Sonntag, 20. Januar 2013

Lobbyarbeit at its best, die Thelen-Consult

 Eine Lobbyagentur, für die selbst Bundeskanzlerin Merkel und Aussenminister Westerwelle höchstpersönlich Werbung machen, was kann man sich mehr wünschen, um die eigenen Interressen an allen demokratischen Verfassungsorganen vorbei, durchzusetzen?

 In Berlin Mitte, in der Marienstrasse 24, praktisch in Sichtweite des Reichstagsgebäudes und des Bundeskanzleramtes residiert die Thelen Consult. Aber auch das Paul-Löbe-Haus und das Jakob Kaiser Haus sind fußläufig zu erreichen. Dass ist für die Thelen-Consult besonders wichtig, denn hier befinden sich die meisten der Abgeordnetenbüros. Der kurze Weg zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist für eine der einflußreichsten Lobbyorganisationen, besonders wichtig.

Ohne Umschweife kommt man auf der eigenen Internetseite dann auch umgehend und unverblümt zur Sache: „Thelen-Consult verschafft Ihnen auf höchster Ebene Gehör, wenn auf der unteren Ebene die Bürokratie versagt.“ Will sagen, wenn sie mit ihrem Anliegen nicht weiter kommen, weil Beamte sich an Gesetze und Verordnungen halten müssen, dann kommen sie zu uns, wir setzen da an, wo Gesetze und Verordnungen in ihrem Sinne gemacht werden können.

 Genau in diesem Sinn wird fortgefahren: „Viele bürokratische Hindernisse lassen sich überwinden, indem wir uns an entscheidender Stelle für ein besseres Verständnis der unternehmerischen Belange einsetzen“. Gleiches Recht für alle? Drauf geschissen! Einfluss, Geld und Beziehungen, damit lässt sich jedes Recht kaufen oder beugen.

 Thelen-Consult ist praktisch die One-Man-Show des Journalisten Dr. Friedrich Thelen. Der war dreißig Jahre in beiden deutschen Hauptstädten, Bonn und Berlin, tätig. Zuletzt, jahrelang als Leiter der Parlamentsredaktion  des Magazins „Wirtschaftswoche“.  Ein unermüdlicher Strippenzieher, Netzwerker und Liebesdiener bei den Mächtigen des Bonner und Berliner Politikbetriebes. Seine verbindliche, joviale Art, in der er auf N24 "Klartext" spricht, sollte aber niemanden darüber hinwegtäuschen, dass er ein beinharter Konservativer und Ordoliberaler ist.

 Thelen ist Mitglied in mehreren dieser undemokratischen Altherrenbünde, die ohne jede Legitimation hinter verschlossenen Türen hohe Politik betreiben und wie die „Alten Herren“ bei den Studentenbünden aus karrieregeilen Jungakademikern angepasste, konservative Anwärter auf hohe Posten in Politik, Verwaltung und Wirtschaft formen.

 Thelen gehört der Atlantikbrücke und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) an. Beide sind angeblich parteipolitisch neutral, haben aber eine eher konservative Sicht auf die Welt. Die Mitglieder sind bei beiden fast identisch. Während allerdings die Atlantikbrücke, zumindest offiziell, ausschliesslich privat finanziert wird, und öffentlich keinerlei Angaben über ihre Förderer macht, gibt die DGAP offen Auskunft über die Geldgeber. Die Liste reicht von einflussreichen Stiftungen, wie
  • die BMW-Stiftung, 
  • die Robert Bosch-Stiftung, 
  • die Fritz Thyssen-Stiftung und 
  • die Alfred-Freiherr-zu-Oppenheim-Stiftung
über den
  • Rüstungskonzern EADS, 
  • die Daimler AG, 
  • Shell Deutschland, 
  • die unvermeitliche Deutsche Bank,
Verbände wie  
  • Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) 
  • Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. (BGA) 
  • Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA),
 halbamtliche Institutionen wie die  
  • Kreditanstalt für Wiederaufbau, 
  • die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) 
bis hin zum
  • Auswärtigen Amt
dem die DGAP im letzten Jahr immerhin 100.000 Euro wert war.

 Hier werden die Kontakte geknüpft und gepflegt, die zum Schaden der Allgemeinheit, nur bestimmten persönlichen, finanziellen Interessen einer kleinen wohlhabenden Minderheit nützlich sind.

 Weiterhin ist Thelen Mitglied des Tönnissteiner Kreises, der die Förderung und Protegierung deutscher Jungakademiker für den Auslandsdienst auf seine Fahnen geschrieben hat. Die Aufnahmekriterien um in diesen erlauchten Kreis aufgenommen zu werden, sind anspruchsvoll. Nicht nur, dass die Bewerber unter 35 Jahre alt sein, in dieser Zeit aber mindestens zweimal, für mindestens je ein Jahr, in verschiedensprachigen Ländern gewesen sein, überdurchschnittliche akademische Abschlüsse vorweisen müssen, sie benötigen auch mindestens eine Empfehlung eines Mitgliedes oder eines Förderers des Tönnisberger Kreises. Die richtige politische Gesinnung muss eben neben allen fachlichen Qualifikationen gewährleistet sein. Der Hintergrund muss eben auch passen.

 Diese Förderer,
  • der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. BDI, 
  • die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. BDA, 
  • der Deutsche Akademischer Austausch Dienst DAAD,  
  • der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e.V. DIHK, und 
  • der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
 sind auch zugleich die Geldgeber der Stiftung Tönnisberger Kreis.

 Hier treffen wir auch wieder auf alte Bekannte, die auch die DGAP finanziell unterstützen.
  •  Die Robert Bosch Stiftung, 
  • das Auswärtiges Amt, 
  • die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH GIZ , 
  • die BMW Stiftung Herbert Quandt- und 
  • die Mercator Stiftung.

 Jungen Karrieristen, die vom Tönnisberger Kreis gefördert werden und hier ihre ersten Verbindungen für ihre eigenen Netzwerke knüpfen, steht die ganze Welt, sowohl im gehobenen öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Und da man sich ja bekanntlich im Leben immer zweimal begegnet, können die Förderer davon ausgehen, irgendwann auch einmal Nutzen aus den alten Verbindungen zu ziehen. So wäscht eine Hand die andere, ohne sich nass zu machen.

 Der „Kreis Mars und Merkur“ dem Thelen ebenfalls angehört ist eine ausgesprochen verschwiegene Gemeinschaft, die der Verbindung von Offizieren der Bundeswehr mit der Wirtschaft dient. Offizieren soll wohl nach ihrer militärischen Karriere ein Einstieg auf möglichst hoher Stufe in der Privatwirtschaft ermöglicht werden. Bei der Namensfindung hat anscheinend die römische Mythologie Pate gestanden. Mars der Gott des Krieges und Merkur der Gott der Händler und, sinnigerweise, auch der Diebe.
 Das einzige was von dieser abgeschotteten Vereinigung nach aussen dringt, sind die Namen des Vorsitzenden und seines Stellvertreters, Christoph von Guionneau, bis Mai letzten Jahres Vorstandsvorsitzender beim Schuhhändler Görtz und Dr. Alexander Tiedtke, Chef des gleichnamigen Hamburger Autohauses.

 Ausserdem erfährt man noch, dass Mars und Merkur jährlich je einem Studenten der beiden Bundeswehrhochschulen in Hamburg und in München, einen „Jahresbestpreis“ verleiht. Der oder die Preisträger machen dann ein vier- bis sechswöchiges Praktikum im Vorstandsbereich eines Industrieunternehmens.

 Der Sitz des „Kreises Mars und Merkur“ wird mit Surenburg 3, 48477 Hörstel-Riesenbeck angegeben. Der Ort Hörstel-Riesenbeck besteht aus zwei Gemeinden beidseitig der Autobahn 39 mitten im tiefsten Münsterland, unweit Rheine. Ausserhalb des Ortsteil Riesenbeck umrahmt von weitläufigen Wäldern und Agrarflächen liegt das Wasserschloß Surenburg. Es ist Stammsitz der Freiherren Heereman von Zuydtwyck. Das Familienoberhaupt ist der ehemalige Bauernpräsident, CDU-Bundestagsabgeordnete und Hauptmann der Reserve Costantin Freiherr zu Heereman.

 Fußläufig ca 300 Meter entfernt von dem imposanten Wasserschloss Surenburg steht auf einem parkartigen Grundstück mit der Adresse Surenburg 3, ein imposantes Herrenhaus umgeben von Wald und hohen Hecken, die den Blick auf das Haus verwehren. Das Gelände gehört augenscheinlich zum Gut Surenburg des Freiherren Heereman.

 Die Diskrepanz zwischen den zwei Schwergewichten der alten rheinischen CDU, Thelen und Heereman dem hochherrschaftlichen Sitz des Kreises weitab aller Metropolen im Münsterland, und den wetigehend unbekannten Repräsentanten Guionneau und Tiedke, die keinerlei Verbindung zum Münsterland haben, lässt vermuten, dass doch einiges mehr hinter dem „Kreis Mars und Merkur“ steckt als uns ihr Auftreten in der Öffentlichkeit weismachen will.

 Den Beirat der Thelen-Consult bilden
  • der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Otto Solms,
  • der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und langjährige Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Ludolf von Wartenberg und 
  • der ehemalige Berliner Finanzsenator und Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank und immer noch Mitglied der SPD, Thilo Sarrazin.
 Allein die Personalie Sarrazin zeigt einmal mehr, dass es in Kreisen, die sich die Dienste von Lobbyisten vom Kaliber der Thelen-Consult eher förderlich ist, gewissen sozialdarwinistischen Ansichten, nachzuhängen. Ein Beirat Sarrazin scheint zumindest die Kunden nicht abzuschrecken, sondern eher anzuziehen. Gleichzeitig lässt es darauf schliessen, dass der öffentlich doch so geächtete Sarrazin, in Regierung, Politik und Beamtentum in Berlin noch etliche gut funktionierende Kontakte hat. Das wiederum lässt, bei aller Vorsicht, auf die geheime, nicht öffentlich zur Schau gestellte, wahre Gedankenwelt unserer Mächtigen schliessen.

 Ein Umstand der um so bedenklicher wird, wenn man sich die, von Thelen-Consult,  als Nachweis der Effektivität aufgeführten Referenzen ansieht. In diesem verschwiegenen Gewerbe, ist es eigentlich absolut unüblich über Kunden, Verbindungen oder erfolgreich abgesclossene Aufträge, etwas an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Wenn etwas Konkretes, Verwertbares, von den Tätigkeiten eines Lobbyisten in die Schlagzeilen gerät, dann sind die Verbindungen tot, ist die Geschäftsgrundlage dieser Wühler unterhalb der wahrnehmbaren offiziellen Politik, zerstört.

 Darum gibt es auch bei der Thelen-Consult keine wirklichen Referenzen, sondern nur Leumundsaussagen zu Gunsten des Dr. Friedrich Thelen. Die allerdings haben sich gewaschen. Es lässt einen schon den Glauben an die Rechtmässigkeit des Systems verlieren, wenn die Bundeskanzlerin höchst persönlich Werbung für einen Lobbyisten betreibt. Angela Merkel auf der Internetseite der Thelen-Consult: „Ein überzeugter Marktwirtschaftler mit klarem ordnungspolitischem Kompass.“

 Eine Kanzlerin, die wohlhabende Menschen in aller Öffentlichkeit dazu auffordert, vorbei an allen demokratischen Institutionen, Einfluss auf ihre Politik auszuüben. Was ist von einer solchen Kanzlerin zu erwarten? Sicher keine Politik für alle Bürger der Bundesrepublik sondern Politik für eine verschwindend kleine Klientel, die sich das teure Netzwerken und Lobbying leisten können. Politik, einzig und allein zur Vermehrung des Reichtums dieser Menschen.

 Auch Aussenminister Westerwelle wirft sich für Thelen-Consult ins Zeug: „Friedrich Thelen war nahezu 30 Jahre ein ordnungspolitisches Gewissen“. Ein Schlaglicht auf die Welt des Dr. Westerwelle wirft der Satz: „Schade nur, dass mancher Bundeswirtschaftsminister nicht in die Tat umsetzen durfte, was er im Wirtschaftswoche-Interview bei Friedrich Thelen mutig schwarz auf weiß verkündet hatte.“

 Als weitere Referenzgeber fungieren, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und hinter Peer Steinbrück wohl Krösus unter den Nebenverdienern im Bundestag, Michael Glos bringt es auf den Punkt, wenn er von Friedrich Thelen behauptet: „Sein berufliches Wirken basierte insbesondere auf einer beispielhaften, breiten Vernetzung in Politik und Wirtschaft.“ Glos muss es wissen, ist doch Geschäftsgrundlage seiner Umtriebigkeit das Netzwerken.

 Der in allen atlantischen Altherrenclubs mauschelnde ehemalige Jusovorsitzende und von 1976 bis 1989 SPD-Bundestagsabgeordnete Karsten D. Voigt nennt einen weiteren Grund, der es lukrativ erscheinen läßt, die Hilfe des Friedrich Thelen einzukaufen: „Friedrich Thelen verfügt über das nötige Handwerkszeug: einen kühlen Kopf, eine klare Handschrift, eine laut und deutlich vernehmbare Stimme."

 Wo der Sumpf am tiefsten ist, da ist mindestens auch ein Grüner. Der ehemalige Frankfurter Streetfighter und Joschka-Fischer-Vertraute Prof. Hubert Kleinert wirft schon lange keine Pflastersteine mehr auf die Repräsentanten des Etablishments. Kleinert, ganz grün gestrichener Kleinbürger, lobt die angeblich bürgerlichen Tugenden des Friedrich Thelen:  „Friedrich Thelen ist im besten Sinne das, was es angeblich nicht mehr gibt in Deutschland: Ein Bürger. Gebildet, mit guten Manieren, eher konservativ, aber zugleich liberal und weltoffen. Mit eigenem Urteil, klarem Standpunkt und ganz unverstelltem Blick. Solche Typen sind selten – nicht nur in Berlin.“

 Wunderbar ausgewogen gibt je ein Repräsentant der in Berlin regierenden Blockparteien, CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen sein Lobgehudel ab. Das zeigt dem wohlsituierten an Vorteilsnahme interessierten, potentiellen Kunden der Thelen-Consult: "Wir haben Zugang zu allen Entscheidungsträgern des politischen Berlins, egal welcher farblichen Nuance er auch anhängt". Die Politik der Bundesrepublik Deutschland, ein zusammengekauftes Konglomerat wirtschaftlicher Interessen.

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