Donnerstag, 7. Februar 2013

Bundeskanzlerin Merkel - Retterin des Euro?


 Die Lage an den Finanzmärkten hat sich beruhigt. Der Euro hat sich stabilisiert und selbst die Krisenländer Italien, Spanien, Portugal und Irland können sich wieder zu halbwegs bezahlbaren Zinsen im Markt rekapitalisieren.

 Angela Merkel lässt sich als Retterin des Euros, der deutschen Wirtschaft und schliesslich sogar Europas feiern. Merkel ist bei der Rettung des Euro eher Brandstifterin als Feurwehr. Ihre zögerliche Haltung, ihr immer wieder zur Schau gestelltes Nein zu Hilfsmassnahmen, dass sie nach einiger Zeit kleinlaut wieder einkassieren musste, ihr taktieren und ihre Angst vor dem Risiko des grossen Wurfs, haben die Krise eher befeuert, als sie zu bändigen. Wie oft hat sie erklärt, es gäbe ihn nicht, den Königsweg zur Stabilisierung des Euro. ihr ewigws Neoliberales Mantra war Staatsverschuldung runter, Löhne und Sozialleistungen kürzen, Staatsbetriebe privatisieren.

 Der wahre Grund für die Beruhigung der Finanzmärkte ist die Ankündigung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, den Euro mit allen Mitteln zu verteidigen. Im Gegensatz zu Merkel hatte Draghi erkannt, dass das akute Problem des Euros nicht die Verschuldung einiger Länder war, sondern die Spekulation auf dessen Scheitern.

 Merkel hingegen hat auf die Krise nicht antizyklisch reagiert, sondern eine zusammenbrechende Wirtschaft durch unsinnige Sparauflagen weiter geschwächt, was die Probleme eher verstärkt hat. Die Staatsschulden sind gestiegen, das Wirtschaftswachstum in den Krisenländern ist dramatisch negativ und die Sozialkosten sind durch die hohe Arbeitslosigkeit in den Ländern des Südens weiter gestiegen. Die Privatisierungen scheitern reihenweise, weil Anleger die unter öffentlichen Druck geratenen Verkäufer mit Dumpingangeboten zu erpressen versuchen.

 „Ja, aber sie hat aber doch Deutschland aus dem ganzen Sog nach unten herausgehalten“, wird immer wieder ins Feld geführt. Hier sei die Arbeitslosigkeit gesunken, die Exporte befänden sich auf Rekordniveau und die Wirtschaft freue sich, nach den Ergebnissen neuester Umfragen, über positive Ausssichten. Aber auch hier eher Brandbeschleuniger statt Löschwasser.

 Die aggresive Exportpolitik Deutschlands führt zu immer neuen Verwerfungen. So beläuft sich das Target2 - Guthaben der Deutschen Bundesbank bei der EZB im November 2012, dem letzten Monat für den Vergleichszahlen vorliegen, auf 715 Milliarden Euro. Über Target2 werden, vereinfacht gesagt, die Kredite summiert, die die Deutsche Bundesbank den anderen Euroländern gibt, um ihre Importe aus Deutschland zu finanzieren. 715 Milliarden Euro Guthaben bedeuten also, dass Deutschland Forderungen in dieser Höhe an die Länder der Eurozone hat.

 Ausser Deutschland gibt es nur noch fünf weitere Euroländer mit einem positiven Targetsaldo: Estland, Finnland, Luxemburg, Niederlande und Slowakei. Die Target2 - Bilanz aller anderen elf Euroländer ist negativ, zum Teil erheblich. (Siehe: Tabelle: Target2 - Bilanz). Setzt man das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller Produkte und Dienstleistungen, die ein Land in einem Jahr erbracht hat, mit den Auslandsverbindlichkeiten in Beziehung, so ergibt sich ein zum Teil erschreckendes Bild. Spanien hat Verbindlichkeiten von 34,9% seines Bruttoinlandsproduktes, Zypern 39,2%, Portugal 39,4%, Irland 50,8% und Griechenland 55,04%. Dagegen sind die 15,4% Italiens schon fast moderat.

 Wie diese Länder ihre Verbindlichkeiten aus dem Aussenhandel begleichen wollen ist rätselhaft. Fast Dreiviertel der Target2-Verbindlichkeiten der Eurostaaten, sind Verbindlichkeiten gegenüber der Deutschen Bundesbank. Sollte z.B. Spanien seine Schulden nicht mehr zahlen können, so müsste der deutsche Steuerzahler für rund 270 Mrd. Euro aufkommen, denn wenn die Deutsche Bundesbank Guthaben aus Target2 nicht realisieren kann, schreibt sie Verluste, die die Steuerzahler ausgleichen müssen.

Tabelle: Target2 - Bilanz

Euro-Mitgliedsland Positiver Saldo Negativer Saldo Bruttoinlands-produkt Deutsche Handelsbilanz 2011
Belgien
-33,07 377,10 8,60
Deutschland 715,12
2.613,00 0,00
Estland 0,15
15,60 0,98
Finnland 52,54
194,70 1,90
Frankreich
-50,77 2.033,70 35,20
Griechenland
-107,33 195,00 3,10
Irland
-82,41 162,30 -7,90
Italien
-241,50 1.564,10 13,80
Luxemburg 107,98
43,60 3,30
Malta
-0,08 6,25 0,16
Niederlande 118,53
609,10 -12,80
Österreich
-38,08 308,20 20,20
Portugal
-65,53 166,30 2,30
Slowakei 1,25
72,90 -0,40
Slowenien
-4,46 35,70 -0,50
Spanien
-366,05 1.050,20 12,40
Zypern
-8,93 22,80 0,50


Die Abbildung unten zeigt, wie unterschiedlich sich die Target2 - Salden in den letzten Jahren. entwickelt haben. Dabei zeigt sich, dass in einem Umfeld von vierzehn Staaten, deren Target2- Bilanzen sich recht moderat entwickelt haben, drei Länder für erhebliche Ungleichgewichte gesorgt haben. Das sind zum einen Italien und Spanien, deren Defizite extrem gewachsen sind, dass ist zum anderen aber die Bundesrepublik Deutschland, deren aggressive Exportpolitik das Gleichgewicht in der Eurozone massivst stört.
Quelle: Institute of Empirical Economic Research of Osnabrück University







 Wohlgemerkt, die Target2 - Defizite sind keine Verschuldung der Staaten, sondern sie zeigen die Verschuldung der Unternehmen und der Verbraucher der Länder bei der EZB. Anders herum sind die Guthaben aber Forderungen der staatlichen Zentralbanken an Unternehmen und Verbrauchern der Defizitländer. Das heißt, die Geschäfte unter den Wirtschaftsteilnehmern sind abgeschlossen, die Ware geliefert und bezahlt. Die Lieferunternehmen, z. B. in Deutschland haben den Kaufpreis erhalten. 

 Bezahlt wurde er mit einem Kredit, letztendlich der Bundesbank. Die Forderung der Bundesbank, also der mögliche Vorteil aus dem Geschäft für die deutsche Gesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als eine endlose Reihung von Nullen und Einsen in des Computern und auf den Servern der Deutschen Bundesbank. Sollte der Kreditbetrag nicht zurückbezahlt werden, haftet die Allgemeinheit. Wieder einmal werden die Gewinne privatisiert und das Risiko und die zu erwartenden Verluste sozialisiert.

 Merkel versteht die ökonomischen Zusammenhänge nicht, oder besser, will sie nicht verstehen. Sie hat Anderes im Sinn. Für sie ist Wirtschaft eine Art von Krieg mit anderen Mitteln. Es geht ihr um Vorherrschaft, um deutsche Hegemonie. Sie eilt von Gipfel zu Gipfel und diktiert den andern Staatschefs die deutschen Wünsche und Forderungen in ihre Gesetzentwürfe und Parlamentsbeschlüsse. Dabei sind die Menschen , die Bevölkerung der Staaten Europas Manövriermasse, je nach Sichtweise oder Notwendigkeit, Kosten- oder Nutzen-Faktor.

Europa bleibt dabei auf der Strecke. "Kümmert sie das? Ich glaube nicht", sagt, laut Welt.de vom 17. Juli letzten Jahres, David Buik, Marktstratege bei Cantor Index in London, in einem Telefoninterview  mit Bezug auf die deutschen Politiker. "Es ist ein Kampf jeder gegen jeden. Es geht darum, Dämme hochzuziehen, sich abzuschotten und für sich herauszuholen, was möglich ist".

 Und Dominic White, Chefökonom Europa bei Absolute Strategy Research Ltd. in London, fügt im gleichen Artikel hinzu: "Es gibt die Ansicht, dass alle positive Entwicklungen in Deutschland einfach die Kehrseite der Pein in anderen Euro-Ländern sind. Darin liegt viel Wahres. Aber die Deutschen sehen es nicht so."

 Deutschland entwickelt sich in den Augen unserer Nachbarn wieder zu dem, alles unter seinen Stiefeln zertretendem Ungeheuer vergangener Zeiten, dieses Mal nicht mit dem Gewehr mit aufgepflanzten Bajonett, sondern mit dem Geldsack in der Hand.

 Der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt wurde in den Südeuropäischen Ländern hoch geschätzt und verehrt, weil er sich aktiv für die Befreiung von den faschistischen Diktaturen in Spanien und Portugal und der Militärdiktatur in Griechenland eingesetzt hatte. Er wurde bei seinem Besuch in Portugal von begeisterten Menschen an den Strassen begrüsst, die ihm mit roten Nelken zuwinkten. Bundeskanzlerin Merkel musste sich bei ihrem Besuch Portugals im letzten Jahr, vor einer aufgebrachten Bevölkerung, auf der als uneinnehmbar geltenden Festung Forte de Sao Juliao da Barra, geschützt durch hohe Mauern und tiefe Gräben, etliche Kilometer entfernt von der portugiesischen Hauptstadt Lissabon verstecken. In Griechenland und Spanien wurde sie durch brutale Polizeigewalt vor den Menschen geschützt, die ihr Hitlerbilder und die Hände zum Hitlergruss erhoben, entgegenstreckten.

 Merkel opfert das Europa der Bürger auf dem Altar der neoliberalen Wirtschaft und ihren eigenen Machtinteressen. Europa ist in Merkels Augen nichts weiter als ein Wettbewerber auf den Internationalen Märkten. Und als ein solcher muss Europa fit gemacht werden gegen die USA, Russland, China, Indien und Brasilien. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos hat sie die Katze aus dem Sack gelassen. Laut Tagesschau.de sagte sie dort: "Die Wettbewerbsfähigkeit ist das zentrale Thema für die Zukunft", sagte die Kanzlerin und fuhr fort, es dürfe dabei nicht so weit kommen, dass etwa die Lohnstückkosten in der EU sich auf einem Mittelmaß einpendelten. Die deutsche Exportpolitik verteidigte sie, Überschüsse in den Leistungsbilanzen seien zum Teil Ausdruck einer guten Wettbewerbsfähigkeit, "und die dürfen wir auf gar keinen Fall aufs Spiel setzen."


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