Dienstag, 11. September 2012

Von Herren und Knechten

 In Ostwestfalen, in der tiefsten Provinz hat der geschäftsführende Gesellschaft der Firma Miele, Dr. Reinhard Zinkann geheiratet. Die auserwählte ist, natürlich, eine Adelige, Amélie von Wallenberg Pachaly. Eigentlich keine Nachricht, die einer Erwähnung wert wäre, wenn da nicht diese Bilder wären. Bilder, die von der Lokalpresse ins Netz gestellt wurden.

 Bilder, die eine andere Welt zeigen, abgehoben, sureal. Menschen, die sich als unsere Eliten bezeichnen, entrückt der Realität. Fast hundert Jahre, nachdem Adelstitel in Deutschland abgeschafft wurden, scheinen diese wieder Konjunktur zu haben. Verbindungen von Geld und Einfluss in der Wirtschaft mit mehr oder weniger bekannten und begüterten Adelsfamilien sind mittlerweile Selbstverständlichkeiten.

 Während uns die Yellowpress und die diversen Lifstilemagazine im Fernsehen ein Gefühl der geduldeten Neugier vermitteln, will uns eine bestimmte Art von Kitschfilmen mit denen uns das Fernshen fast jeden Abend versorgt die Aschenbrödelbotschaft nahe bringen, sei fleißig, unterwürfig, stell keine unerwünschte Fragen und glaub bis zur Selbstaufgabe an die Fürsorge der Oberschicht, dann kommt auch zu dir eines Tages der Prinz auf dem weissen Pferd und führt dich heim, auf sein Schloss.

 Dass dem nicht so ist, beweisen die Bildunterschriften. Diese Leute gehören einer eigenen Kaste an, weitab von der Realität der arbeitenden Menschen. Eine Kaste der Besitzenden (die Einen haben das Geld, die Anderen den Namen), die sich frei zu dem Bild der elitären Oberschucht bekennt. Eine Kaste, die sich, durch Geburt zum Führen berufen fühlt, ohne lästige Kontrolle, eher von Gottes Gnaden.

 Das hat nichts mit einer demokratisch verfassten Gesellschaft zu tun, und wirft doch ein bezeichnendes Bild auf den Zustand unserer Republik.. Es ist das Bild einer obrigkeitshörigen Gesellschaft. Nicht einmischen, selbst denken, zu eigenen Erkenntnissen kommen und mitbestimmen ist das Kredo, sondern Gehorsam und Unterwerfung. Wir, die breite Masse der Bevölkerung, die laut Grundgesetz die höchste Macht in Deutschland ist (Art. 20 GG: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus), geben freiwillig unser Selbstbestimmungsrecht auf. Wir lassen uns unsere Meinung machen und bemerken gar nicht, dass diese fremd bestimmte Meinung unseren eigenen, vitalen Interessen entgegen steht. Wir nehmen hin, was uns täglich als Wahrheit und als alternativlos vorgesetzt wird, ohne zu bemerken, dass wir übervorteilt werden.

 Eine Kaste der Unangreifbaren macht Politik. Ihr Geld, ihre Beziehungen, die sie ererbt haben, oder die Netzwerke, die sie auf Eliteschulen und Eliteuniversitäten knüpfen, schaffen Fakten, ohne zu fragen. Sie müssen nicht an die richtigen Türen klopfen, sie öffnen die Türen zu den Entscheidungsträgern der Politik, die ja formal die Geschicke der Nation leiten, weil die Entscheidungsträger längst Mitglieder ihrer Netzwerke sind. Man kennt sich feiert gemeinsam, lässt sich aushalten, hält aus, erweist sich Gefälligkeiten.

 Diese Gesellschaft ist schon seit Langem keine offene Gesellschaft mehr. Sie ist nicht mehr durchlässig. Aufstieg, aber auch Fall, sind praktisch ausgeschlossen. Genau so wenig, wie die Eliten Aufsteiger in ihre Reihen aufnehmen, genau so wenig lassen sie Ihresgleichen fallen. Ihr Orden hat bestand. Ende des neunzehnten Jahrhunderts, ist der langsam verarmende Adel einen Pakt mit dem aufstrebenden und durch die Industriealisierung zu Reichtum gelangtem Bürgertum eingegangen. Gemeinsam haben sie das Kaiserreich, die Revolution überstanden, haben die erste Deutsche Republik zerstört, sich, zugegeben oft zähneknirschend, dem Naziregime angepasst und wirtschaftlich daran partizipiert, haben die Entnazifizierung durch die Siegermächte schadlos überstanden, dank ihrer hervorragenden Beziehungen zu den Kirchen, die ihnen die „Persilscheine“ ausgestellt haben und haben sich in der neuen Republik eingenistet.

Schliesslich hatte man ja Widerstandskämpfer in den eigenen Reihen. Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg war keinesfalls ein glühender Anhänger der Demokratie sondern ein erzkonservativer Verfechter des Nationalismus, des Ständestaates und des Führertums. Trotz dieser, den Werten der jungen Bundesrepublik widersprechender Ansichten und Ziele, gelang es der Allianz aus Kriegsgewinnlern und Adel, Stauffenberg als den einzig relevanten Hitler-Attentäter hinzustellen. Alle Anderen, die versuchten Hitler aus dem Weg zu räumen wurden, mit zum Teil verleumderischen Mitteln, aus dem Gedächtnis der Nation gestrichen. Ein Beispiel dafür, ist der, dem Umfeld der KPD zuzurechnende, Bürgerbräukeller-Attentäter Georg Elser, der die Gefahr Adolf Hitler bereits 1939 erkannt hatte. Der rechtskonservative Pastor Martin Niemöller bezichtigte Elser der Mitgliedschaft in der SS.

 Hatten eben noch die Krupps, Thyssens, Flicks, von Fincks, Quandts, Oetkers, Mieles riesige Vermögen mit der Kriegswirtschaft verdient, hatten Zwangsarbeiter wie Sklaven in ihren Fabriken schuften lassen, bis sie tot umfielen, oder durch die sogenannte Arisierung ehemals jüdische Firmen in ihren Besitz gebracht, so dienten sie sich jetzt der jungen Bundesrepublik als Aufbauhelfer an.

 Schnell war eine neue Bedrohung von innen und aussen ausgemacht, der „Sowjetimperalismus und die Kommunisten im eigenen Land. Man fand sich wieder in den alten Zirkeln zusammen. Zunächst noch verdeckt, zurückhaltend wurde den Arbeitnehmern mit dem Begriff der sozialen Marktwirtschaft eine Teilhabe vorgegaukelt. Jeder solle seinen gerechten Anteil an einer prosperierenden Wirtschaft haben.

 Das änderte sich schlagartig nach dem, als Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus gefeierten, Zusammenbruch des Ostblocks. Alle Masken wurden fallen gelassen. Turbokapitalismus regierte. Dem hatte sich alles unter zu ordnen. Teilhabe, Demokratie, das Bild einer solidarischen Gesellschaft alles nur noch hohle Begriffe, leere Fassade. Entscheidungen des Parlaments sind nur noch die, Vollzugshandlung vorher in Hinterzimmern, elitärer Clubs oder auf Partys ausgeklüngelter Verabredungen.

 Man ist wieder wer und zeigt das auch ungeniert den staunenden Massen. Und wer man ist, das zeigt man auch. Wie in einer Monarchie bleibt man unter sich, verheiratet seine Kinder nur innerhalb dieser geschlossenen Gesellschaft. Der Unterschied zur Mafia ist, dass niemand zurück gelassen wird. Kein Mitglied dieser ehrenwerten Gesellschaft wird tot im Hafenbecken gefunden mit einem Betonklotz an den Füssen. Versager werden versorgt, ins Ausland verheiratet oder weggelobt. Nicht ganz trittsicheren Erben wird ein Geschäftsführer als Consigliere zur Seite gestellt, oder sie werden gleich in den Aufsichtsrat beordert.

 Bei hohen Familienfeiern zeigt man sich dem begeisterten Volk. Dann gibt man sich ganz wie bei Königs, erzkonservativ schon die Kleidung. Die Herren im Gehrock, die Damen mit Hüten auf dem Kopf wie beim Pferderennen in Ascot stellt man seinen Wohlstand zur Schau. Kirche und Politik sind zum salutieren angetreten.

 Sie geben sich keiner Tarnung mehr hin. Deutlich postulieren sie: Uns gehört die Welt und ihr seid dazu da, sie für uns zu bewirtschaften.

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