Samstag, 9. August 2014

Spiegel-online-Autor Christian Neef macht "Großmeister der schwarzen PR - der eleganten, aber üblen Nachrede" zum Kronzeugen gegen Putin

 Spiegel online veröffentlicht einen Artikel von Christian Neef, betitelt "Ukraine Debatte: Appell für mehr Sachlichkeit". Ein weiser Vorsatz, den der Autor aber dann sofort im ersten Absatz selbst wieder ad absurdum führt: "Spiegel online hat vergangenen Montag einen Text von mir veröffentlicht. "Putins Paralleluniversum", stand darüber. Es ging um die Wirklichkeitsverweigerung in Russland und Moskaus Fernsehpropaganda, die einen nie gekannten Tiefpunkt erreicht hat."

 Sachlichkeit? Gleich wird wieder die Keule der Propaganda und der Diffamierung geschwungen. Statt sich an die eigene Nase zu greifen und sich bei den Lesern für das unsägliche Titelbild, "Stoppt Putin jetzt", aus der letzten Woche zu entschuldigen, den eigenen Realitätsverlust zu thematisieren und sich mit der Verfassheit der deutschen Medienlandschaft zu beschäftigen. Neef beklagt "Putins Paralleluniversum". Ein "nie gekannter Tiefpunkt" sei erreicht, aber nicht etwa in der eigenen Berichterstattung sondern in "Moskaus Fernsehpropaganda".

 "Ich weiß, wie empfindlich viele deutsche Leser inzwischen auf russlandkritische Texte reagieren, das ist ihr gutes Recht". Ach sieh mal einer an. Sind nicht alle Kritiker der deutschen Propagandamedien von Russland, oder wie der Spiegel es formulieren würde "von Putin finanzierte Trolle"?

 Wie der Autor seinen Artikel aus der letzten Woche selbst einschätzt zeigt ein "Freudscher Versprecher: "Um diesem Gefühl nicht weiter Nahrung zu geben, hatte ich in dem Stück ausschließlich russische Stimmen zitiert". Ein Stück, man möchte ergänzen ein Theaterstück, eine Burleske, bekamen wir also letzte Woche serviert.

Neef fährt fort, er habe: "nicht etwa einschlägige Oppositionspolitiker oder langjährige Putin-Feinde, sondern Politologen und Medienwissenschaftler" zitiert, sondern "Leute mit kühlem Verstand, die der Meinung sind, dass ihre Regierung die Vorgänge in der Ukraine absichtlich einseitig kommentiert. Sie haben das nicht auf amerikanischen oder westeuropäischen Druck hin geschrieben." Völlig verzweifelt resümiert er: "Es hat nichts geholfen."

 Was Wunder, schauen wir uns diese Heerschar von "Politologen und Medienwissenschaftlern", die Leuten "mit kühlem Verstand" einmal näher an:

 Da kommt zunächst ein gewisser Gleb Pawlowski zu Wort. Der ergänzt den von Neef vorgegebenen Halbsatz (nicht in Anführungsstriche gesetzt): "Die Medienmaschine arbeitet inzwischen derart auf Hochtouren," mit den Worten, (durch Anführungszeichen als wörtliche Rede gekennzeichnet) "dass niemand mehr weiß, wie sie noch zu kontrollieren ist".

 Der langjährige Spiegelleser wundert sich. Sollte das etwa der Gleb Pawlowski sein, den der Spiegel noch in seiner Ausgabe 42 vom 13. 10.2013 "den Schamanen unter den Kreml-Weisen, den Guru unter Moskaus Polit-Technologen, einen Großmeister der schwarzen PR - der eleganten, aber üblen Nachrede", nennt? Etwa jener Gleb Palowski, der in dem gleichen Artikel aus dem Oktober 2003 als Erfinder der "Gelenkten Demokratie" bezeichnet wird?

 "Und ohne Pawlowski wäre 2000 der Ex-KGB-Offizier Putin kaum so glatt durchmarschiert bis in den Kreml" beklagt der Spiegel von 2003". Und er wusste damals sogar wie Gleb Pawlowski das fertig gebracht hatte: "Es galt zuvor nicht nur, die populären Konkurrenten als korrupt (Moskaus Oberbürgermeister Jurij Luschkow) respektive altersschwach (Ex-Premier Jewgenij Primakow) zu diffamieren." "In Sachen Fintenreichtum ist Pawlowski ein würdiger Sohn seiner Heimatstadt, der Schlitzohr-Metropole Odessa."


 Gleb Pawlowski ist selbst für russische Verhältnisse, drücken wir es freundlich aus, eine schillernde Persönlichkeit. Zutritt zum inneren Zirkel des Kremls erhielt er 1995 durch die Jelzintochter und damalige graue Eminenz der Administration Tatjana Djatschenko. Djatschenko, der Korruption und Betrug in mehreren Fällen vorgeworfen wird, flüchtete nach dem Tod ihres Vaters nach Österreich und wurde dort in einem undurchsichtigen Blitzverfahren eingebürgert.

 Im Jahre1995 gründete Pawlowski auch die "Stiftung für effektive Politik"oftmals auch als "Fond für effektive Politik" bezeichnet. Die Stiftung oder der Fond hatten grossen Anteil an der Wiederwahl Jelzins 1996 und an der ersten Wahl Putins zum Präsidenten Russlands im Jahr 2000.

 In schneller Reihenfolge etablierte Pawlowski mehrere Internetseiten.  www.vvp.ru, www.ovg.ru, www.gazeta.ru, www.strana.ru, www.vesti.ru, "Internet-Zeitungen, hinter denen schier unbegrenzte Mittel stehen", schrieb am 2. Januar 2001 "Die Welt" unter dem Titel "Die graue Eminenz des Kreml spielt mit dem Internet" Die Welt charakterisierte Pawlowski damals so: "Pawlowski liebt diese Anonymität des Internet. Die Möglichkeit, unerkannt die wildesten Gerüchte zu lancieren, reizt ihn." Spiegel online weiss eben wer sich zum Kronzeugen eignet.

 Für Pawlowski war das ganze ein gutes Geschäft. Politik sei immer sein Hobby gewesen sagte er der Welt. "Mitte der neunziger Jahre habe sie sich in Russland endgültig in ein Geschäft verwandelt. Da habe er sich gedacht, "warum nicht die Politiker mit Geist beliefern?"

 Um die Mitte des Jahres 2002 war es dann allerdings plötzlich vorbei mit dem grossen Geld. Pawlowski konnte die Löhne seiner Mitarbeiter in den diversen Internetzeitungen nicht mehr bezahlen und verkaufte diese an die WGTRK, zu deutsch  "Allrussische staatliche Fernseh- und Radiogesellschaft", eine staatliche Medienholding.

 Für Gleb Pawlowski, dem die Vaterschaft von zig Kindern von ebensovielen Frauen nachgesagt wird, war die goldenen Zeit im Kreml dann im Jahr 2011 vorbei. Die Gründe für seinen Rausschmiss sind nie an die Öffentlichkeit gelangt. Allerdings wird vermutet, dass er von dem ehemaligen Präsidenten Mewedjew entlassen wurde, weil er gegen die erneute Präsidentschaftskandidatur Wladimir Putins intrigierte. Danach häutete sich Pawlowski erneut. (Zum wievielten Mal eigentlich) Dieses Mal verwandelt sich der treue Gefolgsmann Putin zu dessen harschem Kritiker, der jedem hergelaufenen westlichen Reporter sagt, was der gerne hören will.

 Beim Spiegel reicht es für den "Großmeister der schwarzen PR - der eleganten, aber üblen Nachrede" sogar zum Kronzeugen.

 Der zweite Stimme, die Neef zu Wort kommen lässt, ist Aleksandr Morozov (Jg. 1959).  Morozow ist russischer Publizist, Blogger, Medienforscher und Chef-Redakteur der Zeitschrift "Russkij Žurnal", über das Uwe Krüger in seinem Buch "Gekaufte Presse in Russland: Politische und wirtschaftliche Schleichwerbung am Beispiell der Medien in Rostov-na-Donu", erschienen im LIT-Verlag Münster schreibt: "Russkij Zumal, das von dem Kremlnahen Politikberater Gleb Pavlovskij und seiner Stiftung für effektive Politik ("Fond éffektivnoj politiki") gegründet wurde  und sich als politisch-kulturelles Medium für Russlands Eliten verstand." Stiftung für effektive Politik? Da war doch was. Morozow ist ausserdem Leiter des Zentrums für Medien Forschung am Institut für Kulturgeschichte (UNIK, Moskau) und regelmäßiger Autor in u. a. Forbes.ru. Die hohen Herren des Lizenzgebers in New York sind sicher sehr erfreut über die Putinkritik ihres Autors aus Moskau. Die Dollars werden weiter fliessen.

 Auch Morozow bekommt in Neefs Stück nur einen Kurzauftritt: "Der Kreml hat seine Propaganda auf dem Gedanken aufgebaut, die Unterstützung seiner Politik sei die moralisch einzig richtige Sache", ist sein Text.


 Der dritte Kronzeuge, den Neef auffährt ist Andrej Malgin. Der Schriftsteller, der Anfang der 2000er Jahre das grosse Geld mit einem Anzeigenblatt machen wollte, fristet heute sein karges Los weit ab von Moskau, in der Toskana. Auch Malgin hat nicht wirklich etwas substanzielles zum Thema beizutragen: "Ich habe unter vier Kreml-Führern für sowjetische Zeitungen gearbeitet, von Breschnew bis Gorbatschow", sagt Malgin. "Aber so dreist und schamlos wie jetzt haben die Machthaber noch nie gelogen. Sie haben einen neuen Tiefpunkt erreicht." Er bleibt wie seine Vorredner ebenfalls jeden Beweis für seine Behauptungen schuldig. 


Das war's denn schon auch mit den "ausschliesslich russischen Stimmen". Den Rest des Artikels bestreitet Neff dann lieber allein.

 Dabei ist ihm kein Vorurteil zu dämlich, keine Verallgemeinerung zu platt und auch vor blankem Rassismus schreckt der Spiegelautor nicht zurück: "In Russland gibt es oft diese Art von Schizophrenie: Der Russe ahnt manchmal, was gerade passiert und vielleicht auch warum, will aber unbedingt ans Gegenteil glauben." Da bedient er schon mal gern die alten rassistischen Vorurteile vom dämlichen, tumben, slawischen Untermenschen: "Der Durchschnittsrusse glaubt inzwischen alles, was man ihm serviert."

 Wer so einseitig berichtet, wer nicht vor Rassismus, Verleumdung, Verdrehung der Tatsachen und einem kaum noch zu ertragenden Kampagnenjournalismus zurückschreckt, der sollte sich einen "Appell für mehr Sachlichkeit" tunlichst verkneifen. Zur Sachlichkeit gehört zu allererst Aufrichtigkeit und davon ist bei Christian Neff, ist im Spiegel nichts auszumachen.

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