Donnerstag, 20. Dezember 2012

Armut ist politisch gewollt, sie stützt das System

 Die Armut in der Bundesrepublik Deutschland sei politisch gewollt, sagte die stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz. Ein Satz der an Klarheit nicht zu wünschen übrig lässt. Armut ist ein wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Das würde ohne Armut so nicht funktionieren.

 Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr von einer Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Und Dienstleistungen müssen, wenn sie sich für die Anbieter rechnen sollen so günstg sein, dass eine grosse Mehrheit in der Lage ist, sich diese leisten zu können. Mehr als in allen anderen Wirtschaftbereichen, sind die Arbeitslöhne der entscheidende Faktor beim ermitteln des Preises. Andere Faktoren, wie Material, Maschinen, Energie, Transport spielen im Bereich der Dienstleistungen kaum eine Rolle. Bei der Telekommunikation, der Gebäudereinigung, der Paketzusteller, dem gesamten Logistikbereich, der Gastronomie, des Personennahverkehrs werden teilweise Hungerlöhne bezahlt, die an Sklaventreiberei erinnern.

 Die schöne heile Welt des Onlinehandels wäre ohne die skrupellose Ausbeutung der Paketzusteller gar nicht denkbar. Ebay, Amazon, Zalando und wie sie alle heissen könnten nicht zu konkurenzfähigen Preisen liefern, wenn die Menschen, die die Waren verpacken, verschicken und zustellen, einen angemessenen Lohn erhalten würden. Ein florierender Wirtschaftszweig hat sich da in den letzten Jahren entwickelt auf Kosten der Beschäftigten und zum Schaden des stationären Einzelhandels.

 Die Logistikfirmen bekommen aber nur Arbeitskräfte zu diesen menschunwürdigen Bedingungen, wenn das Heer der Arbeitslosen, und der von staatlichen Mitteln abhängigen und damit erpressbaren Menschen gross genug ist. Nach dem Motto: „Wenn dir das hier nicht passt, dann geh doch, drei Andere warten schon auf deinen Job“, sind die Menschen bereit, zu fast jedem Lohn und unter fast jeder Bedingung zu arbeiten.

 Nun könnte man sagen, Menschen die nichts verdienen können auch nichts konsumieren. Da schneiden sich die Unternehmen, die Konsumartikel fabrizieren doch ins eigene Fleisch. Diese Annahme stimmt aus zweierlei Gründen nicht. Erstens sind in Deutschland ja nicht alle Menschen arm, wie etwa in Entwicklungsländern. Es braucht schliesslich nur einen bestimmten Prozentsatz Armutsgefährdeter um das System aufrecht zu erhalten. Der Rest kann und soll sogar in Reichtum und Wohlstand leben. Diese Klientel hält in der Bundesrepublik ein Vermögen, nach Abzug aller Verbindlichkeit rund 5 Billionen Euro.

 Diese Menschen konsumieren ja schliesslich auch und zwar auf einem höheren Niveau. Und somit sind wir bei der Erklärung, warum eine gewisse Prozentzahl Menschen in Armut leben können, ja geradezu müssen, damit das System funktioniert.

 Die deutsche Industrie hat sich in den letzten Jahrzehnten, teils freiwillig, teils von der Weltwirtschaft dazu gezwungen, von der Produktion geringwertiger Massenkonsumartikel verabschiedet. Hier bei uns werden keine Artikel des täglichen Bedarfs mehr produziert, wie Textilien, Haushaltswaren, Kunststoffartikel, Spielwaren, einfache Elektroartikel usw. Diese Dinge, die von der grossen Masse der Menschen gekauft werden, kommen heute ausschliesslich aus den Billiglohnländern der zweiten und dritten Welt. Ein Rückgang im Konsum dieser Artikel trifft unser Wirtschaft nur in sehr geringem Umfang.

 Deutsche Fabriken produzieren nur noch Konsumgüter für den gehobenen Anspruch und vor allen Dingen, hochkomplexe Investitionsgüter für den Export. Selbst die deutsche Autoindustrie, die Vorzeigebranche schlechthin, lebt zum allergrössten Teil vom Export.

 In diesem Bereich ist die deutsche Industrie, durch die vergleichsweise geringen Löhne und Gehälter, die hier gezahlt werden, nahezu konkurenzlos. Dieser ungebrochene Exportboom führt zu einem weiteren Effekt der Umverteilung von unten nach oben.

 Während Deutschland also die Welt mit Investitionsgütern und hochpreisigen Konsumgütern wie Autos überschwemmt, importiert es, wegen der geringen Löhne, vergleichsweise wenig. Das führt hier zu einer positiven, in den Abnehmerstaaten aber zu einer negativen Handelsbilanz. Das heisst, die verfügbaren Geldmittel der Käuferländer werden zu uns, letztlich zu den Eigentümern der Fabriken, die die Waren hergestellt und vertrieben haben, transferiert. Das Vermögen dieser Eigentümer wächst.

 Da aber die meisten deutschen Exporte finanziert werden, also auf pump gekauft werden, verschulden sich die Abnehmerländer immer mehr. Kredite können aber nur diejenigen geben, die über flüssige Geldmittel verfügen. Das sind die Banken, bei denen die reichen Fabrikeigentümer ihre Vermögen gegen gute Zinszahlungen angelegt haben. Die Schuldverschreibungen, die die deutschen Banken erhalten für die Kredite die sie in die Käuferländer vergeben, hinterlegen sie bei der Bundesbank und bekommen dafür frisches Geld, dass sie wiederum verleihen.

 Eines Tages ist es dann aber so weit, dass, wie zur Zeit in Griechenland, die Abnehmerländer zahlungsunfähig werden. Das bringt die Banken in Schwierigkeiten. Sie müssen mit Steuergeldern gestützt werden, damit letzten Endes die Fabrikbesitzer nicht ihr Geld verlieren.

 So kommt es, dass die Reichen immer reicher werden und die öffentlichen Haushalte immer ärmer. Gespart wird dann bei der Unterstützung der Armen und Ärmsten. Ihrer Unterstützung beraubt, vergrössern sie das Heer derjenigen, die Arbeit zu jedem Preis und unter jeder Bedingung annehmen. Der Kreis hat sich geschlossen.

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