Montag, 14. Januar 2013

Aus Afghanistan, Irak und Libyen nichts gelernt - Westen greift militärisch in Mali ein


„Wer Wind sät, wird Sturm ernten,“ sagt ein altes Sprichwort. Man kann auch sagen, Gewalt gebirt immer wieder neue Gewalt,. Wer versucht Konflikte durch Krieg oder kriegerische Handlungen zu lösen, der schafft damit unweigerlich neue, womöglich grössere Konflikte. Ein Beispiel für den Beweis dieser These sind die Nachrichten, die uns seit einigen Monaten aus Mali erreichen. Am Wochenende haben jetzt französische Kampfjets in den Konflikt zwischen Tuareg-Rebellen und islamistischen Kämpfern gegen malische Regierungstruppen eingegriffen.

 Mali ist ein Land in der Sahelzone. Es zählt zum französischen Einflussbereich in Westafrika. Es erstreckt sich über eine Fläche von1.240.192 qkm, zum grössten Teil Wüste.  Bei gut 14,5 Millionen Einwohnern kommen ganze 10 Menschen auf einen Quadratkilometer. Zum Vergleich: Deutschland hat mit 357.000 qkm nur etwas mehr als ein Drittel der Fläche Malis , aber mit knapp 82 Millionen Einwohnern fast sechsmal so viele Bürger wie Mali. Bei uns leben 229 Einwohnern pro qkm.

 Mali ist bitter arm. Fast  drei von vier Einwohner müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Dennoch hatte Mali von 1992 bis ins letzte Jahr eine durchweg funktionierende Demokratie, bis diese durch einen Militärputsch beseitigt wurde. Und noch etwas ist bemerkenswert, Mali gibt nur 1,9 % seines Bruttoinlandproduktes von 10,29 Milliarden Dollar aus. Die beiden grossen Nachbarn, Algerien und Mauretanien geben wesentlich mehr für Waffen aus. Algerien verwendet immerhin 3,3 % seines Bruttoinlandproduktes von über 260 Milliarden Dollar, und Mauretanien gar 5,5 % von den knapp 3 Milliarden Dollar Bruttoinlandsprodukt für ihr Militär..

 Mali hätte gut und gerne in Nordafrika zu dem werden können, zu was die Amerikaner den Irak des Saddam Hussein, durch Bomben und Raketen, machen wollten: Ein Leuchtturm von Demokratie und persönlicher Freiheit in einem Meer islamistischer Gewaltregime. Denn auch die Wirtschaft legte, nach einem bereits am Anfang des Jahrhunderts gestarteten, blutigem Versuch, den Norden des Landes vom Rest abzuspalten, jährlich zu. Dieser Umstand war nicht zuletzt dem indirekten Nachbarn, das Libyen des Muammar Gaddafi geschuldet.

 Gaddafi hatte in zähen Verhandlungen den ausbrechenden Bürgerkrieg und die Teilung des Landes verhindert, indem er den rebellierenden Tuareg in seiner Miliz in Libyen eine Verdienstmöglichkeit bot. Auch gingen viele Bürger Malis als Gastarbeiter nach Libyen. Sie alle schickten einen grossen Teil ihres Verdienstes nach Mali um ihre Familien zu unterstützen. Mit seinen Petrodollars war Gaddafi auch an verschiedenen Investitionen, nicht immer ganz ohne Eigennutz, beteiligt. Beispiel, das Malibya-Projekt.

 Dann beging Gaddafi den, in den Augen der westlichen Ölgesellschaften, tödlichen Fehler Er forderte  einen grösseren Anteil am Gewinn aus dem libyschen Öl. Hatten die USA und ihre europäischen Verbündeten den libyschen Diktator zuvor abwechselnd als Politclown, Islamisten oder Terrorristen bezeichnet, ihm hin und wieder seine Grenzen aufgezeigt, indem sie beispielsweise die einzige Düngemittelfabrik des Landes zerbombten und Libyen damit in eine Nahrungsmittelkrise stürzten, oder indem sie eine vollbesetzte libysche Passagiermaschine über dem perischen Golf durch Kampfjets abschossen, so hatte er mit dem Griff in die Taschen der internationalen Ölmultis den Bogen überspannt und wurde zum Abschuss freigegeben.

 Der vom US-amerlikanischen Multimilliardär Soros mit iniziierte, sogenannte arabische Frühling, bot dafür die beste Voraussetzung. Nach ersten friedlichen Demonstrationen in Libyen wurde die Opposition sehr schnell gewalttätig. Vom Westen und den mittelalterlichen Golfstaaten mit Waffen, Munition und Geheimdienstinformationen unterstützt hatten die Rebellen zu Anfang schnell einige Erfolge.

 Als sich aber das Blatt zu wenden drohte, erwirkten die Westmächte, indem sie über ihre wahren Ziele hinwegtäuschten, vom Weltsicherheitsrat eine militärisch durchzusetzende Flugverbotszone über Libyen. Der Rest ist Geschichte. Frankreich, Grossbrittannien, die USA, Quatar und noch einige andere westlich orientierte Staaten bombten Libyen in Schutt und Asche und jagten Gaddafi, bis sie ihn in einer menschenrechtswidrigen Aktion wie einen tollen Hund erschiessen liessen.

 Danach hatten sie das Interesse an Libyen und der ganzen Region verloren. Sie hatten was sie wollten, die grossen Städte im Norden des Landes, Tripolis und Bengasi. Sie hatten den Osten Libyens, die Kyrenaika, da wo das Öl im Boden liegt. Der Süden, die grossen Wüstenregionen des Landes, in denen es nichts zu holen gab, interressierte sie nicht. Deshalb wurden die dort lebenden Stämme auch nicht entwaffnet, genau wie die Tuarek aus dem Niger und aus Mali.

 Diese machten sich auf den Weg in ihre Heimat. Dabei bedienten sie sich aus den  Waffenkammern der Libyer und nahmen alles mit, was gut und teuer war. Mit Hilfe dieser Waffen zettelten sie einen neuerlichen Bürgerkrieg in Mali an, um im Norden des Landes ihren eigenen Staat, Azawad, zu gründen. Diesen Tuareg schlossen sich sehr schnell Kämpfer der Gruppe Ansar al Dine, der beiden Terrorgruppen Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqim) und der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mujao), sowie Mitgliedern der nigerianischen Islamistengruppe Boko Haram an und übernahmen die Macht. Sie errichteten im Nodrden Malis einen islamistischen Gottesstaat.

 Das hätte im Westen niemanden ernstlich interressiert. Schliesslich gibt es in der malischen Wüste nichts zu holen. Erst als die Rebellen sich aufmachten, den Süden des Landes ebenfalls ihrem Territorium einzuverlaiben wurden einige Nachbarn wach. Den Ausschlag für das Eingreifen der französischen Luftwaffe am Wochenende gab dann die dringliche Bitte des Präsidenten der Elfenbeinküste Quattara um französischen Beistand. Der von französischen Fallschirmjägern im Frühjahr 2011 zum Präsidenten eingesetzte Quattara, ein Duzfreund des damaligen französischen Staatspräsidenten Sarkozy, fürchtet, das die moslemische Bevölkerung im Norden seines Landes, dass eine lange Grenze mit Mali hat, sich von den Islamisten im Nachbarland zu einem eigenen bewaffneten Aufstand verleiten lassen könnte.

 Quattara ist nicht nur ein Kumpel von Sarkozy, der Trauzeuge bei Quattaras Hochzeit war, sondern ein ausgemachter Freund des Westens und der neoliberalenWirtschaftsordnung. So hat er beim IWF mehrere hohe Posten bekleidet. Er wurde gerade erst durch einen langen Bürgerkrieg und eine umstrittenen Wahl gegen seinen vorgänger Gbagbo vom Westen inthronisiert, um das westliche Afrika zu stabilisieren.

 So schliesst sich der Kreis. Begann die Vertreibung Gadaffis von der Macht und seine Ermordung mit dem Angriff französischer Kampfflugzeuge auf die, gegen Bengasi vorrückenden, libyschen Regierungstruppen, so sind es wieder französische Kampfflugzeuge, die einen schwer zu gewinnenden Krieg in Mali eingeleitet haben. Schon haben Grossbritanien die USA und unsere Regierung den Franzosen militärische Hilfe zugesagt.

 Die Natostaaten müssen nun ein Land aus den Händen islamistischer Gewalttäter „befreien“, dass sie mit dem Angriff auf Libyen höchst selbst destabilisiert haben. In der Folge werden andere Länder fallen. Die Dschihadisten ziehen weiter, wenn sie aus Mali vertrieben werden, und ihre Parolen fallen auf so fruchtbareren Boden desto mehr Länder vom Westen überfallen und besetzt werden. Wer Wind sät, der wird Sturm ernten.

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