Sonntag, 25. März 2012

Demokratie auf Deutsch

 Im Saarland wird heute gewählt. Es ist sicher eine der unsinnigsten Wahlen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die letzte Wahlperiode ging vorzeitig zu Ende, weil sich SPD und CDU nicht über ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen konnten, nachdem die Jamaikakoalition zerbrochen war. Allerdings versprachen sich SPD und CDU, nach der Wahl miteinander zu regieren.

 SPD und CDU werden zusammen im saarländischen Landtag um die 70 - 80% der Abgeordneten stellen. Das bedeutet, der Wähler hat eigentlich gar keine Wahl. Alles ist vorher abgesprochen und ausgemacht, nur welche Partei den Ministerpräsidenten, oder die Ministerpräsidentin stellt, entscheidet sich heute noch.

 Aber so liebt es der Deutsche. Es muss harmonisch sein. Demokratie, ja aber bitte keinen Streit, keine Auseinandersetzung. Just hat er sich ein neues Staatsoberhaupt wählen lassen. Dabei ist er ganz besonders stolz und glücklich, dass der Kandidat von vier der fünf im Bundestag vertretenen Parteien oder annähernd 90% des politischen Spektrums nominiert wurde. Und da Joachim Gauck fast alle zum Präsidenten vorgeschlagen haben, finden ihn nun auch fast alle gut. Das wiederum erfreut des deutschen Seele, so gibt es wenigstens keinen Streit.

 Einigkeit, das ist ihm wichtig, so wichtig, dass es selbst in der Nationalhymmne heisst: "Einigkeit und Recht und Freiheit..." Als erstes die Einigkeit, sie steht vor dem Recht und vor der Freiheit. Sein Begriff von Demokratie kommt ohne Opposition aus. Wie sagte schon Franz Müntefering, der ehemalige Zuchtmeister der SPD: "Opposition ist Mist!" Das eine Staatsform erst zur Demokratie wird durch die Opposition ist dem Deutschen ein völlig wesensfremder Gedankengang.

 Schon die Kandidatur zweier Bewerber für ein Parteiamt, eigentlich der Normalfall in einer gelebten Demokratie, bezeichnet er abfällig und verärgert als Kampfkandidatur. Am liebsten wäre ihm ja an der Staatsspitze ein Mann, der alles regelt, der alles weiss und deswegen auch alles richtig macht. Und um nicht gleich in den Verdacht zu geraten, sich einen neuen Hitler zu wünschen, fügt der Stammtisch schnell hinzu: "Aber keinen Diktator!" Den Widersinn erkennt er nicht.

 Aber es ist bei weitem nicht nur der Stammtisch, der in solchen Mustern denkt. Auch gestandene Journalisten haben die stille Sehnsucht nach Einigkeit und Harmonie. Das beste Beispiel hierfür ist der Hype, der sich um den neuen Bundespräsidenten entfacht. In der gesamten Mainstreampresse wird dem Mann schon Übersinnliches zugesprochen, er wird zum Übervater der Nation hochgeschrieben. Der immer wiederkehrende Wunsch ist dabei, Gauck möge Bürger und Politik miteinander aussöhnen. Von einer kritischen Auseinandersetzung, einerseits des Bundespräsidenten mit Politik und Bürgern und andererseits der Bürger mit ihrem Präsidenten ist nirgends die Rede. Demokratieverständnis: Sechs! Setzen!

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