Mittwoch, 22. Oktober 2014

Deutsche Qualitätsmedien machen sich zum Zentralorgan des Bundesnachrichtendienstes

 Deutschland kann stolz sein auf seine Schlapphüte. Die haben nämlich den Flugzeugabsturz der Malaysian Airlines Flug MH 17 vom 17. Juli über dem Rebellengebiet der Ukraine aufgeklärt. Zwar ist der BND nicht im Besitz auch nur irgendwelcher Beweise, weder at er Rdardaten, noch beobachtungen von Spionageflugzeugen oder gar eigene Satelitten, deren Bilder er hätte auswertenkönnen, er ist auch nicht im Besitz des Flugschreibers oder des Voicerecorders der Unglücksmaschine.

 Das ficht die unauffälligen Herren in den langen Ledermänteln und dem Guckloch in der vor die Nase gehaltenen Tageszeitung aber nicht an. Für sie ist klar, die „Separatisten“ in der Ostukraine haben der ukrainischen Armee eine Buk-Luftabwehreinheit geklaut, haben damit ein wenig in der Luft herumgeballert und dabei die Boeing vom Himmel geholt. Fall geklärt, Deckel auf die Akte und Ruhe ist.

 Eine Meldung wie geschaffen für die deutsche Kampfpresse. Aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium durchgestochen meldete als erstes “Der Spiegel“ : „BND macht Separatisten für MH17-Absturz verantwortlich“

 Alle anderen Blätter lieferten nach, schrieben ab vom Spiegel: Die FAZ: BND: Prorussische Separatisten schossen Passagiermaschine ab; Die Frankfurter RundschauBND: Prorussische Separatisten schossen Flugzeug ab; Bild: BND sicher: Es waren Putins Schergen! Die Welt: BND hat keine Zweifel an Schuld der Separatisten; Der TagesspiegelBND macht Separatisten für Abschuss von Flug MH17 verantwortlich; usw, usw.

 Alle Medien berichten übereinstimmend, der BND weise die Schuld eindeutig den "Separatisten" zu. Viele zitieren Schindler sogar wörtlich: "Es waren prorussische Separatisten."

 Der Berliner ARD-Korrespondent Rainald Becker drückte sich da in der Tagesschau am 19.10 um 13.15 Uhr schon weit vorsichtiger aus: „Das ist eben das wichtigste. Es sind Belege, es sind keine Beweise. Der Bundesnachrichtendienst legt wert auf die Feststellung dass der BND Präsident, dass  Gerhard Schindler eine Reihe von Plausibilitäten, nämlich diese Belege vorgelegt hat, die einen bestimmten Schluss sehr, sehr nahe legen. Das ist so in etwa, wie der BND sich einlässt."

 Recht hat der Herr Becker. So betrachten die niederländischen Behörden, die den Absturz der Boeing federführend untersuchen, den BND-Bericht mit äusserster Skepsis. Sie selbst sahen sich bei ihrem Zwischenbericht zu der Absturzursache, Anfang September, nicht in der Lage, eindeutig zu sagen ob die Maschine von einer Boden-Luft-Rakete, geschweige denn welchen Typs, von einer Luft-Luft-Rakete oder von der Bordkanone eines Kampfflugzeuges abgeschossen wurde. Natürlich konnten die Niederländer auch keinerlei Angaben darüber machen von welcher der Kriegsparteien das oder die Geschosse abgefeuert wurden.

 In einer kleinen Anfrage der Fraktion "Die Linke" im Bundestag behauptete die Bundesregierung, ebenfalls Anfang September, dass von zwei AWACS Flugzeugen, die über Polen und Rumänien kreisten und den Luftraum über der Ukraine überwachten, zur fraglichen Zeit am 17. Juli zwei Radarsignale erfasst wurden.

 Wörtlich: "Die AWACS erfassten in ihrem Auffassungsbereich Signale von einem Flugab- wehrraketensystem sowie ein weiteres durch AWACS nicht zuzuordnendes Radarsignal. Das Flugabwehrsystem wurde durch AWACS automatisiert als „Surface to Air-Missile“ SA-3 klassifiziert, ein in der gesamten Region routine- mäßig erfasstes Signal." (Bundestagsdrucksache 18/2521)

 Es ist also von einem SA-3 System, nicht einem Buk-System die Rede. Die Unterschiede zwischen einem SA-3 und einem Buk-System sind aber gewaltig, sodass das Radarsignal nicht verwechselt werden kann, es sei denn man schaltet das Leitradar, das die Rakete in ihr Ziel steuert aus. Ohne Leitradar ist aber eine in 10.000 Meter Höhe fliegende Maschine nicht zu treffen. Weiter wird von einem nicht "zuzuordnendem" Radarsignal berichtet.

 Man darf schon fragen, warum der BND nicht einmal in der Lage ist, allgemein öffentlich zugängliche Quellen wie die Drucksachen des Deutschen Bundestages, zu lesen.

 Der vagen Hoffnung, den Abschuss der Malaysian Airlines Maschine doch noch den sogenannten "Separatisten" in die Schuhe schieben zu können, ist es wohl geschuldet, dass alle Blätter, als auch alle Radio- und Fernsehstationen so tun, als sei der BND eine regierungsamtliche Nachrichtenagentur, nur der Wahrheit und Aufrichtigkeit verpflichtet. Das ist allerdings keinesfalls die Aufgabe eines Nachrichtendienstes. Der betreibt nämlich ausser Spionage auch gezielt Desinformation. Das heißt für Journalisten, besonders wenn sie gezielt, mit ansonsten geheimen Nachrichten versorgt werden, doppelte und dreifache Sorgfaltspflicht und eigene Recherche. Nur eine unfreie, einzig auf Propaganda ausgerichtete Presse veröffentlicht Geheimdienstinformationen ungeprüft.

 Auch über den BND selbst, über seine bekannt gewordenen Tätigkeiten und sein politische Ausrichtung, sowie die Frage  seiner Unabhängigkeit von US-amerikanischen und britischen Diensten lohnt es, sich einmal schlau zumachen.

 Ursprung des BND ist die "Organisation Gehlen", benannt nach dem Generalmajor der Wehrmacht und Chef der Abteilung "Fremde Heer Ost". Gehlen war Mitglied der NSDAP. Zum Kriegsende brachte er die gesamten Unterlagen der Abteilung "Fremde Heere Ost" in Bayern in Sicherheit. Diese Dokumente und das Wissen Gehlens, wurden für die USA im heraufziehenden Kalten Krieg so wichtig, dass sie den Kriegsgefangenen Gehlen zurück nach Deutschland brachten und ihn mit dem Aufbau eines deutschen Nachrichtendienstes beauftragten.

 Gehlen heuerte, mit der Rückendeckung der Amerikaner eine große Anzahl der alten Kameraden an. Bei Wikipedia liest sich das dann so: "Für den BND bzw. seinen Vorläufer, die Organisation Gehlen, waren unter anderem der ehemalige Gestapo-Chef in Lyon Klaus Barbie, der ehemalige enge Eichmann-Mitarbeiter Alois Brunner, der ehemalige Leiter der Geheimen Feldpolizei Wilhelm Krichbaum, der ehemalige Leiter des „Judenreferats“ des Auswärtigen Amtes Franz Rademacher, der Erfinder der mobilen Gaswagen Walther Rauff, der ehemalige Offizier im Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B, Konrad Fiebig sowie der ehemalige Chef des Vorkommandos Moskau der Einsatzgruppe B Franz Alfred Six tätig."

 Das waren also nicht irgendwelche kleinen unbedeutende Mitläufer, das waren Mörder und Verbrecher, die ihr Leben und ihre Freiheit ab nun einzig und allein dem Wohlwollen der amerikanischen Besatzer schuldeten. Erst 1956 wurde die "Organisation Gehlen" von der Deutschen Bundesregierung übernommen, in Bundesnachrichtendienst umbenannt und dem Bundeskanzleramt direkt unterstellt. Reinhard Gehlen ist mit seinen 22 Amtsjahren als Präsident der Organisation Gehlen und des späteren Bundesnachrichtendienstes, der Präsident der mit Abstand am längsten im Amt war.

 Der BND galt von Anfang an, bis in die heutige Zeit als politisch extrem rechts stehend und bei der Erfüllung seiner Aufgaben als auf dem rechten Auge blind. Auch lassen einige Aktionen des Amtes, besonders im Hinblick auf den Irakkrieg den Schluss zu, dass der BND, zumindest, in engen Beziehungen zu US-amerikanischen Diensten zu stehen, wenn nicht sogar von diesen ferngelenkt zu werden.

 So lieferte der BND US-Präsident George W. Bush einen Grund für dessen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak. Unvergessen ist der Auftritt des damaligen Aussenministers der USA, Colin Powell, im UN-Sicherheitsrat, bei dem er angebliche Beweise für den Besitz mobiler C-Waffenfabriken im Irak vorlegte. Diese angeblichen Beweise gründeten sich auf den Iraker Rafid Ahmed Alwan, Codenamen "Curveball". Altan kam 1999 in die Bundesrepublik Deutschland. Der Taxifahrer mit abgebrochenem Chemiestudium log dem BND vor, er sei im Irak Direktor einer Chemiewaffenfabrik gewesen. Auch von mobilen Anlagen zur Herstellung chemischer Kampfstoffe berichtete er.

 Der BND gab die "Informationen" an die USA weiter. Später behauptete der BND, man habe die amerikanischen Stellen des öfteren gewarnt, der Mann sei nicht zuverlässig. Merkwürdig ist nur, dass der "Trinker und notorische Lügner" von 2001 bis Ende 2008 in einer Tarnfirma des BND beschäftigt wurde. Dort erhielt er ein monatliches Gehalt von ca. 3.000 €. Der BND half dem Mann auch bei der Suche nach einer Wohnung, indem er eine Kaution von 2.130 € hinterlegte. Altan klagte gegen seine Kündigung 2008 vor dem Arbeitsgericht München. Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Gericht berief sich auf § 172 Artikel 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, der da lautet:
Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,
 Weiter steht der BND im Verdacht während des Irakkrieges den USA militärisch relevante Daten übermittelt zu haben.  "Spiegel-online" schreibt am 14.01.2006: "So wurden etwa Kenntnisse über Truppenbewegungen in Bagdad und die Position von Verteidigungsstellungen weitergegeben", und weiter: "Amerikanische Geheimdienstler drängten nach SPIEGEL-Informationen in der BND-Zentrale unablässig auf Zugang zu den als höchst nützlich betrachteten Daten. Im Gegenzug übermittelten die US-Geheimdienste dem BND Informationen über den Kriegsverlauf, die der deutsche Auslandsgeheimdienst für seine Lageberichte an die Bundesregierung nutzte."

 Wie in solchen Fällen üblich wiesen der BND und sein damaliger Dienstherr der Leiter des Bundeskanzleramtes unter Bundeskanzler Schröder, der jetzige Aussenminister, Frank-Walter Steinmeier, alle Anschuldigungen zurück. Der Spiegel aber weiss: "Weil die Informationen des BND als wertvoll angesehen wurden, bedankten sich hochrangige Beamte der Bush-Administration und Generäle des Pentagon nach dem Krieg mehrfach für die Unterstützung."

 Unklar ist auch die Rolle des BND bei der Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri. El Masri wurde Sylvester 2003 an der serbisch-mazedonischen Grenze verhaftet, 23 Tage in Skopje gefangen gehalten und anschliessend den Amerikanern übergeben. Er wurde zusammengeschlagen durch eine Injektion betäubt und in einem Flugzeug in ein amerikanisches Foltergefängnis nach Kabul verschleppt. Dort wurde er 5 Monate gefangen gehalten. Der BND soll schon am Tage seiner Verhaftung von dem Fall Kenntnis gehabt haben.

Der Bundesnachrichtendienst ist eben keine Nachrichtenagentur. Vielmehr dient er den Regierenden dazu, Nachrichten und Meinungen in ihrem Sinne zu produzieren. Seine Profession ist nicht Information sondern Desinformation. Offensichtlich sollte mit der Meldung über die angebliche Aufklärung der Tragödie um den Flug MH 17 den immer lauter werdenden Fragen nach der Absturzursache und der Schuld am Tod von 298 Menschen, ein Ende gesetzt werden. Es ist ein Skandal, dass die deutschen Qualitätsmedien "Nachrichten" aus dem Hause BND ungeprüft verbreiten, sich praktisch als dessen Zentralorgan missbrauchen lassen.

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für dieses aufschlussreichen Artikel.

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  2. Das ZDF Heute-Journal hat in der Anmoderation zum Beitrag über die MH17 - BND Geschichte noch eins drauf gesetzt, indem behauptet wurde, dass es laut BND "russische (sic!) Separatisten" gewesen seien.

    Heute-Journal 20.10.2014, 16 Min. 30 sec.:
    (...) Russland behauptet, dass ein ukrainischer Kampfjet die Boing abgeschossen habe, das halten westliche Dienste für praktisch ausgeschlossen, sind sich aber ansonsten nicht ganz einig. Der deutsche BND hat sich zu der Auffassung durchgerungen, dass russische Separatisten ein erbeutetes Abwehrsystem abgefeuert haben, ohne zu wissen was da oben überhaupt fliegt (...) demnach wären es Separatisten gewesen. Dafür gebe es Hinweise aber keine Beweise. (...)
    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/228#/beitrag/video/2264998/ZDF-heute-journal-vom-20-Oktober-2014

    An Zufall oder Versprecher bzw. 'Verleser' mag ich da nicht so recht glauben.

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