Samstag, 16. Februar 2013

Pferdefleisch in Lasagne - unser Pate, die Lebensmittelmafia


 Skandal, tönen die Medien. Skandal, schreien die Politiker. Pferdefleisch statt Rindfleisch in der Billiglasagne. Ein Thema, das die profilierungssüchtigen Selbstdarsteller so richtig in Fahrt bringt. Pflichtschuldigst nehmen Supermärkte und Discounter die eh nicht mehr zu verkaufende Ware aus ihren Kühltruhen. Die Fernsehsender laden die üblichen Verdächtigen, Ärzte, Lebensmittelchemiker, Ernährungswissenschaftler, Vertreter der Bioindustrie und Renate Kühnast, in die Studios. Schnell werden zum Seelenfrieden der aufgeschreckten Verbraucher ein paar Patentrezepte präsentiert, bessere Kontrollen, bessere Kennzeichnung, Gentests.

 Nach ein paar Tagen ist dann alles vorbei. Die nächste Sau steht bereit, durchs Dorf getrieben zu werden. Dann sieht man die gleichen Figuren mit den gleichen besorgten Gesichtern und den gleichen Patentrezepten, die vor allen Dingen einen Zweck haben, von den wirklichen Problemen und den echten Problemlösungen abzulenken.

 Immer geht es vordergründig um unsere Nahrungsmittel, in Wirklichkeit aber um unsere Ernährung. Das wichtigste in unserem Leben, die Nahrungsaufnahme spielt in der heutigen Zeit nur noch eine Nebenrolle, ein lästiges Übel, für das man weder Geld noch Zeit aufwenden möchte.

 Nahrung darf nichts kosten. Wir brauchen unser Geld für das neue Smartphon, den Tablet-PC, die modischsten Klamotten, das neue Auto und den Urlaub in Übersee.

 Für Essen und Trinken, geschweige denn für die Zubereitung unsere Speisen und Getränke, für einen bewussten Einkauf haben wir keine Zeit. Die Arbeit, das Fitnesstudio, shoppen, der Besuch von Discos und Clubs, Fernsehen, Videospiele, alles das ist wichtiger als unser Essen und Trinken. Das billigste Zeug wird aus dem Fastfoodrestaurant, aus der Tiefkühltruhe, den Regalen für Tütensuppen und Fertiggerichten nach Hause geschleppt und dort während wir Fernsehen gedankenlos in uns hineingestopft.

 Die Fertigung unserer Speisen überlassen wir einer profitinteressierten mafiaähnlich organisierten Nahrungsmittelindustrie. Einer Industrie, die nichts so gut kann, wie Herkunft und Qualität ihrer Produkte zu verschleiern. Dieser Wirtschaftszweig hat mehr Zwischenhändler als Erzeuger und Fabrikanten. Diese Zwischenhändler kaufen weltweit den meist maschinellen Großerzeugern ihr Fleisch, ihr Soja, den Weizen, ihr Obst und Gemüse, ihre Milch und ihren Wein ab.

 Diese Produkte, die zu dem geringen Preis, der bezahlt wird, nur unter Einsatz von Kunstdünger, Herbiziden, Pestiziden, Anabolika und jeder Menge Antibiotika produziert werden können. Dann werden sie um den halben Erdball befördert, zermahlen, zerhackt, verschnitten, verdünnt und weiter transportiert zu der Fabrik, die die günstigsten Preise anbietet um das fertige Produkt, das in den Supermärkten und bei den Discountern den Endverbrauchern angeboten wird, herzustellen.

 Bei jedem dieser Schritte gilt das Prinzip der Gewinnmaximierung. Die preisgünstigsten Rohstoffe, die geringsten Transportkosten, die billigste Produktion und die niedrigsten Löhne. Riesige Fleischfabriken vergeben Werksverträge für ganze Produktionsstrassen an Leiharbeiterfirmen aus Osteuropa. Die Arbeiter werden hierhergebracht, arbeiten für einen Hungerlohn und wenn sie nicht mehr können, dann verschwinden sie wieder in ihren Heimatländern. Tomaten und anderes Gemüse wird in Südeuropa von Erntehelfern aus Osteuropa und illegalen Einwanderern aus Schwarzafrika, die wie Sklaven gehalten werden, geerntet und in Konservenfabriken in Westafrika weiterverarbeitet.

 Und über allem thront die chemische Industrie. Sie macht mit ihren Geschmacksverstärkern, künstlichen Aromen und Koservierungsstoffen aus dem ganzen minderwertigigem, aus aller Welt zusammengekarrtem Zeug, das was wir für Pizza, Lasagne, Rindergulasch und Sahnegeschnetzeltes halten. Sie sorgt für den nötigen Crunch, damit bei uns das Gefühl von Frische entsteht. Sie stellt das Gas her, mit dem die Erdbeeren aus Südamerika, der Spargel aus Chile und die Bohnen aus China, die lange Reise auf den Seelenverkäufern, mit den Besatzungen aus Südostasien, den Weg zu uns überstehen, mit einem Aussehen, als seien sie eben im Garten nebenan geerntet worden.

 Ungeheure Mengen an Plastik, Papier, Folien und Aluminium werden vergeudet und in die Umwelt entsorgt, nur um uns den Trugschluss eines hochwertigen, frischen, schmackhaften Lebensmittels vorzugauckeln.

 Warum diesen Aufwand, diese Verschwendung? Die Antwort ist denkbar einfach: Es wird unheimlich gut verdient an unserer Ignoranz unserer Nahrung gegenüber. Selbst die oft zitierte Billiglasagne für 1,29 €, wirft für einige, skrupellose Händler noch genug für protzigen Geländewagen, Villa und Swimmingpool ab.

 Ändern wird an diesen unhaltbaren Zuständen niemand etwas. Dafür ist die Lobby der Nahrungsmittelmafia zu mächtig. Die zyklisch wiederkehrende Entrütung bei Politik und Presse ist nur Seelenmassage. Das gesamte System der Verschwendung, des Konsums bricht zusammen, wenn die Menschen sich auf das konzentrieren, was eigentlich für ihr Leben existentiell ist. Wer könnte sich schon in regelmässigen Abständen neue Fernseher, Autos, Fernreisen, Smartphones, Designerklamotten und Angeberuhren leisten, wenn er einen Grossteil seines Einkommens für eine gute ausgewogene, genussreiche Ernährung stecken würde?

 Wir, jeder einzelne von uns muss entscheiden was ihm wichtig ist. Nur wenn wir uns für Fastfood und Fertignahrung aus der Tiefkühltruhe, zu einem möglichst geringen Preis entscheiden, dann sollten wir die Lebensmittelskandale in Ruhe ertragen und uns nicht jedesmal aufregen und erzürnt nach Aufsicht und Kontrolle rufen.

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