Dienstag, 15. Januar 2013

Mit welchen Mitteln "Der Spiegel" Politik macht


 Journalisten sollen uns von der Welt berichten, sie sollen uns die Welt beschreiben, sie sollen sie kommentieren, aufdecken und kontrollieren. Was sie ganz sicher nicht sollen, ist selbst Politik machen. Der leider verstorbene ehemalige Tagesthemenmoderator, Hans-Joachim Friedrichs, hat einmal den Satz geprägt: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

 Für die jungen, forschen Karrierejournalisten gilt dieser Satz natürlich nicht. Sie müssen sich positionieren um aus der Masse der in Berlin versammelten Berichterstatter herauszuragen. Sie brauchen einen oder mehrere Mentoren, müssen sich in bestimmten Zirkeln integrieren um eines Tages, und das so schnell wie möglich, vom „Frontschwein“ zur „Edelfeder“ zu mutieren.

 Nicht die neutrale Berichterstattung, der ehrliche Kommentar sind gefragt. Nur eine klare Positionierung hilft der Karriere auf die Füsse. Einer dieser flinken Schreiberlinge ist der Spiegelredakteur Markus Deggerich. Sein Spezialgebiet ist die Stigmatisierung der Partei "Die Linke", und hier besonders deren linker Flügel.

 Im Herbst stehen Bundestagswahlen an und davor, am nächsten Sonntag wird in Niedersachsen ein neues Landesparlament gewählt. Und hier hat die neueste Umfrage der INFO GmbH im Auftrag des Focus, der bereits totgeglaubten Linken 6 % vohergesagt. Nun war bis hierher alles so schön eingefädelt, die SPD schwächelte wie erwartet unter dem, ihr von Spiegel, Stern, FAZ, Bild und Welt aufgeschwatzten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Sollte die FDP im Landtag bleiben, könnte die jetzige CDU - FDP- Koalition fortgesetzt werden, wenn nicht bliebe nur die von der Presse favorisierte große Koalition. Kommt die Linke wider erwarten in den Landtag droht eine Rot-Rot-Grüne-Koalition.

 Von den grossen Mainstreammedien bis hinunter ins journalistische Jammertal der Provinzblätter wird zur Jagd geblasen. Das ist die grosse Stunde des Markus Deggerich vom Spiegel. Ziel seiner rüden Attacken ist Sahra Wagenknecht. Sie ist die Frau bei der Linken, die nicht nur einen vergleichsweise hohen Sympathiewert  in der Bevölkerung hat, sie kann auch Politik erklären und wurde daher von den Niedersachsen zum Zugpferd im dortigen Wahlkampf erkoren.

 Bei Deggerich liest sich das dann so: „Sahra überlebensgroß, 220-mal in ganz Niedersachsen, das neue Pin-up der Linken.“ Deggerich weiß natürlich dass die Leser bei den Worten Pin-up, diese sofort mit dem etwas verruchten, unseriösem Begriff Pin-up-Girl assoziieren. Diesen Ruch des unseriösen, des unwahrhaften, versucht Deggerich zu verstärken, indem er wenig später schreibt: „Wagenknecht inszeniert sich als bürgerlich angehauchte Wiedergeburt der Ur-Kommunistin Rosa Luxemburg - vor der man aber keine Angst haben müsse.“ Er belegt diese Behauptung nicht. Er setzt nur verbale Duftmarken. Sich inszenieren bedeutet der Umwelt etwas voruzumachen was man gar nicht ist. Verschleierung der wahren Absichten suggeriert auch die „bürgerlich angehauchte Ur-Kommunistin“

 Deggerich bemüht sich Politik zu machen ohne politisch zu argumentieren. Er hält sich lieber an die schreibweisen der Yellopress und der Bildzeitung. Andeutungen, Unterstellungen, geschickt so verpackt, dass den Lesern wage Vermutungen oder Verleumdungen als Wahrheiten daherkommen. Um Wagenknecht auch nur den leisesten Hauch von Seriosität abzusprechen, zitiert er, natürlich ohne Namensnennung, so vermeidet man Gegendarstellungen, einen „mächtigen Linken“: Sahra geht es weniger um Hammer und Sichel, sondern um Hummer und Picheln.“ Eine Verleumdung wird in die Welt gesetzt, für die der Schreiber aber keine Verantwortung trägt, weil er ja nur einen, den Lesern Unbekannten zitiert.

 Um den Eindruck der, dem süssen Leben zugetanen „Ur-Kommunistin“ zu verstärken, fügt er einen, nur auf den ersten Blick, wertfreien Tatsachensatz unkommentiert hinzu: „Skiferien macht sie gern im mondänen Zermatt in der Schweiz.“ Aber auch hier werden geschickt Reizworte gesetzt.. „mondänen Zermatt“, „in der Schweiz“. Das schafft Empörung: „Da sieht man es ja wieder , uns predigt sie kommunistische Gleichmacherei und selbst macht sie mit den Reichen und Schönen rum!“

 Danach muß Sahra Wagenknecht uns den Steinbrück machen. Als sie zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, "war eine ihrer ersten Maßnahmen, sich einen weiteren Dienstwagen genehmigen zu lassen.“ „Und auch mit der Transparenz nahm sie es nicht so genau: Erst als die Debatte um die Honorare von Peer Steinbrück begann, bat Wagenknecht mehrere Verlage, ihre Buchhonorare veröffentlichen zu dürfen,“ was Steinbrück ja bis heute ablehnt.

 Auch mit der Präsenz im Bundestag nehme es Wagenknecht nicht so genau ätzt Deggerich weiter: „Jede Sitzungswoche schickt die Fraktionspressestelle zwei bis drei Presseerklärungen im Namen von Wagenknecht raus - das steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu Wagenknechts Präsenz in Sitzungen.“ Das tägliche Klein-Klein, die mühevolle Kleinarbeit der Abgeordneten des Bundestages, so will Deggerich uns weismachen, ist die Sache Wagenknechts nicht: „Stattdessen düst sie im Dienstwagen durchs Land als Liebling der Talkshows und Feuilletons.“

 Was jetzt noch fehlt , ist die DDR-Vergangenheit des „dunkelroten Betonkopfes“ Wagenknecht. Minizitate, vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen, von der Mauer als „notwendiges Übel“ und der DDR als einen „besseren Staat als die BRD“, lässt Deggerich vom ehemaligen Chef der PDS, Lothar Bisky, den er im Eifer des Gefechts einfach mal zum ehemaligen Chef der Linken macht, ins rechte Licht rücken: „Im Kern ist sie immer noch dieselbe“, so Bisky gegnüber Vertrauten.“

 Wieder einer dieser geschickten Formulierungen. Es genügt Deggerich nicht, Bisky zu zitieren. Durch den Zusatz „so Bisky gegenüber Vertrauten“, macht Deggerich sich selbst zu einem intimen Kenner und Mitwisser der geheimsten Interna der Linken und verstärkt gleichzeitig den Eindruck absoluter Glaugwürdigkeit: „Wenn der Bisky dass doch unter Vertrauten geäussert hat, dann muss das doch stimmen.“

 Wer sich jetzt wundert, dass bisher hier nicht über politische Aussagen Wagenknechts debattiert wurde, wer wissen will, wie Deggerich sich in dem Artikel des Spiegels, Nr. 3 vom 14.1. 13 „Süße Katja gegen rote Sahra“, zu den Themen, für die Wagenknecht steht äussert, dem sei gesagt, dass Politik in dem drei Seiten langen Artikel nicht vorkommt.

 Deggerich ist auch gar nicht darauf aus, sich politisch mit den Themen der Sahra Wagenknecht auseinander zu setzen. Erwill nicht über Politik diskutieren, er will Politik machen. Und die macht er auf seine Weise. Er diffamiert, suggeriert und bedient die tiefsitzende Angst der Deutschen vor den Kommunisten, noch dazu vor den weiblichen.

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