Montag, 17. September 2012

Wie mit falschen Begrifflichkeiten und bewussten Unwahrheiten die Rente ruiniert wurde

 Plötzluch reiben sich alle verwundert die Augen. Altersarmut, wie konnte es dazu kommen? Alle die, die Anfang der 2000er Jahre ins gleiche Horn stiessen: Die Rente sei nicht mehr finanzierbar, in Zeiten zunehmender Lebensdauer und abnehmender Geburten, sei klar, dass eine Rente aus dem Umlageverfahren nicht mehr funktionieren könne. Horrorvisionen wurden an die medialen Wände gemalt, nach denen in Zukunft ein Arbeitnehmer zwei und mehr Rentner ernähren müsse. Der einzige Ausweg, so schrieb einer vom anderen ab, sei die private Vorsorge am Kapitalmarkt. Das klang ein bisschen so, als wachse das Geld an Bäumen und man müsse es nur abpflücken.

 Warnende Stimmen, wie der Buchautor und Betreiber der Nachdenkseiten, Albrecht Müller, wurden als ewig Gestrige und gefährliche Miesmacher gebrandmarkt, die nur die Menschen davon abhielten ihr sauer verdientes Geld in die verschiedenen Vorsorgesysteme zu stecken und somit Schuld an einer späteren Altersarmut der Menschen hätten.  Eine Situation in der das Geld der Vorsorgesparer verloren gehen könnte, wurde nicht nur kategorisch ausgeschlossen, sondern gar nicht erst in Betracht gezogen.

 Man liess das Geld arbeiten. Das Geld allerdings stinkfaul ist, nicht daran denkt zu arbeiten und nicht einmal bereit ist, von einem zu anderen zu wandern, sondern dick und bräsig dort liegen bleibt, wo es schon seit eh und jeh liegt, nämlich bei den Reichen und Superreichen, wurde gern verschwiegen.

 Die Lohnnebenkosten, so stellte sogar die Rürup-Kommission fest, eine der zahlreichen Kommissionen, die Kanzler Schröder ins Leben rief um seinen unsozialen, Reformen, genannten Sparbeschlüssen einen wissenschaftlichen Charakter zu verleihen, könnten unmöglich erhöht, ja, sie müssten auf Dauer gesenkt werden. Die Lohnnebenkosten, ein Wort von den Arbeitgebern für den Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen erfunden, war das Totschlagargument jener Jahre in jeder Fernsehtalkshow. Wurde postuliert, diese seien entschieden zu hoch, hätten die deutsche Wirtschaft im Würgegriff und dürften keinesfalls erhöht werden, nickten sogar Gewerkschafter beifällig mit den Köpfen.

 Dabei war der Begriff falsch und irreführend. Die von Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätische Finanzierung der Sozialversicherungen waren Bestandteil des Arbeitnehmerentgeltes und keinesfalls Nebenkosten. Aber Lohnnebenkosten, das klang so schön negativ und der Begriff suggerierte, dass diese Kosten eben nicht Lohn- oder Gehaltsbestandteil seien und somit freie Verfügungsmasse.

 Den Arbeitnehmern wurde eingeredet, ihr Anteil, den sie direkt von Lohn und Gehalt abgezogen bekamen, sei mehr oder weniger verloren, da sie ja sowieso später einmal keine Rente mehr bekommen würden. „Mehr Netto vom Brutto,“ war einer dieser flotten Sprüche, für die die Arbeitgeberorganisationen ihren Werbeagennturen eine Menge Geld zahlten, und den die FDP mangels eigener Ideen im Moment gerade wieder einmal recycled.

 Was für ein ausgegorener Schwachsinn den Menschen in die Köpfe gehämmert wurde, zeigt ein kleines Beispiel. Eine Anhebung des Rentenbeitragssatzes um 1%, also ein halbes Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer war absolut indiskutabel und drohte das gesamte Abendland in den sicheren Abgrund zu ziehen. Die Arbeitnehmer aber sollten 4% in die Riesterrente einzahlen um damit in etwa den gleichen Effekt zu erzielen.

 Solch krude Rechnungen funktionierten natürlich nur, weil eine geschickte Propaganda die Menschen glauben machte, die Lohnnebenkosten würden zwangsweise vom Staat konfisziert ohne jede Gegenleistung. Es wurde einfach unterschlagen, dass die Beschäftigten mit jedem Euro, den sie in die Rentenkasse einzahlten einen Anspruch auf ihre zukünftige Rente erwarben.

 Der Arbeitgeberanteil aber, so wurde behauptet, vernichte Arbeitsplätze, da die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüße. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit natürlich ein schwerwiegendes Argument. Aber auch hier wurde gelogen und maßlos übertrieben. Nehmen wir an, ein Produkt oder eine Dienstleistung kostet 1.000 Euro. Der Lohnanteil daran ist, großzügig kalkuliert 30%. Macht 300 Euro. Ein halbes Prozent von 300 sind 1,50 Euro. Das Produkt oder die Dienstleistung verteuern sich also um 1,50 Euro oder 0,15%. Diese Beispielrechnung zeigt die ganze Lächerlichkeit der Argumentation auf.

 Diese massive Verdrängung der Tatsachen, die Beugung der Wahrheit, ja die immer wieder wiederholten Lügen konnten ihre Wirkung nur entfalten, weil alle Medien, die Politiker, selbst Teile der Gewerkschaften, Sprecher der Staatlichen Rentenversicherung und der überwiegnde Teil der Wissenschaftler unisono das Gleiche behaupteten.

 Sie haben ihr Ziel erreicht. die abhängig Beschäftigten gingen zu Millionen in die Riesterfalle. Um genau zu sein, die Ihnhaber von 13,6 Millionen Riesterverträgen müssen nun mit ansehen, wie ihr angespartes Geld langsam immer weniger wird. Zu den wenigen, die damit wirklich Vorsorge für ihr Alter betrieben, gehören Altkanzler Schröder, Walter Riester, Bert Rürup, Bernd Raffelhüschen und wie sie sonst noch alle heissen mögen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen