Montag, 30. März 2015

Politik und Journalisten Hand in Hand beim Katastrophentourismus

 Ich muss schon sagen, es ist mir schwer gefallen diesen Brechreiz zu unterdrücken. 150 Menschen sind gestorben weil ihr Flugzeug in den französischen Seealpen an einem Berg zerschellt ist. Die Absturzstelle ist äusserst schwer zu erreichen. Die französischen und internationalen Hilfs- und Bergungsmannschaften brauchen jede Hand. Der kleine Ort Seyne-les-Alpes, von dem aus die Bergungstrupps operieren gleicht einem Heerlager.

 Man möchte glauben, dass im Angesicht von so viel Trauer und Elend bei den Angehörigen der Opfer, ein jeder respektvoll zurücktritt und die Helfer ungehindert ihre Arbeit machen lässt.

 Aber Pietät, Mitgefühl und die Zurücknahme der eigenen Person erwartet man wohl bei der politischen Kaste vergeblich. Sie drängen sich vor, ins Rampenlicht.  Und auch die Journaille giert ungeachtet der menschlichen Tragödie nach Bildern und Statements von Politikerinnen und Politikern.

 Bereits am Dienstag, die Maschine aus Barcelona, mit der Flugnummer 4U9525 ist kaum von den Radarschirmen der Fluglotsen verschwunden, da fliegen bereits Aussenminister Steinmeier und Verkehrsminister Dobrindt nach Südfrankreich. Dort entern sie einen Hubschrauber und lassen sich die Absturzstelle von oben zeigen, noch bevor die Bergungsmaschinen sich in dem unwegsamen Gelände zu dem in tausend Teile zerborstenem Flugzeug vorgearbeitet haben. In ihrer Ausgabe um 17.00 meldet die Tagesschau, dass noch keine Helfer zur Unfallstelle vorgedrungen sind. Die Tagesthemen der ARD wussten am Dienstag Abend zu berichten:
"Am späten Nachmittag überflog auch Aussenminister Steinmeier die Unfallstelle. Morgen wird Angela Merkel erwartet. In den nächsten Tagen vielleicht die Angehörigen."
 Noch im Laufe der Sendung meldete sich dann auch Minister Dobrindt von seinem Kurzausflug nach Südfrankreich zurück. Vor einem angestrahlten Regierungsjet, Type Bombardier 5000, im Hintergrund gab er sein nichtszagendes Statement ab. Was er in Seyne-les-Alpes eigentlich gemacht hat, blieb bis auf die Tatsache, dass er sich als Katastrophentourist von einem Hubschrauber über die Absturzstelle hat fliegen lassen, im Dunkeln des Berliner Flughafens Tegel.

Verkehrsminister Dobrindt zurück auf dem Berliner Flughafen Tegel

 Um Sätze wie diesen in ein Mikrofon zu stammeln:
"Es ist unglaubliches Leid, was leider hier jetzt durch diesen schweren Unfall zu Tage tritt."
ist der Mann mit einem Jet nach Südfrankreich geflogen, hat dort einen Helikopterflug gemacht, ist wieder in den Privatjet der Bundesregierung gestiegen und war am gleichen Abend schon wieder zurück bei Muttern.

Steinmeier liess die erstaunte Öffentlichkeit via Tagesschau  noch aus Seyne-les-Alpes wissen:
"Es ist eine schreckliche Katastrophe, ein grosses Unglück und zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiss man noch nicht, wie es dazu kommen konnte, was sich genau im Cockpit ereignet hatte. Darüber werden die Flugschreiber Auskunft geben müssen."

Aussenminister Steinmeier noch in Seyne-des-Alpes

In einer miserablen Inszenierung für die Medien sind zwei deutsche Minister als Katastrophentouristen in die französischen Seealpen geflogen. Noch bevor die Bergungsarbeiten dort anlaufen konnten, haben sie wesentliche Kräfte der französischen Sicherheitsbehörden gebunden. Sie mussten empfangen werden, geführt und begleitet werden und ihre Sicherheit musste gewährleistet werden. Um kurz vor elf Uhr am Morgen ist die Germanwings-Maschine abgestürzt. Bereits um 17.00 Uhr war die deutsche Ministerdelegation und in ihrer Folge die internationale Pressemeute vor Ort, gerade in der Phase, als auch die Helfer aus allen Teilen Frankreichs eintrafen. - In einem kleinen Ort, von gerade einmal 1400 Einwohnern. Ein völlig sinnloser Besuch, der einzig und allein der PR der Herren Minister diente.

 Damit aber nicht genug. Waren am Dienstag den 24. März Vertreter der beiden Juniorpartner der grossen Koalition, SPD und CSU medienwirksam nach Seyne-des-Alpes geflogen, so beanspruchte die Kanzlerin die gesamte Aufmerksamkeit der Presse am Mittwoch den 25. März für sich. Dem Parteienproporz musste schliesslich Genüge getan werden.

 Merkel flog am Mittag zu einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Hollande und dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoi in das kleine, mittlerweile zu einigem Ruhm gekommene Seyne-les-Alpes. Ein Unterfangen, dass die Journaille förmlich aus dem Häuschen brachte. Da verschoben sich schon mal Titel und Amtswürden. In der Tagesschau sprach man von den Staatsoberhäuptern, obwohl nur Präsident Hollande Staatsoberhaupt ist, Merkel und Rajoi sind lediglich Regierungschefs, und Merkel erhielt den Ehrentitel "des quasi Staatskommissars".

 Die Nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Kraft durfte in Merkels Jet mitfliegen. Allerdings war für sie bei dem Treffen nur am Katzentisch Platz und sie musste sich immer in gemessenen Abstand zu Merkel halten.

In Trauer vereint - aber ein gewisser Abstand muss schon gewahrt bleiben zwischen Merkel und Kraft.

Allerdings hatten die Tagesthemen dann doch ein Einsehen. Ministerpräsidentin Kraft sollte nicht umsonst zu Füssen Merkels in die französischen Seealpen geflogen sein. Ein mitfühlender Tagesthemen-Mitarbeiter hielt auch ihr ein Mikrophon hin, in das die Ministerpräsidentin denn auch gleich ausgemachten Unsinn plapperte:
"Also ich glaub' wir alle sind tief getroffen von dem was wir gesehen haben, von denn Bildern, auch von den Gesprächen mit den Helferinnen und Helfern. Hier sind Viele in ganz schwieriger Mission unterwegs und wir haben versucht ihnen klar zu machen, dass wir mit dem Herzen bei Ihnen sind."
 Was für ein hirnloser Blödsinn.

 Welch ein Aufwand allerdings für die Merkelshow in Seyne-les-Alpes getrieben wurde und wie sehr die Bergungsarbeiten dadurch behindert wurden kann man nur erahnen. Aber ein paar versteckte Hinweise darauf geben die Bilder der verschiedenen Ausgaben der Tagesschau. In der 14.00 Uhr Ausgabe berichtet Mathias Werth von vor Ort. Im Hintergrund sieht man Helfer der Gendarmerie nationale wie sie Sperrgitter aufbauen und eine grössere Anzahl ihrer Fahrzeuge, die darauf schliessen lassen mit welcher Mannschaftsstärke sie angerückt sind. Die Aufgabenstellung der Gendarmerie nationale wird bei Wikipedia wie folgt beschrieben:
"Der Gendarmerie nationale unterstehen darüber hinaus weitere Spezialkräfte, so 17 Hochgebirgszüge in den französischen Alpen und dem Massif Central in Frankreich. Sie übernehmen Einsätze zur Rettung und Bergung z.B. von in Bergnot geratenen Wanderern oder Bergsteigern sowie polizeiliche Aufgaben bei Unglücksfällen und Straftaten in diesem besonderen Umfeld. Ihre Beamten sind als Bergführer ausgebildet und verfügen über Lawinensuchhunde."
 Kräfte der Bergungskräfte in Mannschaftsstärke wurden also für Stunden für den Mummenschanz der Kanzlerin gebunden. In Deutschland können Schaulustige bei Verkehrsunfällen oder Ähnlichem, wenn sie die Rettungsarbeiten behindern, von den Ordnungskräften gewaltsam vom Ort des Geschehens entfernt werden.

Links im Bild ist im Hintergrund sehr gut zu erkennen, wie Kräfte der Gendarmerie nationale Sperrgitter aufbauen, dahinter ihre Fahrzeuge
 
Zum Vergleich eine spätere Schaltung, - die Kanzlerin und ihre Entourage sind bereits gelandet. Deutlich zu erkennen, die zwei Hubschrauber rechts hinter Matias Werth. In dem grauen Helikopter sind Merkel Hollande und Kraft eingeschwebt.
 Bilder der Tagesschau um 16.00 Uhr zeigen den gewaltigen Auftrieb an Journalisten und Sicherheitskräften. Eingeordneter Bergungsbetrieb war nicht mehr möglich. Die Rettungshubschrauber mussten am Boden bleiben.

Die Armeehubschrauber mit denen Merkel, Kraft, Hollands und Rajoi nach Seyne-les-Alpes geflogen wurden, umringt von Journalisten, Schaulustigen und Sicherheitskräften. Im Hintergrund das Heck eines Rettungshubschraubers.
Die Rettungshubschrauber, ohne die nichts geht in dem unwegsamen Gelände der Absturzstelle und mit denen die Bergungskräfte zu ihren Einsätzen geflogen und wieder zurückgeholt werden, stehen nutzlos am Boden.

 In einer Halle wurde alles für den medienwirksamen Auftritt Merkels, Hollands und Rajois anlässlich einer Pressekonferenz vor Ort hergerichtet. Rednerpulte wurden aufgebaut und mit einer Audioanlge versehen, die Fahnen Europas, Spaniens, Frankreichs und der Bundesrepublik wurden aufgestellt und die Rückwand mit schwarzem Tuch verhüllt. Ein kleines Pressezentrum für die Journalisten aus aller Welt musste errichtet werden. Der ganze Aufwand, während ein paar Kilometer entfernt, Helfer unter den schwierigsten Bedingungen ihre Arbeit machen mussten. Eine perverse Schau der Politik, befördert von skrupellosen Journalisten, die nicht ein Wort der Kritik fanden.

Aufwand gerechtfertigt? Mummenschanz im Angesicht von 150 Toten.
 Ohne auch nur das geringste Schamgefühl nutzte die Politik das grauenhafte Flugzeugunglück aus, um sich in den Vordergrund zu schieben. Worte der Trauer, ob ernst gemeint oder nur so daher gesagt klangen im Angesicht dieser masslosen Selbstdarstellung hohl und aufgesetzt.

Alle Bilder Screenshots ARD Tagesschau und Tagesthemen

5 Kommentare:

  1. Guter Beitrag.

    Aber der Wähler will so eine Mutti Merkel. Und der Gebührenzahler ist zu doof, fett
    und feige, das in Frage zu stellen.
    Wenn unsere Finanzierung mittels Schulden und Glauben nicht mehr funktioniert, was ist dann los?
    Frage ich mich seit Jahren.

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  2. Danke! Zum Erscheinen der Politiker am Unglücksort auch
    26.3.2015 – Basler Zeitung
    Deplatzierte Selbstdarsteller
    Nach dem Flugzeugabsturz in den französischen Alpen reisten Politiker an den Unglücksort. Die Berechtigung derartiger PR-Stunts muss jedem vernünftig denkenden Menschen fragwürdig erscheinen. – von Hansjörg Müller
    http://bazonline.ch/ausland/europa/Deplatzierte-Selbstdarsteller/story/10690203

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  3. Komplizenhafte Komplizenschaft!
    http://de.wikipedia.org/wiki/Komplizenschaft

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  4. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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    1. Kommentar ohne jeden Bezug auf den Artikel. Verweis auf das in voller Länge zitierte Original fehlt.

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