Montag, 2. September 2013
Eineinhalb Stunden heiße Luft auf vier Fernsehkanälen
Wochenlang angekündigt als das ultimative Ereignis zur Bundestagswahl, ein riesen Aufreger in allen Medien, ja schon der Titel „Fernsehduell“ hatte etwas entscheidendes etwas endgültiges, ein Kampf bei dem der Gewinner alles gewinnt und der Verlierer für immer geschlagen den Kampf aufgibt. Die vier Fernsehsender ARD, ZDF, RTL und ProSieben taten gerade so, als würde nicht der Wähler am 22 September die Wahl entscheiden sondern als würde sie an diesm Abend in einem blau gestrichenen Fernsehstudium durch die Fragen ihrer Moderatoren entschieden.
Überhaupt die Moderatoren, eher Ableser von vorformulierten Fragen, die den beiden Kontrahenten, Bundeskanzlerin Merkel und Herausforderer Steinbrück, lange vor Beginn der Sendung bekannt waren, stammten doch eher aus den Bereichen Buntes und Unterhaltung: die Talkshowdamen Anne Will, ARD: Syrien vor dem Angriff – bringen diese Bomben den Frieden?; Maybritt Illner, ZDF: Was bringt uns soziale Gerechtigkeit?; dem Wokpiloten Stefan Raab: Wadde hadde dudde da und das einzig halbwegs seriöse Gesicht des Trash-Senders RTL, den Diplom-Agraringeneur und USA-affinen Peter Kloeppel. Gibt es eigentlich in den Fernsehhäusern keine engagierten, politischen Redakteure mehr, die einer solchen Aufgabe, den Wählern eine Entscheidungshilfe für den 22. September zu liefern, gewachsen sind?
Die Aufgabe der Moderatoren hätten bei diesem Format genau so gut die Pförtner der Sendeanstalten übernehmen können. Genau wie die Aufgaben der Duellanten sicherlich mit gleicher Bravour wie Merkel und Steinbrück die Praktikanten derer Pressereferenten hätten erledigen können. Da stritten nicht zwei engagierte Politiker für ihre Überzeugungen, sondern zwei Karrieristen des Politbetriebes versuchten krampfhaft ihre längst verteilten Rollen so emotionslos wie möglich auszufüllen.
17,4 Millionen Zuschauer opferten ihren Sonntagabend und langweilten sich eineinhalb Stunden bei dem, was die Süddeutsche „das politische TV-Ereignis des Jahres“ nannte, qualvoll zu Tode. Nun hat wohl niemand wirklich neue Erkenntnisse oder Sichtweisen der Kandidaten erwartet, aber den sichtbaren Willen, die Bundestagswahl zu gewinnen hätte man doch wenigstens vermuten dürfen.
Dieses so genannte „Fernsehduell“ war kein Highlight deutscher Politkultur sondern dessen bisheriger Tiefpunkt. Da trafen keine Kontrahenten oder gar politische Gegner aufeinander, sondern Partner in vorher verteilten Rollen. Partner, als die sie sich bereits in den vergangenen vier Jahren der letzten Legislaturperiode erwiesen hatten: Im Grunde immer der gleichen Meinung in allen grossen Punkten der politischen Agenda. Unterschiede bestenfalls in Nuancen auf politischen Nebenkriegsschauplätzen, die von findigen PR-Leuten zu fundamentalen Gegensätzen aufgebauscht wurden.
Ob es nun einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 € gibt oder nicht, löst weder das Problem des Working poor noch ist er ein Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft, noch verhindert er die grosse Gefahr der Altersarmut. Ein Anheben des Einkommensteuersatzes für die Superreichen von 45 auf 49 Prozent ist Placebopolitik, bestenfalls. In den ersten Jahren der Bundesrepublik unter dem CDU-Kanzler Adenauer lag die Besteuerung der höchsten Einkommen bei 95 Prozent.
Unter dem Strich bleibt übrig: Eineinhalb Stunden heiße Luft auf vier Kanälen mit der ein vollkommen veraltetes, langweiliges Fernsehformat zum „TV-Ereignis des Jahres“ aufgeblasen wurde und die Erkenntnis, dass man wählen kann, was man will, am Ende des Tages wird wieder Angela Merkel Bundeskanzlerin sein, egal mit welcher Koalition.
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