Montag, 5. März 2012

Die Ostalgie der Konservativen

 Die DDR hat Konjunktur. Über 20 Jahre, nachdem der ehemalige „Arbeiter- und Bauernstaat“ aufgehört hat zu existieren, ist er mehr denn je in aller Munde. Dabei sind es nicht etwa die Protagonisten und Anhänger der Partei „Die Linke“, die in Nostalgie schwelgen. Vielmehr scheinen die Konservativen Kräfte der Republik, mangels eigener Kreativität, sich der alten Zeiten voller Inbrunst zu bemächtigen.

 Der zukünftige Bundespräsident, Joachim Gauck, ein in der Wolle gefärbter Konservativer, wäre ohne DDR-Hintergrund gar nicht denkbar. Er, der erst in der zweiten Oktoberhälfte des Jahres 1989 die schützenden Mauern der Kirche verliess und zum damaligen Widerstand stiess, als die Schlacht bereits gewonnen war, bezieht seine Reputation, seine Beliebtheit und seinen präsidentialen Habitus einzig und allein aus dieser Tatsache. Zu den Themen der Gegenwart, Sozialabbau, Turbokapitalismus,  der Geiselhaft ganzer Staaten durch Banken und Hedgefonds, Neokolonialismus, der sich in Kriegen rund um die Welt manifestiert, hat Gauck nichts zu sagen. Diese Themen interessieren ihn schlicht und einfach nicht.

 Frühzeitg war Gauck in der Zeit des Umbruchs klar, dass die Träumereien des grössten Teils der Oppositionsgruppen, die DDR zu reformieren, sie aber in ihrer Eigenstaatlichkeit zu erhalten, angesichts des offen zur Schau gestellten Okupationswillens Bundeskanzler Kohls, jeder Grundlage entbehrten. Er schlug sich schnell auf die Seite derjenigen, die von Wiedervereinigung redeten, in Wirklichkeit aber eine Einverleibung der DDR in westdeutsches Staatsgebiet betrieben, als Sieger über die ostdeutschen Verlierer. Der dicke Kohl dankte Gauck, indem er ihn 1990 zum Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde machte, auch „Gauck-Behörde“ genannt. Aus der dort erworbenen Popularität saugt der Mann noch heute Honig.

 Ebenfalls aus dem Umfeld der evangelischen Kirche der DDR stammt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Frau, die den Abend der Maueröffnung in der Sauna verbrachte, lehnte den Vorschlag einer Bekannten, sich das Geschehen aus der Nähe anzusehen mit den Worten ab, mann müsse erst mal sehen was aus dem Ganzen werde. Dieser Wahlspruch könnte übrigens über der gesamten Kanzlerschaft der ehemaligen FDJ-Aktivistin stehen, deren Stasiakten ihr auf eigenen Wunsch ausgehändigt wurden.

 Ausser auf die menschlichen Resourcen der untergegangen DDR, greifen Konservative aber auch gern zur Keule der Verleumdung als ewig Gestrige, wenn es darum geht, politische Gegner zu verunglimpfen. So versuchte die FAS am letzten Sonntag, während sie Gaucks Sohn Christian zwei lange Seiten über seinen Vater menscheln liess, die Präsidentenkandiatin der Linkspartei, Beate Klarsfeld, in einem zermürbend langatmigen Text, in die Nähe von SED und Stasi zu zerren.

 Aber nicht nur Prominente werden als Altkommunisten  und Stasi-Helfershelfer verunglimpft. Längst ist es Mode geworden alle Mitglieder der Linkspartei als Kumpanen des DDR-Systems zu beschimpfen, selbst wenn diese, wie zumeist in den westlichen Bundesländern nie etwas mit SED oder Stasi zu tun hatten.

 Es ist halt zu verlockend, mangels eigener Argumente die gesamte Bewegung gegen Sozialabbau und für eine gerechtere Verteilung des, von allen erwirtschafteten, Volkseinkommens mit einem, wenn auch noch so sehr an den Haaren herbeigezogenen Hinweis auf das Unrechtssystem der DDR, zu desavoieren.

 Wir werden in den nächsten Jahren in dieser rückwärts gewandten Politik verharren, auch Dank eines Bundepräsidenten, der nur ein Thema hat, diesen von Hass verzerrten Blick auf ein längst vergangenes Stück deutscher Geschichte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen