zu gern. Das geht dann bis zum blanken Nationalismus. Das dabei schon mal einiges durcheinander gerät, Äpfel mit Birnen verglichen werden und Tatsachen einfach umgedeutet werden, darüber legte Wolfgang Bosbach (CDU) und Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestags im ARD-Morgenmagazin ein beredtes Zeugnis ab.

 Die Mischung aus Unwissenheit, Halbwahrheiten und penetrantem Besserwissen beginnt gleich in einem der ersten Sätze, der schon wie ein Resümee des gesamten Interviews klingt.

 „Am einfachsten machen es sich diejenigen, die glauben, dass man mit immer höheren, mit immer neuen Schulden eine Staatsschuldenkrise wirklich bekämpfen könnte.“

 Hier irrt Bosbach gleich mehrfach. Zum ersten handelt es sich bei der Eurokrise nur sehr eingeschränkt um eine Staatsschuldenkrise. Das mag vielleicht für den Sonderfall Griechenland zutreffen, aber ganz gewiss nicht für Spanien mit einer Verschuldung in Prozent des BIP von:
2009: 53,1%;  2010: 60,0%;  2011: 68,7%%;

 oder Portugal:
2008: 66,4%;  2009: 76,8%;  2010: 92,9%;  2011: 102,2%;  2012*: 111,0%;

schon eher für Italien:
2008: 105,5%;  2009: 115,8%;  2010: %;  2011: 120,1%;  2012: 123,5%.

Aber ein Vergleich mit Japan
2009: 194,1%;  2010: 200,0%;  2011: 211,7%;  2012: 219,1%,

zeigt, dass diese Zahlen keineswegs dramatisch sind. Übrigens steht auch die Bundesrepublik, die sich ja zum Zuchtmeister ganz Europas aufspielt nicht besser da:
2009: 73,5%;  2010: 83,2%;  2011: 81,7%;  2012: 81,2%.

Im übrigen zeigt sich bei allen betrachteten Ländern, dass die Verschuldung erst mit der Bankenkrise 2008 - 2009 dramatisch nach oben ging.

 Es handelt sich also eben nicht um eine Staatsschuldenkrise, sondern dagegen ganz eindeutig um eine Krise, hervorgerufen durch Wetten gegen einzelne Länder, wie Spanien, Italien oder Portugal. Bei dem Schutzwall, den die EZB gegen diese Spekulationen errichten will, geht es sich keineswegs darum neue Schulden zu machen, sondern um ein klares Zeichen an die Spekulanten weltweit: „Versucht erst gar nicht gegen ein Land der Eurozone zu spekulieren. Egal wieviel ihr einsetzt, wir halten dagegen. Ihr könnt nur verlieren.“

 Hätte Merkel nicht monatelang taktiert, laviert und die eiserne Lady gegeben, sondern gleich alle Kräfte gesammelt und schon bei den ersten Anzeichen der Wetten gegen Griechenland, solch ein Zeichen gesetzt, uns allen wäre viel erspart geblieben und man hätte viel Geld gespart.

 Danach geht Bosbach gleich zum Angriff über. Er weiss natürlich was zu tun ist und er weiss auch, dass nur mit Zucht und Ordnung dem alten Schlendrian der Mittelmeerstaaten zu begegnen ist, so als sei der italienische Ministerpräsident Mario Monti, ein in der Wolle gefärbter neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler, ehemaliger europäischer Kommissar für Wettbewrb von 1999 bis 2004 und Berater von Goldman Sachs, ein gewissenloser Halodrie.

„Die Alternativen sind konsilidieren und auch reformieren. Denn in dem Moment, wenn zum Beispiel die europäische Zentralbank wiederum beschliesst neben den 211 Milliarden Staatsanleihen, die sie bereits aufgekauft hat, in grösserem Umfange wiederum Staatsanleihen aufzukaufen, sinkt auch der Reformdruck in den Ländern, die hoch verschuldet sind."

 Natürlich muss konsolidiert und reformiert werden. Aber erstens nicht so wie Bosbach sich das vorstellt, indem man auf der Ausgabenseite die Daumenschrauben für die breite Bevölkerung immer weiter anzieht, indem man liberalisiert, privatisiert und entsolidarisiert, sondern die Einnahmenseite verbessert, indem man die Leistungsstarken mehr an der Finanzierung der Staaten beteiligt, durch höhere Einkommenssteuern für gut Verdienende, durch Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern Kapitalertragssteuern und dadurch, dass man eine effektive Finanzverwaltung schafft, die darüber wacht, dass diese Steuern auch gezahlt werden.

 Aber hier und heute geht es zunächst einmal darum der Spekulation zu begegnen. Bis Konsolidierung und Reformierung greifen, sind Länder wie Italien und Spanien bei Zinssätzen von über sieben Prozent und mehr, längst Pleite. Entweder ist Bosbach intellektuell nicht in der Lage, das zu begreifen, oder er versucht ganz einfach hier mit Stammtischparolen Wählerstimmen zu gewinnen.

 Und jetzt wird es ärgerlich, wenn Bosbach behauptet: „Wenn man sich einemal die Zinsen ansieht, die vor der Einführung des Euro gezahlt wurden, die waren wesentlich höher,“ dann lässt er zwei Tatsachen ausser Acht. Zum einen muss man von den zu zahlenden Zinsen immer die Inflationsrate abziehen, und die war vor der Euroeinführung in den meisten Ländern wesentlich höher als heute und zum zweiten ist die Staatsverschuldung in den letzten Jahren durch die Niedrigbesteuerung und vor allem die Bankenrettung so extrem stark angestiegen, das die Zinssummen die zu zahlen sind, weitaus grösser sind als vor 2001.

 Gleich darauf lässt der gestrenge Herr Oberlehrer wieder demn Schlagstock auf die Mittelmeerländer niedersausen: „Und wenn wir jetzt den Zinsdruck nehmen, dann lässt doch auch die Reformbereitschaft nach!“ So als hätten diese Länder keine frei gewählten Parlamente, keine Regierungen, bestimmt der reiche Onkel aus Deutschland, Wolfgang Bosbach, diktatorisch über das Verhalten ganzer Volkswirtschaften.

 Auf die Frage warum denn nicht die EZB den Staaten das Geld direkt leiht, sondern über den Umweg über die Banken, die das Geld von der EZB für 0,75% bekommen und es für 7% weitergeben, fällt Bosbach nicht wirklich etwas ein: „Genau das ist nicht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank. Sie hat gerade nicht die Aufgabe die Staaten zu finanzieren!“ Sinnentleerte Floskeln und Formeln, wo Argumentation gefragt wäre. Bosbach antwortet auf die Frage warum, mit darum.

 Und nun kommt, was bei solchen Gesprächen immer kommt. Jetzt wird mit der Angst der Menschen vor der Inflation gespielt: „Die Inflation ist auch eine Gefahr und insbesondere eine Gefahr für den viel zitierten kleinen Mann. Das ist die kalte Enteignung.“

 Neben dieser bösen Art und Weise, zur Durchsetzung ganz anderer Interessen, mit der Angst der Oma um ihr Erspartes zu spielen, bleibt Bosbach jede Erklärung schuldig, warum direkt an die Staaten gezahltes Geld Inflation bedeutet, während dies, wenn die gleiche Summe, nur zu einem Vielfachen des EZB-Zinssatzes von Banken ausgezahlt wird, nicht der Fall ist. Auch verschweigt Bosbach, dass nicht etwa die Geldmengenvergrösserung zu Inflation führt, sondern eine überhitzte Konjunktur, in der Angebot und Nachfrage nicht mehr im Gleichgewicht sind. Davon kann aber im Moment überhaupt keine Rede sein. Die Weltwirtschaft steht eher am Anfang einer Rezession.

 Bleibt man also weiter bei dem Bild des gestrengen Lehrers und des dummen, renitenten Schülers, so bleibt nur ein Urteil: Bosbach, sechs! Setzen!"

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