Samstag, 14. Januar 2012

Bielefeld erhält ein Haus der Bildung


Nun soll es endlich werden, Bielefeld wird Metropole, zumindest Metropole des Konsums. Baudezernent Gregor Moss und die überwiegende Ratsmehrheit planen eine große Shoppingmail zwischen Kesselbrink, Herforder Straße, Wilhelmstraße und Post. Der Investor MFI möchte hier alles platt machen und einen Konsumtempel der besonderen Art errichten. Die Stadt bietet als Morgengabe das Gelände der ehemaligen Stadtbücherei, die ja gerade aus dem ehemaligen Amerikahaus ein Haus der Bildung macht. Mal abgesehen von diesem Gigantomanismus ist es in der Regel so, dass Investoren alles investieren, ausser ihr eigenes Geld. Aber davon später mehr.

Die Geschichte
 Wie konnte es zu dieser "schönen" Idee kommen?
Im Jahre 1991, CDU und BfB bildeten eine Mehrheit im Rat, holte man sich den ehemaligen Maoisten, inzwischen aber zum rechten Glauben konvertierten und atemlos die Karriereleiter emporkletternden Florian Mausbach als Baudezernenten in die verschlafene Stadt am Teuto. Mausbach wollte Grosses.
 Der damals gewaltig expandierende amerikanische Spielwarenhändler "Toys are us" suchte einen neuen grossen Laden, um auch in Bielefeld den inhabergeführten Spielwarenhandel platt zu machen. Da traf es sich besonders gut, dass Mausbach über ein städtisches Grundstück an der Paulusstrasse (das alte Marktgelände) verfügte und mit Hartmut Wolff einen, Amerika affinitiven und leicht zum Grössenwahn neigenden Makler, der unbedingt seinen Traum von einem Amerikahaus wahr machen wollte, als Investor an der Hand hatte.
 Alle Experten rieten ab. Das Gelände sei völlig ungeeignet für Einzelhandel. Aber was stört das einen Mausbach, der schliesslich bei Mao Tsetung gelernt hatte, dass einzig und allein der Wille entscheidend sei. Und was störte es eine Ratsmehrheit, die Bielefeld endlich durch den Kuss des Turbokapitalismus aus seinem Dornröschenschlaf erwecken wollte.
 Kurz um, das Amerikahaus wurde gebaut und 1993 zogen "Toys are us", dessen Tochterunternehmen "XXL-Schreibwaren" und im Erdgeschoss der "Kaiser's Lebensmittelmarkt" ein.
 Da aber der Wunsch nun mal selten der Wirklichkeit entspricht, nahm das Desaster schnell seinen Lauf. schon 1995 schloss  der "XXL-Schreibwarenmarkt", 1998 gab dann auch "Toys are us" auf, zahlte die Miete für die Restmietdauer von 15 Jahren und verschwand aus Bielefeld.. Das Gebäude stand praktisch leer.
 Amerikafreund Wolff hatte zwischenzeitlich für 36 Mio. Euro an den Immobilienfond HFS 11 verkauft, da er finanziell auf dem Zahnfleisch lief. Mausbach hatte sich, grösseres vor Augen schon 1995 nach Berlin aus dem Staube gemacht unter Zurücklassung dieser abscheulichen Alcina-Uhr auf dem Jahnplatz.
 Der neue Eigentümer HFS 11 kaufte nach und nach auch noch das Telekomgebäude und die alte Post und faselte immer mal wieder von grossen Investitionen zur Belebung des Viertels. In Wahrheit aber tat sich nichts. Musste auch nicht, dank der grosszügigen Zahlung von "Toys are us" waren die Investoren ja zunächst einmal befriedigt.
 2013 allerdings so war klar wäre dieser paradiesische Zustand beendet, sollte da nicht ein kleines Hintertürchen sein von dem die Öffentlichkeit nichts wusste und bis heute nichts weiss. Ein, wie bei solchen Geschäften nicht unüblicher geheimer Zusatzvertrag, in dem die Stadt Bielefeld gegenüber dem Investor eine feste Summe garantiert. Diese Summe ist identisch mit der Summe aller Mieteinnahmen während eines festgelegten Zeitraums, meist 40 - 50 Jahre. Das heisst, die Stadt Bielefeld muss die Miete bis mindestens 2033 berappen, egal ob sie die Immobilie nutzt oder nicht.

Das Finanzierungsmodell
 Warum solche Verträge? Ganz einfach Investoren wollen möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen und zwar ohne Risiko. Das Modell sieht so aus (um einfacher zu rechnen gehen wir eimal von 40 Jahren aus):
Die Bausumme beträgt 36 Mio. Euro. Davon bringt der Investor 10%, also 3,6 Mio. Euro auf. Der Rest wird finanziert. An Mieteinnahmen werden 64 Mio. Euro in den nächsten 40 Jahren veranschlagt. Macht ein Gesamtvolumen von 100 Mio. Euro. Diese 100 Mio. macht der Investor unmittelbar zu Geld. Er verkauft Gebäude und Mietforderung an eine Bank. Die zahlt ihm bar in die Hand 70% der Gesamtsumme, also 70 Mio. Euro. Am Ende der Laufzeit, nach 40 Jahren stellt dann die Bank die Gesamtsumme von 100 Mio. fällig. An Einnahmen sind in dieser Zeit zusammen gekommen: 64 Mio. Mieteinnahmen plus ca. 15 Mio. an Abschreibungen also 79 Mio. Euro. Der Investor zahlt somit 17,4 Mio. aus seinen Rücklagen plus 3,6 Mio. aus dem Eigenkapital. Er hat also einen Reingewinn von 70 Mio. minus 17,4 Mio. aus Rücklagen und 3,6 Mio. Eigenkapital, macht 49 Mio. Euro oder 1360 % und zwar sofort.
 Dieses schöne Konstrukt funktioniert allerdings nur wenn das Ganze durch einen absolut potenten Partner abgesichert ist. Und da kommt die Stadt Bielefeld zu ihrer Aufgabe. Sie sichert gegenüber der Bank die 100 Mio. Euro ab und zwar bis zum letzten Tag in voller Höhe. Geht zum Beispiel der Investor Pleite oder das Haus wird zerstört und kann keine Einnahmen mehr generieren, dann zahlt die Stadt die vollen 100 Mio. Euro, egal wieviel sie vorher schon an den Investor gezahlt hat, denn an die Bank ist ja noch nicht ein einziger Euro geflossen.
 Diese Abmachungen werden natürlich nicht öffentlich. Es sind Geheimverträge über die der Stadtrat ohne Einsicht in die Verträge abstimmen muss, oder über deren Existenz nur eine kleine elitäre Gruppe überhaupt etwas weiss. Eine Veröffentlichung gilt als Vertragsbruch.

Indizien
 Natürlich kann ich nicht beweisen, dass es diese Verträge im Zusammenhang mit dem Amerikahaus gibt, aber viele Indizien deuten darauf hin.
 Da ist zunächst der völlig unsinnige Umzug der Stadtbücherei aus einem der Stadt gehörenden Gebäude in ein Haus, das für diesen Zweck völlig ungeeignet ist. Der untere Teil der Tiefgarage, in den bei jedem größeren Regenschauer Wasser durch Wände und Boden dringt wird zum Archiv umgebaut. Die Decken können die Last der Bücher nicht tragen und müssen verstärkt werden. Fensteröffnungen müssen in das fensterlose Gebäude geschnitten und die Rolltreppe durch eine Freitreppe ersetzt werden. Diese ganzen Umbaumassnahmen kosten die Stadt nach eigenen Angaben 11,5 Mio. Euro. Dazu kommt die Miete, bei zwanzig Jahren gute 34 Mio. Euro, bei 25 Jahren 45 Mio.Euro. Für Miete und Renovierungskosten zahlt der Steuerzahler also 45,5 Mio. oder gar 56,5 Mio. Euro..
 Dazu die teils wütende Reaktion von CDU,  SPD, Grünen , FDP und BfB auf das Bürgerbegehren der Partie die Linke mit Beschimpfungen und Anfeindung bis hin Zur Klageandrohung. Klage wogegen? Vielleicht weil der Stadt Schaden entsteht, weil ein rechtsverbindlicher Vertrag nicht erfüllt wird?
Und letztlich dieser merkwürdige Ausspruch durch Baudezernent Moss, als man kurzfristig der Meinung war, die BGW hätte das Amerikahaus vom Immobilienfond HFS gekauft: "Wir haben dadurch einen Partner (gemeint war die BGW) mit dem wir auf Augenhöhe verhandeln." Warum aber kann die Verwaltung einer 300.000-Einwohnerstadt nicht mit einem eher kleinen Immobilienfond auf Augenhöhe verhandeln? Doch wohl nur, wenn der Fond ein dickes Faustpfand besitzt. Viele Fragen sind offen, aber 56,5 Mio. Euro aus dem Stadtsäckel sollten es den Bielefeldern wert sein, diese Fragen zu stellen.

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