Mittwoch, 30. Juli 2014

Deutsche Presse jubelt: 50 Milliarden für russische Dunkelmänner auf Zypern

 Das Triumphgeschrei in den deutschen Medien war unüberhörbar. Zeit-online titelte: "Russland muss an Ex-Eigner von Yukos Milliarden zahlen", und behauptete in der Unterzeile, "Entscheidung beim Schiedsgericht in Den Haag: Russland muss 50 Milliarden Dollar Entschädigung an die Ex-Eigentümer des Ölkonzerns Yukos zahlen." Die Schadenfreude war unüberhörbar: "Der Betrag macht mehr als zehn Prozent der russischen Währungsreserven aus."

 Freude pur auch bei der Süddeutschen: "Nach ersten Medienberichten über das Urteil gaben russische Aktien nach. Die Papiere des nunmehr größten russischen Ölproduzenten Rosneft verloren deutlich. Zu schaffen machen dem Land bereits die Sanktionen der EU und der USA im Zuge des Ukraine-Konflikts." "Sollte die Regierung sich weigern zu zahlen, könnten die Kläger versuchen, russischen Staatsbesitz pfänden zu lassen."

faz.net meldete entgegen den Tatsachen: "Russland hat vor Gericht eine Milliardenklage ehemaliger Eigentümer des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos in Den Haag verloren." Das Haager Ständige Schiedsgericht ist wie der Name schonsagt kein ordentliches Gericht. Ein Schiedsspruch muss von beiden Seiten akzeptiert werden um Vollzugskraft zu erlangen.

Rundschau-online jubelte unter der Überschrift: "Gong aus Den Haag", "Die Hiobsbotschaften für den Kreml häufen sich."

Das Handelsblatt brachte es letztendlich auf den Punkt: "Milliarden-Quittung für Putin
Schwere Niederlage für Wladimir Putin: Ein internationales Gericht hat Russland dazu verurteilt, den Ex-Eigentümern des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos 50 Milliarden Dollar zu zahlen. Ein Urteil mit politischer Brisanz." Auch hier ist wieder den Fakten widersprechend von einem Gericht die Rede.

 Was war geschehen? Das "Ständige Schiedsgericht in Den Haag" hatte nach zehnjähriger Verhandlung, just ein paar Tage, bevor die Aussenminister der EU über Wirtschaftssanktionen gegen Russland entscheiden, den ehemaligen Eigentümern, des wegen Steuerschulden 2004 in Konkurs gegangenen russischen Ölkonzerns Yukos Schadenersatz in Höhe von 50 Milliarden Dollar zugesprochen. Wie weit jenseits von Gut und Böse dieses Urteil ist, zeigt das die Summe des bisher höchsten Urteils 1,7 Milliarden Dollar betrug.

 Allerdings, und das vergessen die Hassprediger der deutschen Qualitätspresse allzugern zu erwähnen, ist dieser Schiedsspruch nicht einmal das Papier wert, auf das er geschrieben wurde. Er ist reine Propaganda. Das gesamte Verfahren beruht auf dem Vertrag der "Energie-Charta" von 1991. Dieser Vertrag soll den internationalen Energie-Multis einen Status sichern, der über die Gesetze der einzelnen Nationen zu stellt. Durch die "Energie-Charta" können sie mit Hilfe solcher, ausserhalb jedes Rechtes stehenden Schiedsgerichte, ihre Interessen gegen nationales Recht durchsetzen. Der Rechtsgrundsatz "Gemeinwohl geht vor Einzelwohl" wird hier in sein Gegenteil gewendet. Russland hat die Energie-Charta allerdings gar nicht ratifiziert und ist somit nicht an ihre Bestimmungen gebunden.

 Merkwürdig an der ganzen Geschichte: Zehn Jahre wurde verhandelt und genau einen Tag nach dem vermutlichen Abschuss der Boeing 777 der Malaysia Airlines MH 17 über der Ostukraine veröffentlicht das Schiedsgericht seinen Schiedsspruch (nicht wie fälschlich immer behauptet wird, sein Urteil). Das riecht stark nach US-amerikanischer Einflussnahme sowohl auf den Schiedsspruch als auch auf den Termin der Veröffentlichung.

So ist denn auch die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein weiteres Indiz dafür, dass das Recht, sagen wir einmal, etwas zurecht gebogen wurde.

 Vorsitzender des dreiköpfigen Gremiums ist der Kanadier Yves Fortier hat seit 2012 im Sanktionsrat der Weltbank Sitz und Stimme. Die Weltbank, die die Förderung des privaten Sektors gegenüber des Staatlichen zu ihrer allgemein verbindliche Strategie gemacht hat, ist ebenso wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) unter starkem US-amerikanischen Einfluss. Ohne die USA geht bei beiden gar nichts.

 In beiden Organisationen, der Weltbank als auch des Internationalen Währungsfonds (IWF) war und ist der zweite Schiedsrichter, der US-Amerikaner Stephen Myron Schwebel tätig. Von 1994 bis 2009 war er der Präsident des "Verwaltungsgerichts des Internationalen Währungsfonds" tätig und seit 2007 gehört er zu den Richtern des "Verwaltungsgerichts der Weltbank". Ausserdem ist Schwebel als freier Vermittler und Rechtsberater in Washington tätig und als solcher natürlich von Regierungsaufträgen abhängig.

 Der Schweizer Rechtsanwalt Charles Poncet war mehrere Jahre für die "Liberale Partei der Schweiz" (LPS) in mehreren Parlamenten tätig. Die Partei galt, selbst für Schweizer Verhältnisse, als ausgesprochen wirtschaftsliberal.

 Die deutsche Presse bejubelt einen Schiedsspruch der, wenn er denn anerkannt wird, einer Hand voll zwielichtiger Geschäftsleute, die unter der Regie von Alexander Chodorkowski in den 1990er Jahren, während der Regentschaft des Alkoholikers Jelzin, dem russischen Staat seine Bodenschätze raubten http://www.netstudien.de/Russland/chodorkowski.htm#.U9jHryhmDhx. Die feinen Herrschaften haben ihre Gesellschaften im, von der EU finanzierten, Steuerparadies Zypern.

 Chodorkowski bejubelt den Schiedsspruch zwar als "fantastisch", will aber selbst von dem Geldregen angeblich nicht profitieren. Eine Voraussetzung für seine Begnadigung war, dass er sich verpflichtete, keinerlei finanzielle Forderungen gegenüber Russland zu erheben.

 So ganz leer scheint der feine Herr Chodorkowski aber denn doch nicht auszugehen. Der hatte, einem Bericht der „Financial Times“ zufolge kurz vor seiner Verhaftung nämlich seine Anteile an Yukos an seinen früheren Vorstandskollegen Leonid Nevzlin übergeben, der ebenfalls zu den Klägern gehört und inzwischen die israelische Staatsangehörigkeit hat.

Chodorkowskijs erste Auslandsreise aus der verschwiegenen Schweiz, führte ihn nach Israel. Ein Schelm, wer dabei böses denkt.

 In Moskau allerdings, sieht man den Richterspruch mit einiger Gelassenheit. Hier hat man ganz andere Sorgen. Auf die Frage nach dem Warum machte am Montag ein hochrangiger Mitarbeiter von Präsident Putin gegenüber der Londoner Financial Times deutlich, daß das Urteil angesichts der Konfrontation in der Ukraine wenig Bedeutung habe. Und er fügte hinzu: »In Europa wird es Krieg geben. Glauben Sie wirklich, daß das (Urteil) wichtig ist?« berichtete die "Junge Welt" am 30. Juli.

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