Montag, 24. September 2012

Ein Europa der Menschen nicht der Bürokratie und des Kapitals

 Helmut Schmidt hat am Samstag in Münster den Preis des Westfälischen Friedens erhalten. Und er hat uns, aber vor allen Dingen den Eliten ins Gewissen geredet. Schmidt wörtlich: „Man muss deshalb eine Möglichkeit heute deutlich aussprechen: Die Europäische Uni­on kann durchaus scheitern. Sie könnte durchaus auch an den Deutschen scheitern! Denn zur großen Überraschung vieler Deutschen erweist sich die Bundesrepublik als die ökonomisch stärkste Macht des Kontinents. Und sie lässt das die anderen Mitgliedsstaaten spüren! Das deutsche Bundesverfassungsgericht, die Bundesbank und vorher schon Bundeskanzlerin Merkel gerieren sich als das Zentrum Europas.“

 In einer Gemeinschaft, in der es nur noch um Rettungsschirme um das Aushandeln von Hilfe und Unterstützung wie auf einem Basar geht, in der eine grossartige Idee, die Idee des vereinten Europas auf eine Wirtschafts- Währungs- und Finanzunion reduziert wird, da kommen nationale Egoismen wieder auf. Da werden aus den Griechen schon mal die faulen Griechen, da werden aus den Südländern schon mal Schuldenstaaten, denen es an Seriosität fehlt. Da werden aber nicht nur Staaten diskriminiert, sondern es werden die Menschen beleidigt, beschimpft, verunglimpft und pauschal verurteilt.

 Europa driftet zusehends auseinander, statt enger zusammen zu wachsen. Schon sind wir wieder so weit, dass ein Jungpolitiker aus Bayern an einer ganzen Nation, einem ganzen Volk, ohne die Unterschiede der Menschen zu achten, ein Exempel statuieren will. Dieser Satz steht noch heute unwidersprochen im Raum. Kanzlerin Merkel sah sich bis heute nicht genötigt diesen Chauvinismus zurecht zu rücken. Sie sieht wahrscheinlich keinen Grund dazu, ist sie doch angetreten, Europa zu dominieren, so wie sie die deutsche Politik dominiert mit ihren Alternativlosigkeiten.

 Tief verwurzelt in den Strukturn der alten DDR ist ihr demokratisches Handeln absolut fremd. Ihr Credo ist das Mittelmass. Sie fühlt sich am wohlsten bei den Brüsseler Bürokraten, die gesichtslos ein Europa der Akten verwalten. Diese Apparatschiks, die ihr freie Hand lassen bei ihrer Machtergreifung der kreativlosen Mittelmässigkeit. Mit einem Europa der Menschen kann Merkel nichts anfangen. Sie nutzt die deutsche Wirtschaftskraft rigoros aus, um sich die andern Staaten gefügig zu machen.

 Und wir stehen dabei, sehen zu, und klatschen Beilall. Gefangen in den alten nationalistischen Denkschemen verurteilen wir Griechen, Italiener, Spanier und schwingen uns auf, ihnen Vorschriften zu machen. Es kommt uns gar nicht in den Sinn, die Grenzen in unseren Hirnen niederzureissen, so wie es einst die Jugendlichen taten mit den Schlagbäumen zwischen den europäischen Staaten. Die deutschen Arbeitnehmer  haben doch viel mehr deckungsgleiche Interessen mit griechischen, italienischen, spanischen oder portugiesichen Arbeitnehmern, als mit dem Bankdirektor, dem Unternehmer, Finanzjongleur ein paar Strassen weiter.

 Als Volk der Deutschen, teilen wir vielleicht eine gemeinsame Geschichte, eine gemeinsame Sprache aber wir haben doch nicht automatisch die gleichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen, nur weil wir zufällig in, irgend wann einmal, völlig willkürlich festgelegten, Grenzen leben.

 Wenn die Arbeitnehmer Europas sich zurück in die engen nationalistischen Grenzen des Denkens drängen lassen, wenn sie sich auseinander drängen lassen, dann werden sie sich eines Tages auch wieder aufeinander hetzen lassen. Man wird sie gegeneinander ausspielen, um sie besser ausnutzen zu können. So wie heute in Deutschland die Löhne durch die Drohung von Hartz IV, Minijobs und Zeitarbeit gedrückt werden, so werden in Zukunft unsere Löhne in Mitteleuropa durch Billiglöhne in Südeuropa gedrückt werden.

 Erste Anstrengungen Sonderwirtschaftszonen in Griechenland einzurichten, sind bereits im Gange. Dort herrscht dann Kapitalismus pur. Rechtlose Arbeitnehmer werden zu Hungerlöhnen, ohne soziale Absicherung als Tagelöhner beschäftigt. Steuer- und abgabenfrei werden dort Waren zu konkurenzlos günstigen Preisen produziert.

 Gerade für die abhängig Beschäftigten ist ein einiges Europa daher so wichtig. Ein Europa, das nur durch gegenseitige Solidarität entstehen kann. Ein Europa, Helmut Schmidt hat es gesagt, das von uns Deutschen Opfer verlangt. Wir, die Menschen müssen Europa gestalten. Europa ist viel zu wichtig um es den Politikern wie Merkel, Schäuble, Westerwelle oder bayrischen Wirtshauspolitikern wie Markus Söder zu überlassen.

 Machen wir uns nichts vor, die Wirtschaft ist längst international. Die grossen Bosse, die Kapitalgeber, die Shareholder, sie interessiert nicht, ob morgen das deutscheste aller deutschen Autos, der Mercedes in Stuttgart, Palermo, Tessaloniki, Kairo, Rio de Janeiro oder Shanghai zusammengeschraubt wird. 18,9% an der daimler Benz AG gehören den Scheichs in Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Denen ist es völlig egal, wo und wie ihre Dividende erwirtschaftet wird.

 Die deutscheste aller Banken, die Deutsche Bank, wurde jahrelang von einem Schweizer Vorstandsvorsitzenden kontrolliert und hat jetzt einen Inder zu dessen Nachfolger bestimmt. Diese Leute haben keinerlei emotionale Bindung an Deutschland. Wenn es ihnen eines Tages opportun erscheint, dann verlassen sie den Standpunkt Deutschland. Das Kapital ist auf der ganzen Welt zu Haus.

 Die Kräfte der Wirtschaft werden keine Rücksicht nehmen auf die fleissigen Deutschen. Sie werden kühl abwägen, wo sind die grössten Märkte, wo sind die niedrigsten Löhne zu zahlen, die wenigsten Sozialabgaben und die geringsten moralischen Einschränkungen. Dem begegnen können die abhängig Beschäftigten nur, wenn sie genau so international agieren. Wenn sie sich als Einheit sehen, nicht als Deutsche, Italiener, Franzosen oder Polen, sondern als europäische Arbeitnehmer und Bürger. Wir Deutsche müssen uns überlegen, ob wir weiterhin auf Kosten der Anderen, Exportweltmeister sein wollen, oder ob wir zu unserem eigenen Schutz die Menschen in den anderen Ländern als unsere Partner anerkennen wollen, die mit uns, vor allem sozial, auf einer Stufe stehen.

 Wer den griechischen Arbeitnehmern heute das Recht abspricht in Würde seiner Arbeit nachzugehen mit einer gerechten Entlohnung und ohne Angst um die eigene Existenz, den wird es morgen genau so treffen. Man wird ihm die Löhne kürzen, die Rente streichen, eine vernüntige ärztliche Betreuung absprechen und den Kindern eine vernünftige Bildung verweigern.

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