Donnerstag, 31. Januar 2013

Heuschrecken saugen Wohnungsmarkt aus, belegt am Beispiel nicht nur der LEG


 Wohnungsmangel, steigende Mieten, die für immer mehr Menschen unbezahlbar werden auf der einen Seite, Privatisierung und Spekulation mit Wohnraum und riesige Gewinne für dubiose Finanzinvestoren auf der anderen Seite, dass ist die Realität auf dem deutschen Immobilienmarkt.

 Bezahlbare Wohnungen, vor allen Dingen in den grossen Städten sind äusserst rar geworden. Die Mieten steigen überproportional. Dabei wird in den Wohnungsbau durchaus investiert. Es sind aber vor allen Dingen die Luxusbauten, die Lofts, die teuren Appartements die gebaut werden. Für Familien mit Kindern, für allein Erziehende, für Studenten und Geringverdiener wird kein Euro ausgegeben. 100 und mehr Bewerber für eine ausgeschriebene Wohnung sind in den Ballungsräumen keine Seltenheit. Steht eine Wohnung zur Besichtigung, so bilden sich oftmals schon Stunden vor dem Termin Schlangen Wohnungssuchender vor dem Haus.

 Dabei wird mit Wohnimmobilien im unteren und mittleren Preissegment richtig viel Geld verdient. Eine Meldung, die dieser Tage durch die Presse ging, gibt darüber Aufschluss. Die LEG, eine hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen agierende Immobiliengesellschaft mit einem Bestand von 93.000 Wohnungen plant den Gang an die Börse.

 Die LEG war eine landeseigene Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft. Im Jahre 2008 wurde sie von der, in NRW regierenden CDU - FDP-Regierung gegen den erheblichen Protest der Mieter und der politischen Opposition privatisiert. Ein Konsortium aus dem Private Equity Fonds Perry Capital und Whitehall, hinter dem sich die Bank Goldman Sachs versteckt, machte das Bieterrennen. Der Kaufpries belief sich auf 3,4 Mrd. Euro. Da das Unternehmen allerdings 2,6 Mrd. Euro Schulden hatte, flossen nur etwa 800 Mio Euro. Davon wurden kleinere Miteigentümter abgefunden, sodass letztendlich nur 400 Mio. Euro in der Kasse des Landes landeten. Ein Deal, wie er miserabler nicht sein kann. Die riesigen Immobilienwerte, die das Land NRW besaß wurden für 400 Millionen Euro verschleudert an - ja an wen eigentlich?

 Offizieller Käufer waren die Whitehall Real Estat Funds. Auf der Liste der Käufer sucht man diesen Namen aber vergebens. Unter dem Titel: „Wem gehören die LEG-Wohnungen wirklich?“ versuchte das Internetportal „Der Westen“ am 23. Juni 2009 etwas Klarheit in das Firmengeflecht, das Goldman Sachs geflochten hatte, zu bringen. Demnach steht an erster Stelle auf der Liste der Käufer die Lancaster GmbH und Co. KG, die diesen Namen am Tage des Kaufs erst einen Tag lang führte. Bis dahin nannte sie sich sinnigerweise Vendetta (der italienische Begriff für Blutrache) 1 GmbH. Weitere Käufer waren die „Kronen tausend230 GmbH & Co. VorratsKG“, die ihren phantasievollen Namen mittlerweile in einen noch blumigeren  umgewandelt hat: „Rote Rose GmbH & Co. KG", die wiederum die Tochtergesellschaft der „Weisse Rose GmbH“ ist. Der Geschäftsführer der Lancaster war in 2009 ein gewisser Nicolass Meijssen und zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Jahre alt. Sowohl Lancaster als auch Weisse Rose verfügten über je zwei Mitarbeiter und 25.000 Euro Geschäftskapital.

 Vor diesem Hintergrund wirkt es wie ein makabrer Scherz wenn der damalige NRW- Finanzminister Linssen (CDU) behauptete, die Einhaltung der ausgehandelten Sozialcharta sei sicher. Die Eigentümer hafteten zur Not mit ihrem Vermögen, also mit zweimal 25.000 Euro, ein Witz.

 Im übrigen ist es Usus bei solchen Geschäften, dass über die Verträge Stillschweigen vereinbart wird. Die Abgeordneten, in diesem Falle des NRW-Landtages müssen über etwas befinden, dass sie gar nicht kennen. Man kann aber davon ausgehen, dass auch bei diesem Kauf die Heuschrecken mit dem Leverage Effekt gearbeitet haben. Das bedeutet, dass die Private Equity-Firmen nur einen Bruchteil des Kaufpreises wirklich selbst stemmen, höchstens 25 Prozent. In diesem Fall also 200 Mio. Euro. Der Rest wird über Kredite finanziert, die anschliessend durch die gekaufte Firma übernommen und bezahlt werden müssen.

 Dadurch steigt die Verschuldung dieser Firmen oftmals in existenzbedrohende Höhen. Bei einem Konkurenten der LEG, der „Deutschen Annington“, die 230.000 Wohnung in ihrem Portfolio hat, steht es zur Zeit Spitz auf Knopf, da sie grösste Mühe hat, einen Kredit von 4,7 Mrd. Euro, der im Sommer fällig wird, zu refinanzieren. Sollte ihr das nicht gelingen muss sie Konkurs anmelden.

 Aber bis es so weit ist, haben sich die „Investoren" längst aus dem Staub gemacht. So wie es im Moment gerade bei der LEG geschieht. Ein Verwertungscyklus beträgt  bei diesen Herrschaften drei bis fünf Jahre, und die sind bei der LEG nun einmal um.

 Machen wir die Rechnung auf. Die „Investoren“ haben 200 Mio. Euro bezahlt. Fünf Jahre lang haben sie sich jedes Jahr 90 Mio. Euro Dividende ausschütten lassen und nun wollen sie ein Paket von 57% der LEG verkaufen, für 1,4 Mrd. Euro, die in voller Höhe die Eigner einstreichen. Macht 1,85 Mrd. Einnahmen mit einem Kapitaleinsatz von 200 Mio. Euro. Immerhin einen Reingewinn von 1,65 Mio Euro oder eine Kapitalverzinsung von 8.250 Prozent in fünf Jahren. Dabei sind 43 % der LEG immer noch in ihren Händen und werden in der Zukunft zu Geld gemacht.

 Da allerdings auch in der Wohnungswirtschaft das Geld nicht auf den Bäumen wächst, müssen die 18,5 Milliarden Euro von der LEG aufgebracht, also verdient oder eingespart werden. Auf der einen Seite Wohnungsnot und auf der anderen Seite Finanzhaie, die sich masslos bereichern. Wieviele neue Wohnungen hätten für diese Summe gebaut und zu einem bezahlbaren Zins vermietet werden können?

 Schon vor dem Börsengang hatte die LEG den Aufwand für die Instandhaltung der Wohnungen um 20% gekürzt und die Mieten um jährlich 2,3% angehoben. Der Renditedruck wird nach dem Börsengang aber eher zunehmen. In der Regel kaufen US-amerikanische und britische Rentenfonds die Anteile an deutschen Immobiliengesellschaften. Die haben in den letzten Jahren mit Investments in ihren Heimatländern Verluste erlitten und müssen nun, das ihnen anvertraute Geld wieder hereinholen.


 Üblicher Ablauf einer Übernahme durch Finanzinvestoren:












Die LEG ist aber weder die einzigste, noch die grösste Gesellschaft, die mit Wohnraum spekuliert und deren Eigentümer durch Mieterhöhungen, Personalabbau und Reduzierung der Instandhaltungskosten die Firma auf einen möglichst hohen Ertrag und damit auch auf einen hohen Wiederverkaufswert trimmen.

  • Die Deutsche Annington ist mit einem Bestand von 230.000 Wohnungen zur Zeit der Branchenführer. 2001 kaufte der Londoner Finanzinvestor Terra Firma Capital Partners 65.000 Wohnungen der Eisenbahnerwohnungsbaugesellschaften, 2003 10.000 Wohnungen der Heimbau Kiel AG, 2004 4.500 Wohnungen von RWE und im Mai 2005 dann schliesslich mit Viterra gleich einen ganzen Mitbewerber samt dessen 152.000 Wohnungen. Allein der letzte Deal kostete ca. 7 Milliarden Euro. Der Börsengang zumindest eines Teils des Unternehmens, der für letztes Jahr geplant war, musste verschoben werden, weil die Deutsche Annington in existenzgefährdende Turbulenzen geriet. Im juli diesen Jahres werden Kredite in Höhe von 4,7 Mrd. Euro fällig. Über lange Zeit gelang es dem Managment nicht, die Gläubiger von einer Refinanzierung zu überzeugen. Bis heute haben nur etwas über 40 % der Gläubiger einer Verlängerung ihrer Kredite zugesagt. Wer sich über den Umgang der Deutschen Annington mit ihren Mietern ein Bild machen will, dem sei dieser Link empfohlen.

  • Die GAGFAH ist ein in den zwanziger Jahren gegründetes Unternehmen, das die Wohnungen der Deutschen Angestelltenversicherung in seinem Bestand hatte. 2004 verkaufte die Versicherung ihre 85.000 Wohnungen an die US-amerikanische Heuschrecke Fortress für 3,5 Mrd. Euro inklusive der 1,6 Mrd. Schulden. Im Juli 2005 übernahm die GAGFAH 28.000 Wohnungen von der Nileg Immobilienholding für 1,5 Mrd. Euro, 2006 dann die WOBA, Dresden mit 48.000 Wohnungen für 1,7 Mrd. Euro, durch deren Verkaufserlös sich die Stadt Dresden kurzfristig schuldenfrei machte. 2007 Kaufte die GAGFAH 1.500 Wohnungen von der VGH Versicherungen für 80,7 Mio. Euro. Im Jahr 2006 brachte die GAGFAH 20% ihres Unternehmens für 853 Mio. Euro an die Börse. Das Geld ging ausschliesslich an den Investor Fortress. Seither gönnen sich die Eigner jährlich eine Ausschüttung im dreistelligen Millionenbereich. Letztlich auch deswegen ist die GAGFAH in finanziellen Schwierigkeiten und will sich von den 48.000 Dresdener Wohnungen wieder trennen.

  • Die Deutsche Wohnen wurde 1998 von der Deutschen Bank gegründet. Sie übernahm die Wohnungen der Hoechst AG und der Heimstätte Rheinland Pfalz AG. Ende 1999 ging die Deutsche Wohnen an die Börse. Nach der Aufkündigung des Beherrschungsvertrag durch die Deutsche Bank und die finanzielle Entflechtung ist die Deutsche Wohnen seit 2006 selbstständig. 2007 übernahm die Deutsche Wohnen die Mehrheit an der Berliner GEHAG-Gruppe. Die Gehag hatte einen Bestand von rund 40.000 Wohnungen. Sie wurde 1924 als Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft gegründet, 1998 privatisiert und 2005 an den US-amerikanischen Finanzinvestor Oaktree Capital Management verkauft. Im Sommer übernahm die Deutsche Wohnen 24.000 Wohnungen der BauBeCon für 1,47 Mrd. Euro von der britischen Barclay Bank. Die ehemalige gewerkschaftseigene BauBeCon hatte vordem etliche Besitzer: Die Goldman Sachs Tochter Whitehall, den Finanzinvestor Cerberus, die Deutsche Bank Tochter Rreef zusammen mit Prelios, ehedem Pirelli RE. 2011wurde durch Umwandlung von Krediten in Eigenkapital Barclays Besitzer der Wohnungen.

  • Die GSW wurde 1924 in Berlin gegründet. Im Jahre 2004 verkaufte der Senat der Stadt die Gesellschaft für 2 Mrd. Euro inclusive 1,6 Mrd. Schulden an die Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall. 2011 brachten die Investoren die Hälfte des Unternehmens für 400 Mio. Euro an die Börse, also genau der Betrag für den sie die gesamte GSW gekauft hatten. Der Schuldenstand des Unternehmens hatte sich zwischenzeitlich leicht, auf 1,7 Mrd. Euro, erhöht, nicht zuletzt weil Cerberus und Whitehall 2009 eine Dividende von knapp 447 Mrd. dem Unternehmen entnommen hatten. 2012 kaufte die GSW noch einmal 4.400 Berliner Wohnungen für 200 Mio. Euro hinzu. Den Umgang der GSW mit ihren Mietern zeigt ein Artikel aus der taz aus dem Mai letzten Jahres.

  • Die TAG Immobilien verfügt über 68.500 Wohneinheiten vor allen Dingen in den deutschen Metropolen. Sie wurde 1882 zunächst als Eisenbahn-Actiengesellschaft Schaftlach – Gmund AG gegründet. 1983 wurde der Fahrbetrieb in die Tegernsee-Bahn Betriebsgesellschaft mbH (TBG) ausgegliedert und 2012 für 11 Millionen Euro an  an die beiden Gemeinden Tegernsee und Gmund sowie an den Landkreis Miesbach verkauft. Sie übernahm die Bauverein zu Hamburg AG. Im März 2012 übernahm die TAG 25.000 Wohnungen von der DKB Immobilien AG eine Tochter der Bayern LB für 960 Mio. Euro inklusive Schulden. Es handelt sich hauptsächlich um ostdeutsche Immobilien. Im November kaufte die TAG die bundeseigene TLG Wohnen für 471 Mio. Euro. Im Kaufpreis enthalten sind 256 Mio. Altschulden. Den Rest brachte die TAG durch eine Kapitalerhöhung auf. Die 11.350 Wohnungen sind aus dem Bestand der ehemaligen Treuhand. In der Branche wurde gemunkelt, der Bund habe sich bei dem Deal ordentlich über den Tisch ziehen lassen.

  • Die Patrizia Immobilien wurde 1984 gegründet. Bekannt wurde das Unternehmen durch Wohnungsprivatisierung von 769 Immobilien der Olympia-Pressestadt in München. Patrizia Immobilien übernahm 3.000 Werkswohnungen der Bayer AG hauptsächlich in München. Die Gesellschaft bezeichnet sich selbst als Immobilienoptimierer. Dieses Optimieren, das für die Mieter zumeist Mieterhöhung oder Luxussanierung heißt, bietet Patrizia auch für Dritte als Dienstleistung an. Im Februar 2012 kaufte Patrizia zusammen mit einigen Co-Investoren 21.500 Wohnungen für 1,4 Mrd. Euro von der LBBW Immobilien einer Tochterfirma der Landesbank Baden-Württemberg. Die LBBW war von der Europäischen Kommission zu dem Verkauf gezwungen worden, um einen Kredit aus Landesmitteln zu kompensieren.

  • Die GBW wurde in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet. Sie verfügt über ein Portfolio von 32.000 Wohnungen und gehört der Landesbank Bayern. Diese muss sich auf Druck der Europäischen Kommission genau wie LBBW von ihrem Immobilienbesitz trennen. Daher stehen die Wohnungen in einem Bieterverfahren zum Verkauf. Es wird ein Kaufpreis von 2,4 Mrd. Euro angestrebt. Einem Konsortium kommunaler Bieter unter Führung der Stadt München werden wenig Chancen eingeräumt, sich gegen die weltweit agierenden Finanzinvestoren durchzusetzen.
Die hier aufgeführte Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bund und Länder aber auch die Bürokraten in Brüssel treiben die Privatisierung von Wohnraum weiter voran. Die Inhaber grosser Vermögen, die Herren der Finanzwelt und die Glücksritter der Private Equity verdienen nicht unerheblich an den Beständen ehemaliger, öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften, die die Wohnungen mit öffentlichen Mitteln errichtet haben.

 Das Pestel Institut in Hannover hat errechnet, dass bis 2017 allein in den deutschen Großstädten  850.000 Wohnungen fehlen werden. Danach müssten jedes Jahr 130.000 Wohnungen neu gebaut werden. Würden die Milliarden, die durch die überhöhten Gewinnanforderungen der Investoren hauptsächlich nach USA und Großbritannien transferiert werden, in Neubauten investiert, so könnte ein beträchtlicher Teil der Wohnungsnot gemildert werden.

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