Donnerstag, 3. April 2014

Ein Bericht vom Maidan - oder - Wie die ARD ihre Zuschauer verarscht


 Es sind die kleinen Manipulationen, mit denen Meinung gemacht wird. Steter Tropfen höhlt den Stein.

 Der politische Mainstream hat ein Problem. Die Menschen wollen nicht so recht glauben was ihnen nun schon seit Monaten vorgeredet und-geschrieben wird: Die Guten, dass sind die, wie sie noch bis vor kurzem verniedlichend genannt wurden, Demonstranten in Kiew, das ist die Putschregierung der Ukraine, die neue Ordnung und „die Menschen“, die man unisono für den von westlichen Geheimdiensten initiierten Umsturz in Kiew vereinnahmt. Die Bösen, so trommelt es auf uns ein, ist Russland, die russische Bevölkerung der Krim und vor allem Russlands Präsident Putin, der es nicht tatenlos hingenommen hat, wie der Westen immer näher an die Grenzen seines Landes rückt.

 Seit ein paar Wochen haben unsere Medien nun aber ein Problem: Immer häufiger dringen Nachrichten von Übergriffen der faschistischen Horden durch die verhängte Nachrichtensperre. Auf Videos im Netz konnte man sehen, wie ein Staatsanwalt in seinem Amtszimmer verprügelt wurde, oder der Chef eines Fernsehsenders mit Gewalt zur Unterzeichnung seiner Kündigung gezwungen wurde. Nachrichten, nach denen Ministerien und sogar das Parlament besetzt oder von bewaffneten Horden belagert werden, gelangen, vorbei an den eisern schweigenden Medien des Mainstreams, an die Öffentlichkeit.

 Es gilt gegenzusteuern. Die ARD macht es vor. Kleine Geschichtchen, vom Leben vor Ort, sollen uns die Kämpfer der neu gegründeten und von Faschisten dominierten Milizen als die netten Jungs von nebenan zeigen. Grosse Kinder im Grunde, die selbstlos die neu gewonnene „Freiheit“ verteidigen wollen. So geschehen am 24. März im ARD Morgenmagazin. Da reiste, der eigentlich zum ARD-Studio Paris gehörende Korrespondent Marcus Preiß extra in die Nähe von Kiew, um uns die netten Jungs vom ukrainischen Volkssturm näher zu bringen.

 Am Ende der Woche legten die ARD und Preiß dann noch einmal nach. Preiß berichtet direkt vom Maidan, dem heiligen Gral der Revolution. Wer aber nun erwartet hätte, das Preiß einen sauber recherchierten Bericht über die unhaltbaren Zustände, den Dreck, den Alkoholmissbrauch, die tägliche Gewalt der Faschisten und der ganz normalen Kriminellen vorlegt, der irrt. Was Preiß da in Szene gesetzt hat, ähnelt eher einer idealisierender Homestory als seriösem Journalismus. Würde Preiß sich nicht so gern selbst reden hören, so hätte er sein Filmchen sicherlich mit den Klängen Beethovens "Ode an die Freude" unterlegt.

 Prei? pathetisch: „Es ist ein Platz der alles gesehen hat. Menschen die jubeln, -  Menschen, die weinen. Ein einziger Platz, Synonym für die Revolution in der Ukraine."

"Menschen, die jubeln - Menschen die weinen

 "Die Verteidiger der Revolution leben ärmlich, dreckig. Teilweise habe ich das Gefühl über eine Müllhalde zugehen. Nur, darf man das denken auf so einem Heldenplatz?" Natürlich darf man nicht! Und so verbietet sich auch der Gedanke, dass die "Verteidiger der Revolution", die Preiß uns vorführt, vielleicht doch nur stark alkoholisierte Streuner sind, die die Gunst der Stunde genutzt haben, um sich auf dem zentralen Platz in Kiew ein kuscheliges Zuhause zu zimmern. Ab und zu schauen dann westliche Reporter vorbei, wie Marcus Preiß, und zahlen gut für ein paar menschelnde Bilder.

Die Verteidiger der Revolution

"Ich schaue in die Gesichter von Männern, die fix und fertig sind." Diese Männer, deren Blick ein wenig glasig ist, schildern dann von ihrem heroischen Kampf gegen die korrupte Staatsmacht und sie liefern alles was der Reporter aus dem Westen hören will.


Preiß beim Blick in "Gesichter von Männern die fix und fertig sind"

 Eine wilde Story von Heldenmut und Kampf bei dem die Phantasie durch den Wodkarausch Flügel bekommt. "Wir waren vom ersten bis zum letzten Tag hier. Sie schiessen auf dich. Du fühlst dich wie an der Front. Wir haben uns gegenseitig in Deckung gezogen. Sie warfen Granaten. Sie haben angegriffen, wir haben angegriffen, es war unglaublich chaotisch."

Die Schilderung des Heldenepos: "Sie warfen Granaten!"

Nun ist es aber an Preiß die etwas derben Schilderungen richtig zu gewichten. Nicht, dass womöglich beim unvoreingenommenen Zuschauer der Verdacht aufkommt, es handele sich einfach nur um ein paar trunksüchtige Schläger und Radaubrüder. "Im November", so Preiß,"waren das noch ganz normale Großväter." Aber: "Die Revolution hat sie in wenigen Wochen um viele Jahre altern lassen."

Ganz normale Großväter: Die Revolution hat sie um viele Jahre altern lassen
"Sie zeigen mir Bilder von sich selbst aus dem November. - Da waren das noch ganz normale Großväter"

Preiß wäre nicht Preiß, wenn er nicht seine Verbundenheit mit seinen Protagonisten dadurch zum Ausdruck bringen würde, indem er mit ihnen ihr karges Brot teilt. Anfang der Woche, bei den Milizen war es "dünne Kohlsuppe und Buchweizengrütze", jetzt auf dem Maidan ist es fetter Speck, "ukainische Schokolade" wie einer der "Großväter" das ekelhafte Zeugs nennt.

"Ukrainische Schokolade"

Keiner soll sagen Preiß hätte es sich einfach gemacht. Ohne Rücksicht auf Leib und Leben schluckt er das Zeug runter: "Der Speck schmeckt ausgezeichnet" Und wie zur Bestätigung erklingt im Hintergrund die ukrainische Nationalhymne, gesungen von einem Chor.

Reporter aus Leidenschaft: Preiß schont weder Leib noch Leben
Kurz kommt Preiß auch auf den"Rechten Sektor" zu sprechen. Zu dominant sind die Faschisten geworden, als das man sie, wie noch vor ein paar Wochen, einfach als nicht vorhanden, oder als russische Propaganda abtun könnte. Er entledigt sich dieser lästigen Pflicht wie es unsere Eltern und Großeltern getan haben, wenn sie vom deutschen Faschismus gesprochen haben, als Phänomen, das man sich nicht erklären kann, von dem man nicht weiß woher es kommt, von dem man eigentlich gar nichts weiß und mit dem man nichts zu tun hat, und mit dem man auch nichts zu tun haben möchte. Für Preiß sind es einfach "die dunkle Typen". "Der "Rechte Sektor" eine angsteinflössende nationalistische Organisation", wie Preiß die Faschisten beschönigend bezeichnet. "Man rät uns Abstand zu halten". Der Reporter nimmt den Rat umgehend an: Thema durch.

 Er berichtet uns lieber von einem Zimmerman und seinen Kollegen, die in Tag- und Nachtarbeit eine Kirche "am oberen Ende des Platzes" errichten, um dort der Toten zu gedenken. "Sie schlagen nur Nägel ein, aber ich spüre, es ist ihr Beitrag zur Revolution", glorifiziert Preiß die Männer als "Helden der Arbeit".

 Gelegentlich hat es ja kritische Stimmen gegeben, die sich fragten, woher all das Material so schnell kam, mit dem die Revolutionäre die Barrikaden auf dem Maidan errichteten. Der Verdacht: Hier seien einflussreiche Organisationen mit viel Geld und Mitteln der Logistik am Werk gewesen. Preiß thematisiert: "Die Barrikaden stehen immer noch, und ich hab' mich gefragt, wo die eigentlich so schnell hergekommen sind, diese Steine",

Wo sind die Steine so schnell hergekommen?
Die Antwort ist ganz einfach: Von der Strasse!

 und macht umgehend allen Verschwörungstheorien ein Ende: "Die Antwort ist ganz einfach: Von der Strasse!" Siehste wohl!

Alle Bilder Screenshots vom ARD-Beitrag: Der Maidan zwischen Anarchie und Aufbruch

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