Mittwoch, 27. Juni 2012

Schäubles Vorschlag einer Volksabstimmung - Ein vergifteter Pfeil in Richtung Bundesverfassungsgericht?

 Neuerdings hört man merkwürdige Dinge aus Berlin. Finanzminister Schäuble will in den nächsten fünf Jahren eine weitgehende Übertragung der staatlichne Souveränität der Mitgliedsstaaten der EU auf die Europäische Union durch eine Volksabstimmung genehmigen lassen. Er will nicht mehr und nicht weniger als eine neue Verfasung für die Bundesrepublik Deutschland.

 Woher kommt dieser plötzliche Willenswandel? Bisher haben die Politiker fast aller Parteien eine Volksabstimmung für ein Werk des Teufels gehalten. Verfassungsänderungen wurden bisher immer in den Hinterzimmern des Parlamentarismus, in den angesagten Retaurants und Cafés der Hauptstadt bei gutem Essen und teuren Weinen zwischen den Schwergewichten der Parteien ausgekungelt und dann meist im Schnelldurchgang durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Noch ehe der letzte Hinterbänkler überhaupt verstanden hatte, worum es ging, hatte er z.B. die deutsche Schuldenbremse in Verfassungsrang erhoben.

 Da reichten ein paar markige Worte in die Mikrophone von ARD und ZDF, ein paar Hintergrundgespräche mit den Edelfedern von Welt, FAZ, Südeutscher Zeitung, Focus und Spiegel und ein verantwortungsvolles Handeln gegen umstrittene neoliberale Lehrsätze wurde zum Verfassungsbruch.

 Auch der europäische Stabilitätspakt, der der bisher am weitest gehende Eingriff in die Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU ist, wurde ohne jeglich Bürgerbeteiligung unter den fünf Parteien CDU, SPD, FDP, Grüne und CSU wie auf einem Bazar ausgekungelt. Der Versuch die Bürger einzubeziehen oder gar umfassend zu informieren, über vor allem die Risiken die der Fiskalpakt in sich birgt, wurde erst gar nicht unternommen.

 Nun plötzlich, so scheint es, - die Wende. Die Bürger der Bunderepublik sollen endlich in einem Plebiszit an einer Neufassung des Grundgesetzes beteiligt werden, die vor allen Dingen wichtige Entscheidungen, wie die über die öffentlichen Haushalte oder die Aussenpolitik auf die europäische Ebene verlagert.

 Sogleich wird die Äusserung des Finanzministers von der einschlägigen Presse als ein wichtiger Schritt hin zur europäischen Einigung gefeiert. Aber das Ganze hat zu allerletzt etwas mit europäischer Einigung zu tun. Schäuble weiss, dass die Regierung die Langmut des Verfassungsgerichts mit dem europäischen Fiskalpakt bereits weit überdehnt hat. Er fürchtet, dass ihm das Gericht noch in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung machen könnte, indem es den zahlreichen Klagen gegen die Verfassungsänderung statt gibt.

 Darum deutet er dem Gericht an: "Wir brauchen in der jetzigen Notsituation der europäischen Schuldenkrise eine schnelle Regelung. Wenn ihr uns jetzt zustimmt, dann werden wir in wenigen Jahren mit einer grossen Verfassungsänderung durch den Souverän, das Volk, in einer Volksabstimmung legitimiert, über diese Änderungen noch einmal abstimmen lassen."

 Ob sich das Gericht darauf einlässt ist allerdings zweifelhaft. Aber der mediale Druck könnte enorm werden. Damit, dass Schäuble den lange geforderten grossen Schritt, hin zu einem vereinigten Europa, schon für die allernächste Zeit ankündigt, den Fikalpakt aber als die Grundvoraussetzung dafür bezeichnet, könnte er das Verfassungsgericht in eine schwierige Lage bringen. Statisch und buchstabengetreu die jetzige Verfassung umsetzen, oder sie dynamisch weiterentwickeln, um in nicht allzu ferner Zeit einzugehen in ein europäisches Grundgesetz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen