Dienstag, 5. März 2013

Wie Politik und Medien täglich den "mündigen" Bürger verarschen.


 Immer dann, wenn alle Parteien sich einig sind, und wenn dann obendrauf auch noch Wahlkampf ist, sollten die Bürger misstrauisch werden. Populismus ist angesagt, die Republik wird in Aufregung versetzt über ein Thema, bei dem die Politiker nur Randfiguren sind. Man drischt auf eine kleine Randgruppe ein, um vom eigenen Versagen, von den grossen ungelösten Problemen abzulenken. Zusätzlich wird in jedem Interview, in jeder Stellungnahme, darauf hingewiesen, dass die Politik weitgehend machtlos sei und dass es dringenden Handlungsbedarf bei Anderen gebe.

 In Deutschland herrscht Wahlkampf und die Medien übertreffen sich darin, Randthemen zu Skandalen aufzublasen. Das beginnt mit dem sogenannten Pferdefleischskandal. DNA von Pferden war, zum Teil nur im Microbereich, in Fertiggerichten, wie Lasagne und anderen Hackfleischzubereitungen gefunden worden. Es bestand zu keiner Zeit für irgendjemanden Gefahr für die Gesundheit. Die Auszeichnungspflicht war verletzt worden. Ob ein wirklicher Betrug vorlag, müssen Untersuchungen erst einmal nachweisen. Erfahrungsgemäss verläuft die ganze Sache aber, nachdem sich unsere Meinungsführer auf ein anders Thema gestürzt haben, im Sande.

 Allerdings war die Aufregung gross und es soll hier keinesfalls etwas verniedlicht werden. Aber in Fernsehen, in den Radiosendern, in der Presse, fand ein wahres Schaulaufen der Politgrössen statt, die alle mit dem Finger auf die Lebensmittelindustrie zeigten. Kein Spitzenpolitiker, der nicht voller Ekel und Empörung die Zustände in der Lebensmittelüberwachung anprangerte. Übrigens die gleichen Politiker, die eine Schuldenbremse in die Verfassung schrieben und die nun rigoros Stellen streichen bei den staatlichen Lebensmittelüberwachungsämtern, da man ja irgendwo mit dem Sparen anfangen muss.

 Keiner dieser, mit breiter Brust dem Pfusch bei der Herstellung von Lebensmitteln, den Kampf ansagenden Politpromis, verlor auch nur ein Wort über die riesige Anzahl an chemischen Zusätzen in unserem Essen und Trinken, die ganz legal verwendet werden dürfen, obwohl sie nachweislich gesundheitsschädlich sind. Glutamate, Hefeextrakt, Säurungsmittel, Farbzusätze, Konservierungsstoffe, sieht man sich einmal die Liste der Inhalte auf den Verpackungen an, so beginnt spätestens beim dritten, vierten Posten von oben, die endlose Reihe der chemischen Zusätze.

 Zusätzlich zur Chemie wird der Geschmack von Fleisch, Gemüse, Fruchtsaft und Konservenobst durch eine schädliche Menge an Zucker und Salz zugekleistert. Über das Alles giessen die Hersteller Tonnen von tierischen Fetten zweifelhafter Herkunft. Aus der Politik, von den Medien, kein Wort darüber. Die wahren Probleme werden zugekleistert mit einer inhaltsleeren, künstlichen Entrüstung. Würden die Probleme in unserer Nahrungsmittelindustrie angegangen, dann wären satte Gewinne und grosse Vermögen in Gefahr, dann könnte sich ein Herr Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück, keinen Traditionsfußballverein aus Gelsenkirchen mehr leisten.

 Nach dem Pferdefleischskandal dann die gefakten Bioeier. Auch hier wieder die allgemeine Aufregung, die in Hysterie umzuschlagen drohte. Wieder die Politiker, die Journalie, die schnell die Schuldigen ausgemacht hatte, auf die dann mit dem Finger gezeigt wurde. Aber wie die alte Weisheit schon sagt: „Wenn du mit einem Finger auf dein Gegenüber zeigts, weisen vier Finger auf dich selbst!“. Jeder der sich, auch nur ansatzweise, damit beschäftigt hat, weiß wie sehr die Brüsseler Bürokraten die Vorschriften für den Biolandbau aufgeweicht haben. Die grossen Lebensmittelketten wollten teilhaben an der Biowelle, also mussten Vorschriften her, die es diesen Ketten ermöglichten Bioprodukte in ihren Läden anzubieten.

 So tragen heute Lebensmittel das Biosiegel, die kaum noch etwas mit der biologischen, bäuerlichen Landwirtschaft, mit ihren regionalen Produkten, zu tun haben. So müssen bei der Hühnerhaltung zwar bestimmte Regeln über den Platz der einem jeden Huhn zusteht und über die Futtermittel die eingesetzt werden dürfen, eingehalten werden, aber die Anzahl der Hühner, die in einem Stall leben oder die ein Betrieb halten darf, werden nicht begrenzt.

 Was nützt die Vorschrift über die Größe des Auslaufs, wenn dieser von den Hühnern nicht angenommen wird, weil keine Deckung durch Büsche und Bäume vorhanden ist? Die Hühner bleiben auf engstem Raum im Stall, werden hysterisch und reissen sich gegenseitig die Federn aus, wie in einem konventionell produzierendem Betrieb. Dazu kommt, dass die Küken, die in die Ställe eingesetzt werden aus ganz normalen Brutbetrieben stammen, mit zum Beispiel, der brutalen Keulung der Hähne auf einem Fliessband, weil Hähne nicht schnell genug und in ausreichender Menge Fleisch produzieren.

 Zwar wird die Kennzeichnung der Eier bis ins Detail vorgeschrieben, damit kennt man sich in Brüssel aus, aber was nutzt die ganze Kennzeichnungspflicht, wenn es dem Erzeuger überlassen bleibt, durch eine kleine Verstellung seines Stempels für ein Ei statt 20 Cent, fast das Doppelt, nämlich 40 Cent, die ein Bioei kostet, zu erzielen? Kontrollieren kann und will das bis Dato niemand.

 Ein wirklicher Schutz der Verbraucher ist nur zu erreichen, wenn man den Großerzeugern und den großen Vermarktern auf die Füsse tritt. Man kann kein wirkliches Bioprodukt zum Preis eines konventionell erzeugten Produktes verkaufen. Zum Biolabel gehört unabdingbar die bäuerliche Landwirtschaft in kleinen, überschaubaren Einheiten. Das aber will niemand von all den Aufgeregten und Erzürnten, die ihre eigenen Fehler kaschierend auf Andere zeigen.

 Eng mit dem „Skandal“ um die Bioeier hängt der nächste „Skandal“ zusammen, der „Futtermaisskandal“. In Futtermais aus Serbien waren Spuren von Schimmelpilzen aufgetaucht, die beim Menschen Krebs auslösen können.

 Für den übermässigen Fleischkonsum in den reichen, industrialisierten Ländern West- und Nordeuropas, der uns nur möglich ist, durch die kräftige Subventionierung landwirtschaftlicher Produkte, reichen die eigenen Flächen zur Produktion der benötigten Futtermittel schon lange nicht mehr aus. Andere, ärmere Länder, wie zum Beispiel Serbien, sind gezwungen ihre Handelsbilanz durch den Export von Mais, Soja, Weizen und andern Getreiden auszugleichen.

 Die Produktion durch die bäuerliche Landwirtschaft reicht für den Bedarf an exportfähigen Futtermitteln nicht aus. In Serbien beträgt der Anteil der Agrarproduktion am Bruttoinlandsprodukt 12,6 %. Beschäftigt sind in der Landwirtschaft aber knapp 24 % der Bevölkerung. In der Bundesrepublik sind nur 2 % der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. Die serbische Landwirtschaft ist im Umbruch. Immer mehr Bauern müssen aufgeben. Die Flächen werden von Grosserzeugern aufgekauft, die oftmals gar keinen Bezug zur Lebensmittelproduktion haben. Sie betrachten das Ackerland ausschliesslich als gewinnbringende Investition.

 Mit hohen Subventionen werden in Serbien auf grossen industriell bewirtschafteten Flächen Futtermittel für unsere Mastställe produziert, während die Bevölkerung auf dem Land immer mehr verarmt.

 Die Konterminierung des serbischen Futtermais’ ist nur ein Symtom für die Fehlentwicklung der Lebensmittelproduktion. Während in ärmeren Ländern, die Produktion von Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung immer weiter heruntergefahren wird, immer mehr Landwirte ihre Höfe verlassen müssen, weil die Erlöse für ihr Fleisch, Gemüse und Obst so gering sind, dass sie davon nicht mehr leben können, herrscht bei uns scheinbarer Überfluss. Aber für diesen Überfluss müssen wir bezahlen. Die Qualität unsere Nahrung nimmt immer mehr ab, Allergien und Unverträglichkeiten nehmen dagegen ständig zu.

 Um es auf einen Nenner zu bringen: In Serbien produzieren Agrarfabriken auf riesigen Landflächen, die eigentlich dringend für die Ernährung der eigenen Bevölkerung gebraucht würden, hochsubventionierten Futtermais um die negative Handelsbilanz  des Landes auszugleichen und Schulden bei der internationalen Hochfinanz, bei den „Big Playern“ zu bedienen.Um dabei im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben wird an der Qualität gespart.

 Der Mais wird dann hier in überdimensionierten Fleisch, Eier und Milcherzeugungsfabriken verfüttert. Die Überschüsse, das Zeugs, das wir beim besten Willen nicht mehr in uns hineinstopfen können, liefern wir dann wiederum, als von der EU hoch subventioniertes Ei- oder Milchpulver oder tiefgefrorene Hähnchenflügel in die dritte Welt. Dort werden durch diese Lebensmittel, die zu Dumpingpreisen auf den Markt geworfen werden, Arbeitsplätze und Existenzen in der Landwirtschaft vernichtet.

 Dieses kranke System, bei dem alle verlieren, ausser ein paar Finanzhaien, nennt man Globalisierung. Solange sich nichts an diesem System ändert wird in regelmnässigen Abständen ein Lebensmittelskandal nach dem andern durch die Medien gehetzt.

 Seit Sonntag, als die Schweizer in einer Volksabstimmung erklärten, Managergehälter, Boni und Prämien sollten in Zukunft einzig und allein von den Inhabern der Firmen bestimmt werden, hat die versammelte Aufgeregtheit zum X-ten mal das Thema der überdimensional hohen Managerverdienste für sich entdeckt. In seltener Einigkeit beschwören alle Parteien einmal mehr die Gier unserer Firmenlenker. Geschehen ist bisher ausser einigen unverbindlichen Selbstverpflichtungen - nichts.

 Plötzlich lobt man allerweil die Schweizer und sinniert darüber, dass das ein Modell wäre, das man auch hierzulande anwenden könne. Dabei wird geflissendlich übersehen, dass die Schweizer keineswegs über die Höhe der Managergehälter abgestimmt haben, sondern über die Stärkung der Eigentümerrechte. Die einzige Partei, die dass erkannt hat, ist die FDP. Der heimliche Vorsitzende der Liberalen tönte denn auch, dass sei FDP-Politik pur, und wetterte gleich mal gegen die „Bonzenherrschaft“ der Gewerkschaften, aufgrund der Mitbestimmung, in den deutschen Unternehmen.

 Dass Brüderle dabei die Karikatur des braven Aktionärs, der ein, zwei oder drei Millionen geerbt oder in einem langen Arbeitsleben sich hart erspart hat zeichnet, sei dem Wahlkampf geschuldet und unter der Rubrik Volksverarschung abgelegt. Denn jeder weiß, dass die meisten Unternehmen längst nicht mehr in der Hand privater Anleger sind, sondern wiederum Firmen gehören, die von Vorständen geleitet werden, die selbst den Hals nicht vollkriegen. In diesem Kartell kontrolliert man sich gegenseitig. Das Schweizer Modell, wenn es denn überhaupt eines ist, schafft also auf keinen Fall die Selbstbedienungsmentalität dieser kleinen Clique von Nieten im Nadelstreifen ab.

 Aber darum geht es ja auch gar nicht. Es geht darum dem dummen, dummen Volk Sand in die Augen zu streuen. Ablenken von den wirklich wichtigen Themen und Problemen, deren Lösung man seit Jahren vor sich herschiebt. Unsere Politiker betreiben keine Politik, sie reden Politik. Jeden Tag wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben. Wäre der Papst nicht schon zurückgetreten, es wäre ein schöner Aufreger für die nächste Woche. Aber vielleicht tut „England sein Lisbeth“ unseren hyperaktiven Neurotikern in den Parteizentralen und Pressehäusern endlich den Gefallen und übergibt ihre Krone an Charles, den mit den grossen Ohren.

1 Kommentar: