Sonntag, 2. Dezember 2012

Das Primat der Gewinnmaximierung führt zu immer mehr Murks bei technischen Innovationen

 Die Einführung der LKW-Maut vor ein paar Jahren, die Airbus A 380-Pleite, Probleme bei den ICE-Zügen, wie defekte Radreifen, nicht funktionierende Klimaanlagen, das Drama um den neuen Berliner Grossflughafen Tempelhof, die verspätete Auslieferung neuer ICE-Züge durch Siemens, immer wieder Rückrufaktionen auch bei deutschen PKW, selbst bei den Edelmarken Mecedes, BMW und Porsche, man könnte die Aufreihung von Pleiten Pech und Pannen fast enlos fortführen.

 Deutsche Wertarbeit, "Made in Germany" als Verkaufsargument? Das war einmal. Woher kommt die Häufung solcher Pannen in den letzten Jahren? Sicher hat jede Fehlleistung vordergründig ihren eigenen Anlass. Dabei haben alle Pleiten aber einen tieferen Grund, den Fehler im System. Technische Innovationen sind heute ergebnisorientiert. Es ist nicht mehr so, dass Ingeneure ein neues, innovatives Projekt zur Serienreife bringen, bevor es verkauft wird. Heute zäumt man das Pferd von hinten auf.

 Kaufleute handeln ein Produkt aus, Funktionen, Lebenszeit, Preis, Liefertermin und vor allem Rendite werden zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelt. Sind die Eckpunkte ausgehandelt, die Verträge unterzeichnet, machen sich die Ingeneure und Techniker an die Arbeit. Sie bekommen ein fertiges Profil des Produktes und müssen dieses nun konstruieren. Dabei stehen sie zumeist unter erheblichem Kosten- und Zeitdruck.

 Die Käufer als auch die Verkäufer sind oftmals branchenferne Kapitalinvestoren oder börsennotierte Unternehmen. Sie haben am Produkt an sich keinerlei Interesse. Was kümmert einen Festlandchinesen, einen US-Milliardär oder russischen Oligarchen wieviel einzelne Kabel ein Kabelbaum im Airbus A 380 hat, oder wie bruchsicher der Radreifen eines deutschen ICE-Zuges ist? Diese Leute sind am schnellen Profit interessiert. An der Börse reicht oftmals schon die Nachricht über einen Vertragsabschluss um eine Aktie von einem Tag auf den anderen um mehr als zehn Prozent steigen zu lassen.

 Was in diesem Vertrag festgehalten ist, wie die einzelnen Konditionen sind und ob ein vermeldeter Liefertermin überhaupt realistisch ist, ist für die Investoren völlig irrelevant. Für sie gibt es nur gute und schlechte Prognosen und ein Vertragsabschluss über einige Milliarden Euro ist eine gute Prognose. Werden dann die Lieferverzögerungen, die Rückrufaktionen oder die Fehler offenbar und publik, sind die Aktien längst abgestossen und die Gewinne eingestrichen. Nicht das neue Produkt, die Innovation schaffen den Mehrwert, sondern die Nachrichten darüber.

 Das Grundübel ist die Dominanz des kaufmännischen über das technische. Durch die festen Vorgaben, die in einem Vertrag über den Verkauf eines, bis dato nicht existierendes Produktes, mag es nun ein Auto, ein Flugzeug oder ein Flughafen sein, sind die eigentlichen Konstrukteure dieses Produktes die Kaufleute, nicht die Ingeneure. Bei der Komplexität der heutigen Technik sind Pannen praktisch systemimmanent.

 Wie kann der Preis eines noch zu erfindenden, zu kostruierenden Gerätes vernünftig kalkuliert werden? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Also wird ein Preis zwischen Käufer und Verkäufer ausgehandelt und die Techniker haben für diesen Preis zu liefern. Auch die Zeit, die es braucht um ein neues Auto, Flugzeug oder einen neuen Zug zu entwickeln, kann im vornherein nur sehr schwer kalkuliert werden. Hier gilt das gleiche Prinzip wie beim Preis, der Liefertermin wird ausgehandelt. Und da die Interessen von Käufer und Verkäufer unterschiedlich sind, gilt das Gesetz des Stärkeren.

 Auch beim Einkauf der notwendigen Fremdkomponenten eines Produktes bestimmen die Kaufleute über die Anforderungen der Techniker. Die Anforderungen an die zuzukaufenden Teile werden auf ein Minimum reduziert, um Kosten zu sparen. Nicht die Sicht der Ingeneure, die immer eine gewisse Sicherheitsreserve in ihre Anforderungen mit einbeziehen ist ausschlaggebend, sondern das Gewinnstreben der Kaufleute. Das hat natürlich zur Folge, dass alle Einzelteile im Gebrauch an die Grenze ihrer Belastbarkeit kommen. Mit der Folge, dass wenn ein Teil bricht, es zu einer Kettenreaktion kommt, die sehr schnell zur Katastrophe führt.

 Dabei ist besonders ärgerlich, dass die Industrie bei öffentlichen Auftraggebern, Bund, Ländern oder Gemeinden, sich jeglicher Haftung entzieht. So hat das Verkehrsministerium die Milliardenverluste durch die um Jahre verzögerte LKW-Maut auf den Autobahnen, fast gänzlich allein getragen. Das Konsortium unter Führung der Siemens AG, dass für die Technik zur Erfassung der LKW zuständig war, hatte sich vertraglich jedwede Freistellung von Haftung zusichern lassen.

 Beim Anschluss der Offshore Windanlagen an das deutsche Stromnetz haften jetzt die privaten Verbraucher dafür, dass der Netzbetreiber die niederländische Tennet sich finanziell brutal verhoben hat. Sie ist absolut nicht in der Lage die Kosten für die teuren Seekabel aufzubringen. Es ist gerade so, als hätte der Bauherr eines hundert Meter hohen Hauses den Auftrag an einem Maurermeister mit zwei Gesellen vergeben, der nicht einmal in der Lage ist, den Beton für die Fundamente zu bezahlen.

 Das Prinzip der Gründerväter des industriellen Zeitalters, und damit des Fundamentes unseres Wohlstandes, das eine Erfindung durchkonstruiert und durch etliche Versuche und Testreihen zur Serienreife gebracht wird bevor es schliesslich und endlich auf den Markt kommt, ist von den Füssen auf den Kopf gestellt worden. Heute wird Alles den Gesetzen des Marktes untergeordnet, bis hin zu den Gesetzen der Physik. Eine Innovation wird verkauft und erst dann erdacht und konstruiert. Aber die Gesetze der Physik lassen sich nun einmal nicht durch den Turbokapitalismus ausser Kraft setzen. Das Scheitern ist vorprogrammiert.

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