Dienstag, 30. Juli 2019

Wir sind jetzt Kommissionspräsidentin!

 Manipulation der öffentlichen Meinung durch ARD und ZDF am Beispiel der Bestimmung Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin.


 Die EU hat eine neue Kommissionspräsidentin bestimmt: Ursula von der Leyen. Ja Sie haben richtig gelesen, die Kommissionspräsidentin wurde nicht gewählt, sie wurde bestimmt. Der Tiefe Staat hat all den Bürgern, die am 26. Mai geglaubt haben ihre Pflicht zu tun und zur sogenannten Europawahl gegangen sind, weil man ihnen weisgemacht hatte, sie und zwar sie allein bestimmten mit ihrer Stimme die Zukunft Europas, die lange Nase gezeigt.

 Nun hat die erste große Entscheidung dieses am 26. Mai gewählten Parlaments gezeigt, wer wirklich die Macht in diesem "wertebasierten" Europa hat. Wurde der Bevölkerung vor der Wahl vorgegaukelt, die Leitung der Kommission, einer Art Regierung der EU, werde aus dem Kreis der Spitzenkandidaten kommen. Die Wählerinnen und Wähler, so hieß es, hätten zum erstenmal in der Geschichte selbst dieAuswahl der Personalie in der Hand.

 Noch am 15. Mai, also elf Tage vor dem Wahltermin stellte Tagesschau.de  alle sechs Spitzenkandidaten vor und schrieb:
"Die europäischen Parteienfamilien haben sich mehrheitlich darauf festgelegt, dass sie nur jemanden wählen wollen, der als Spitzenkandidat oder Spitzenkandidatin bei der Europawahl angetreten ist."
 Tagesschau.de erhob die Festlegung der europäischen Parteien, nur einen der Spitzenkandidaten zum Kommissionspräsidenten zu wählen gar zu einem Prinzip:
"Konkret bedeutet das Spitzenkandidatensystem, dass europäische Parteien einen gemeinsamen Spitzenkandidaten für die Europawahl nominieren. Aus ihrem Pool wird am Ende der Kommissionspräsident gewählt."
Die Versprechungen waren groß:
"Das Verfahren soll die EU bürgernäher und demokratischer machen", 
so die Tagesschau und zitierte den amtierenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Junker:
"Die Menschen müssten wissen, wen sie an die Spitze der EU wählten."
 Der Deutschlandfunk brachte noch am 23. Mai einen Beitrag mit Elmar Brok, einem begnadeten Strippenzieher, der gern als Mr. Europa bezeichnet wird. Die Kritikern und Leugnern des Spitzenkandidaten-Prinzips, vor allen Dingen der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, bestritten zwar eine rechtliche Grundlage, aber Brok wußte es besser. Er beruhigte die Zweifler:
"Das ist falsch! Er muss nur den Vertrag von Lissabon lesen."
 In demVertrag von Lissabon heisst es in Artikel 17 Absatz 7:
"Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder."
 Diesen Artikel hatten Brok und eine Gruppe europäischer Christdemokraten 2002 ausgekungelt. Brok:
"Das ist dann dort in den Verfassungsvertrag aufgenommen worden. Und die Staats- und Regierungschefs haben das in den Vertrag von Lissabon so übernommen."
 Broks klare Forderung am 23. Mai im Deutschlandfunk:
"Wir dürfen dem Wähler nicht Rechte wegnehmen, damit die Macrons und Merkels und Salvinis dies wieder im Hinterzimmer beschließen."  
 Die PR-Profis der Mächtigen hatten ganze Arbeit geleistet. Die Wahlbeteiligung bei einer Wahl zum Europäischen Parlament war selten so hoch wie bei dieser Wahl.

 Das europäische Wahlvolk musste also davon ausgehen, dass es an jenem denkwürdigen 26. Mai unter anderem auch die Wahl zwischen sechs Kandidatinnen und Kandidaten für den Vorsitz der EU-Kommission hätten. Die Favoriten, das waren aus dem Kreis der sechs Spitzenkandidatinnen und Kandidaten in erster Linie der Konservative deutsche Manfred Weber und der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans.

 Aber bereits zwei Tage nach der Wahl, das neue Europaparlament war noch nicht einmal zusammengetreten, klang dann schon alles etwas anders. In Brüssel traf der Rat der Staats- und Regierungschefs zusammen um über die Nachfolge Junkers, des noch amtierenden Kommissionspräsidenten, zu beraten. Wer Ohren hatte zu hören und Augen um zu sehen, der wusste bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, spätestens aber nachdem Angela Merkel eines ihrer sibylinischen Interviews in der Tagesschau gegeben hatte, dass zumindest Manfred Weber aus dem Rennen war:
"Insofern wird das heute ein erster Austausch sein, bei dem ich als Mitglied der EVP-Gemeinde, mich für Manfred Weber einsetzen werde. Dennoch sollten wir pfleglich miteinander umgehen und wissen, dass wir zum Schluss eine konstruktive Aufgabe haben",
Bereits einen Tag später, am 29 Mai, das neue Europaparlament war noch immer nicht ein einziges Mal zusammengetreten, als Daniel Caspary aus der Fraktion der Christdemokraten noch seinen fast schon basisdemokratischen Träumen in der Tagesschau nachhing:
"Wir müssen jetzt das umsetzen, was die Wählerinnen und Wähler wollen. die Wählerinnen und Wähler wollen entscheiden und nicht das entschieden wird im Hinterzimmer",
schlug der französische Präsident schon ganz andere Töne an:
"Wir sollten uns von den Fesseln der Spitzenkandidaten befreien." 
Eine interessante Betrachtungsweise für einen angeblichen Demokraten, eine Wählerentscheidung in einer freien, geheimen Wahl als "Fesseln" zu bezeichnen.

 Der polnische Ratspräsident Donald Tusk, der zwischenzeitlich von den Regierungschefs als Headhunter eingesetzt worden war, ging sogar noch einen Schritt weiter:
"Es gibt da keinen Automatismus. Niemand kann ausgeschlossen werden. Spitzenkandidat zu sein ist aber auch kein Hindernis."
 Am 21. Juni, also bereits vier Wochen nach der Wahl, das neue Europaparlament war noch immer nicht ein einziges Mal zusammengetreten, die doch angeblich so wichtig und richtungsweisend war, und den Bürgern Europas die Möglichkeit bot, mitzureden und wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen, war das Spitzenkandidatenprinzip endgültig vom Tisch.

 Die Tagesschau, das Fernsehformat der deutschen Kanzlerin, gab in persona Marcus Preiß bekannt:
"Die vor der Europawahl aufgestellten Spitzenkandidaten, wie etwa Manfred Weber, wollten sie nicht auf dem Posten."
 Es blieb dann nicht viel übrig vom Wahlergebnis und es blieb auch nicht viel Zeit diesen Wortbruch der Mächtigen gegenüber dem Souverän Europas zu thematisieren. Mit einem einzigen kurzen Satz wurde das Wahlversprechen in die Mülltonne der Geschichte verabschiedet:
"Dabei hatten viele Parteien den Wählern das versprochen -  auch CDU/CSU und SPD."
 Preiß musste weiter, musste zu neuen Ufern. Es galt den Bruch des Wahlversprechens dem dummen, dummen Wahlvolk als von Gott gewollten Unfall und daher als alternativlos zu verkaufen.

 Für den Fall, dass es immer noch irgendwelche "Wutbürger" geben sollte, die nach wie vor darauf bestehen sollten, dass Wahlversprechen gefälligst einzuhalten seien, befand es die Tagesschau als wichtig die deutsche Kanzlerin als Opfer der Umstände zu verkaufen und schickte daher zunächst einmal den französischen Präsidenten Emanuel Macron an die Front und ins Feuer. Aber auch der konnte nichts anderes vermelden, als das schon erwähnte Gottesurteil. Allein den Überbringer mochte Macron namentlich nennen:
"Ratspräsident Tusk hat gestern ganz klar festgestellt, dass es keine Mehrheit für diese Kandidaten gibt. Deshalb hat er uns aufgefordert jetzt neue Namen vorzuzschlagen."
Die Unschuld vom Lande: Gott hat gesprochen, was soll man machen?
screenshot: Tagesschau
Nun durfte auch die Kanzlerin die Bühne betreten. Auch sie ein Unschuldslamm:
"Also für mich steht jetzt erstmal das Konsultationsergebnis von Donald Tusk fest, dass keiner dieser Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat und ich sehe im Augenblick nicht, dass ich an dieser Feststellung etwas ändern kann."
Auch die Kanzlerin - ohne Einfluß, ohne Macht das Wahlversprechen einzuhalten. Es macht den Anschein, als seien sowohl Macron, als auch Merkel bei der Entscheidung der europäischen Regierungschefs gar nicht dabei gewesen. Sie benutzen beide das Passiv, in deutsch auch die Leideform genannt. Sie waren scheint's nicht aktiv beteiligt sondern mussten das Ergebnis erleiden. Urteil: Nicht schuldig.

 Allerdings schien man seinem eigenen Täuschungsmanöver noch nicht ganz zu trauen. Deshalb veranstaltete man auf dem für den 30. Juni, das neue Europaparlament war noch immer nicht ein einziges Mal zusammengetreten, anberaumtem EU-Gipfel ein unwürdiges Spektakel für die geprellten Wählerinnen und Wähler, währendessen man die "Schuldigen" für das Scheitern des Spitzenkandidaten-Prinzips ans Licht der Öffentlichkeit zerrte.

 An den zwei Tagen zuvor hatten Merkel und Macron im Schatten des G 20 Gipfels im japanischen Osaka, zu dessen Teilnehmern die meisten der 28 EU-Staaten gar nicht gehören und also auch nicht vor Ort waren, einen trickreichen Plan ausgekungelt. Sie schlugen nun plötzlich doch wieder einen der beiden Spitzenkandidaten der Europawahl, den Kandidaten der Sozialisten, Frans Timmermans als ihren Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission vor. Trickreich deswegen, weil Timmermans niemals die Stimmen der osteuropäischen Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarm) bekommen würde.

 So war vor der Öffentlichkeit dem Wählerwillen Genüge getan, die Schuldigen waren, mit der Schmuddelregierungen in Polen und Ungarn benannt, und der Weg war frei für die Machtdemonstration der Regierungschefs gegenüber dem Parlament.

 Dazu wiederum Marcus Preiß in den ARD-Tagesthemen am 30. Juni:
"Es gab ja dieses Paket aus Osaka, wo nach allem was man hört, Frans Timmermanns als Kommissionspräsident vorgeschlagen werden sollte. Man wußte um die Widerstände, die dieser Name in Osteuropa, in den sogenannten Visegrád-Staaten, also in Polen in Ungarn in der Slowakei und in Tschechien auslösen würde."
Einen Tag später, am 1. Juli, das neue Europaparlament war noch immer nicht ein einziges Mal zusammengetreten, war das Werk dann fast vollbracht. Die Regierungschefs hatten ihr seid langem vertrautes Handlungsmuster durchgezogen.
"Fast 20 Stunden lang haben sie verhandelt,"
verkündete anerkennend Pinar Atalay mit ihrem ersten Satz in den ARD-Tagesthemen diese eher fragwürdige Leistung, die wie nicht anders zu erwarten war, ohne Ergebnis blieb. Aber anstatt der Ergebnisse hatte man wenigstens Schuldige für den Wahlbetrug ausgemacht. Kein Wort allerdings davon, dass Macron auf keinen Fall Manfred Weber als Kommissionspräsidenten haben wollte und Merkel eigentlich weder Weber noch Timmermans.

 Den Generalangriff leitete dann nicht etwa ein Politiker ein, sondern ein Wissenschaftler. Das verschaffte der Sache mehr Seriosität: Guntram Wolff der Direktor der "Denkfabrik Bruegel":
"Wir haben auch bei einigen Ländern tatsächlich abweichende Meinungen, die früher eher unter einen Hut zu bringen waren."
 Es stört die ARD wenig, dass Wolff von Hause aus ein Wirtschaftswissenschaftler ist, dessen Forschungsschwerpunkte in den Bereichen europäische Wirtschaft und Governance, Fiskal- und Geldpolitik sowie globale Finanzen liegen. Wollf ist Direktor der neoliberalen Denkfabrik Bruegel. Mitglieder dieses angeblich unabhängigen Instituts sind 18 Staaten Europas, darunter Frankreich und Deutschland, 34 Großunternehmen, darunter Amazon, Facebook , Google, Microsoft, Mastercard Morgan Stanley, Pfizer, Shell oder McKinsey sowie 14 "Institutionen", zumeist die Zentralbanken europäischer Länder.

 Wichtig ist, der Mann ist ein Wissenschaftler und er macht den Weg frei für einen endgültigen Paradigmenwechsel. Plötzlich lag der Focus der Medien darauf Schuldige für einen groben Wahlbetrug zu finden. Da drängen sich die europäischen "Schurkenstaaten" Polen, Ungarn und, neu hinzugekommen, Italien förmlich auf.

 Nun schlägt die große Stunde des Michael Grytz, seines Zeichens ARD-Korrespondent in Brüssel. Zunächst lenkt er die Verantwortlichkeit für den Wahlbetrug weg von den Regierungschefs, hauptsächlich Frankreichs und Deutschlands, Macron und Merkel, hin auf das Europäische Parlament, das bis Dato noch nicht eineinziges Mal getagt hatte:
"Nun wir sehen auf der einen Seite, um nochmal auf das Spitzenkandidaten-System zurückzukommen, dass das Parlament ja gegen den Rat durchsetzen will, dass es die Sache ein wenig verkompliziert. Am Ende haben wir es hier noch mit zwei Kandidaten zu tun. Und wenn da irgendwo Widerstände entstehen, dann wird es natürlich etwas komplizierter."
 Grytz leugnet ganz einfach das Wahlversprechen. Im Gegenteil das böse, böse Parlament, der Repräsentant der Bürgerinnen und Bürger Europas, will das Spitzenkandidaten-System gegen den Rat durchsetzen und es gibt zu allem Überfluss auch noch zwei Kandidaten, ein Unding in einer Parlamentarischen Demokratie - kompliziert, kompliziert.

 Nun aber wirklich zu den eigentlichen Schurken in diesem vom Drama zur Groteske mutierendem Stück:
"Was Italien anbelangt können wir feststellen, dass es da offenbar jetzt eine Achse gibt, zwischen Italien, Ungarn und Polen."
Assoziationen mit dem bösen Begriff der Achsenmächte (Deutschland, Italien, Japan) während des Zweiten Weltkrieges werden wach und sind sicher nicht ganz ungewollt. Waren doch Italien und Ungarn auch schon Mitglieder der damaligen Achse. So ist es denn nun auch ein Leichtes einen flüssigen Übergang zur Fundamentalkritik an den Schurkenstaaten überzugehen:
"Wenn man sich daran erinnert, dass Salvini, der Vizepremier in Italien, der Rechtsnationale, das er vor der Wahl schon gesagt hat, dass er gegen die EU kämpfen will und dass er sie in diesem Zustand überhaupt nicht versteht und will. Es sei ein Albtraum, tönte er. Das jetzt nun Italien bei einem möglichen Defizitverfahren, jetzt auch bei der Kandidatenfindung auf einmal so blockiert, das alles könnte ein Zeichen sein für die anderen Zeiten, die da in Italien angebrochen sind. Und wie das dann aufzulösen ist, das ist im Moment noch völlig unklar."
 So sind sie, die Besitzer der Demokratie, die großen Vereinfacher nach dem Motto Italien = Salvini. Eines der großen Völker Europas, über 60 Millionen Menschen, mit einer mehrere tausend Jahre währenden Geschichte, mit Städten wie Mailand, Venedig, Rom, Palermo, mit einer Ausdehnung von den Alpen bis fast an die Küste Afrikas, im Brennglas der ARD zusammengeschmolzen auf einem Mann - Salvini. Politik ist so einfach, wenn man so schlicht gestrickt ist wie Michael Grytz.

Was aber wäre denn, wenn Timmermanns raus wäre, so lautet die quälende Frage Pinar Atalays. ein schönes Stichwort. Grytz malt nun in den schillerndsten Farben die Apokalypse an die Wand:
"Man muss sich vorstellen, was das Zeichen wäre? Denn Frans Timmermanns hat als Vizekommissionschef sich dafür eingesetzt, dass Rechtsstaatlichkeit in Polen eintritt und eingehalten wird. Er hat die Rechtsstaatlichkeitsverfahren vorangetrieben, übrigens nicht alleine, sondern mit der ganzen Kommission und vielen anderen. Was wäre das für ein Zeichen wenn Timmermanns nun zurückgezogen würde, weil Polen eine solche Kritik an dem Mann hat? Und das zweite ist, wenn auch Timmermans rausfiele und Weber ebenfalls raus wäre, dann hätten wir es mit einer handfesten Institutionskrise, möglicherweise, zu tun." 
 Der Turnaround ist nun vollständig vollzogen. Er ist gelungen, und verkleistert ab jetzt der Öffentlichkeit die Augen vor den wirklich verantwortlichen, Merkel und Macron. Und das dank eines Reporterleins, dessen leidenschaftliches Hobby zu sein scheint, den Menschen eine Welt zu schildern, die von Wahrheit und Fakten absolut unbeleckt ist.

Aber dieses Reporterlein ist noch nicht ganz fertig, schuldet er uns doch noch ein drittens:
"Und drittens wäre es so",
und nun halten Sie sich bitte fest, denn nun wird es endgültig lächerlich,
"dass sich Leute wie Putin oder Trump in der Welt sicherlich die Hände reiben würden, weil die EU dann genau das Bild abgäbe worauf diese beiden am liebsten warten. Dass es nämlich ein uneiniges Konstrukt ist, das keine Erfolgschancen hätte."
 Jetzt, da Putin und Trump mit im Boot sind, kann es weitergehen. Man hat die üblichen Verdächtigen verhaftet und kann nun frohen Mutes vorwärtsblicken. Die Kungelrunde in den Hinterzimmern kann jetzt in die Offensive gehen. Jedwede Kritik kann mühelos gekontert werden, indem man den Kritikern eine inakzeptable Nähe zu diesen beiden Unberührbaren vorhält.

 Volle Fahrt voraus, so kann man dann auch den Vorschlag für den Kommissionsvorsitz charakterisieren, der der Öffentlichkeit am nächsten Tag, dem 2. Juli, das neue EU-Parlament wird an diesem Tag das erste Mal zusammentreten, präsentiert wird. Die deutsche Verteidigungsministerin, zu Hause mit einem Untersuchungsauftrag wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft an den Hacken, belastet mit dem Skandal um die Restaurierung des Segelschulschiffes Gorch Fock einem nicht flugfähigen Transportflugzeug und einem ebenfalls am Boden klebenden Hubschrauber schwer unter Beschuss wird von Merkel der EU untergeschoben.

 Diese Frau, die während ihres langen Politikerlebens nie durch eine besondere Nähe zu Europa aufgefallen ist, muss nun als glühende Europäerin und Idealbesetzung für die Leitung einer Behörde von über 30.000 Beamten verkauft werden.

 Pflichtschuldigst seiner Kanzlerin gegenüber läßt Dr. Gniffke sich nicht lange bitten. Bereits am Abend dieses Coupes seiner Herrin leitet der Doktor in den Tagesthemen die Metamorphose der schwer angeschlagenen Verteidigungsministerin zur erfolgreichen EU-Kommssionspräsidenten, an der am Ende der Kampagne, jeder aufrechte Demokrat der Meinung ist: Zu Ursula von der Leyen gibt es keine Alternative, ein.

 Zunächst einmal betont Pinar Atalay in der Anmoderation eines Art Vorstellungsfilms, dass Ursula von der Leyen, nachdem sie bereits die erste Verteidigungsministerin Deutschlands war, nun die erste Präsidentin der EU-Kommission sein wird. Ausser einer gewissen Symbolik allerdings kein Wert an sich. Daher ist es wichtig, von der Leyen Europakopetenz anzudichten, der Welt zu zeigen, hier wurde kein fauler Kompromiss geschlossen, sondern die Frau ist kompetent und eine überzeugte Anhängerin des europäischen Gedankens.

 Aus diesem Grund hat Christian Feld den Auftrag bekommen, ein Bild von der Leyens als ein Ebenbild der Europa aus der griechischen Mythologie, der Namensgeberin des Kontinents zu zeichnen:
"Die Verteidigungsministerin strahlt mit der Sonne um die Wette. Jeder soll es sehen, hier kommt ein europäisches Projekt voran. Für eine engere militärische Zusammenarbeit macht sich von der Leyen schon seit langem stark. Als Kommissionspräsidenten könnte sie das noch intensiver voran treiben."
 Der Filmbeitrag zeigt die Unterzeichnung des Vertrags zum neuen Kampfjet-Systems "Future Combat Air System" (FCAS) durch die Verteidigungsministerinnen der Teilnahmestaaten Deutschland, Frankreich und Spanien, von der Leyen, Florence Parly und Margarita Robles anlässlich der Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris
"unter Aufsicht des französischen Präsidenten Macron"
wie die ARD-Korrespondentin in Paris, Sabine Rau spitz anmerkte. Und in der Tatl ässt Macron während der Freakshow vor einem Pappmodell des zukünftigen Fliegers keinen Zweifel daran, wer hier das Sagen hat.

Macron erteilt Weisung, wo seine Ministerin Florence Parly zu unterzeichnen hat, während Ursula von der Leyen sich über einen satten Auftrag von weit über 100 Milliarden Euro für die Rüstungskonzerne Airbus und Dassault Aviation.
Screenshot: ARD Tagesschau

Aber Christian Feld fällt noch mehr ein, warum die Wahl von der Leyens eine kluge Wahl war und nicht etwa das Verlegenheitsprodukt eines gebrochenen Wahlversprechens:
"Brüssel kennt Ursula von der Leyen nicht nur als Ministerin. Sie ist dort geboren und auf die europäische Schule gegangen. Ihr Vater Ernst Albrecht war vor seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen, hoher Beamter der EU-Kommission."
 Im Grund sind bereits zu diesem frühen Zeitpunkt damit schon alle Argumente für von der Leyen aufgezählt. Im Laufe der nun folgenden zwei Wochen, bis zu ihrer Wahl durch das Parlament kommt noch die ein oder andere Kleinigkeit, wie etwa die, dass von der Leyen drei Sprachen, deutsch englisch, französisch spricht, hinzu.

Schliesslich und endlich thematisiert die Tagesschau am 15. Juli noch einmal die Ablehnung von der Leyens durch die deutschen Europaabgeordneten. Marcus Preiss spielt die nationale Karte:
"Wie die Wahl morgen ausgeht lässt sich noch nicht sagen. Eins aber sieht man hier überall, Kopfschütteln über Deutschland. Denn von den 96 detschen Abgeordneten stehen mittlerweile wohl weniger als 40 hinter von der Leyen."
 Preiss konstruiert eine Art Dolchstoßlegende: Ursula von der Leyen von ganz Europa gewollt, am Votum ihrer Landsleute, den Deutschen gescheitert. Wer nun diese Vaterlandslosen Gesellen waren, dass hatte Ariane Reimer im gleichen Beitrag bereits zuvor klar gestellt:
"Bei den Sozialdemokraten gibt es Widerstand. Vor allem bei den deutschen Abgeordneten. Sie hatten ein Papier zusammengestellt. Die Überschrift: Warum Ursula von der Leyen eine unzulängliche und ungeeignete Kandidatin ist. CDU und CSU, die Koalitionspartner in Berlin sind verärgert."
 Die Diskussion um den Kommissionsvorsitz hat jetzt einen deutlich innenpolitischen Spin bekommen. Die ARD, aber nicht nur die ARD thematisiert nicht etwa den eigentlichen Skandal, nämlich das zur Quasi Europäischen Regierungschefin jemand bestimmt werden soll, die gar nicht zur Wahl stand, sondern macht daraus ein Ränkespiel in den Niederungen der deutschen Politik, bei dem die Rolle des Judas den Sozialdemokraten zugeschustert wird. So zeigt die ARD das Papier der SPD - die Kamera verweilt einen Augenblick auf der Titelzeile und schwenkt dann so schnell nach unten auf das Ende des Textes, dass den Zuschauerinnen und Zuschauern gar nicht die Möglichkeit bleibt den Text, auch nur auszugsweise zu lesen. So suggeriert die ARD faktenbasierte Berichterstattung, ohne die Fakten wirklich vorzulegen (für Neugierige hier der Link zum Papier).

 In Wirklichkeit soll mit diesem Trick, der Öffentlichkeit scheinbar Rohdaten, Originalmaterial vorzulegen, nur ein Meinungskommentar, eines der größten Sozifresser der Republik, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als faktenbasierte Nachricht vorbereitet werden. Der lässt sich denn auch nicht lange bitten. Vor einem Hintergrund mit lauter blauen CSU-Schriftzügen betätigt er sich als Kassandra aus München:
"Wenn es am Ende an der deutschen SPD scheitern sollte, ist das natürlich 'ne schwere Belastung. Eine Belastung für eine Koalition. Es wäre peinlich für Deutschland und am Ende wäre der Ertrag für die SPD gleich null."
 Die ARD hat es geschafft, am Vorabend der Wahl zur Kommissionspräsidentin der EU über 4 Minuten lang zu berichten ohne ein einziges Mal den Betrug am Wahlvolk zu erwähnen. Würde ein Raumschiff vom Mars landen und die kleinen blauen Männchen würden sich mithilfe der Tagesschau auf den neuesten Stand der politischen Agenda hier auf Erden bringen, sie würden zwangsläufgig davon ausgehen, dass die nette kleine Frau mit dem gewinnendem Lächeln durch eine Intrige bösartiger SPD-Politiker um ihren Traumjob gebracht werden soll und die EU als auch die Regierung in Deutschland sich mitten in einer schweren Krise befinden würden.

 Die Strategie der Mainstreamjournalisten, den Wahlbetrug der EU-Regierungschefs möglichst aus dem kollektiven Gedächtnis zu eliminieren, wird sogar noch am Wahltag, den 16. Juli eisern durchgehalten. Während die ARD eine bewährte Taktik des Teams um Dr. Gniffke, eine unliebsame Tatsache ganz einfach zu ignorieren fortsetzt, geht das ZDF im Morgenmagazin einen anderen Weg: Man versucht, hier in Persona des bisher fast ausschliesslich im Bereich Fußball aufgetretenen Jochen Breyer, die SPD im Gespräche mit der Vizepräsidentin des EU-Parlements, Katharina Barley, als zerstrittenen, unsicheren Kantonisten  zu inszenieren. Dazu überhöht Breyer die Kandidatin der Wahlbetrüger Ursula von der Leyen pathetisch:
"Ursula von der Leyen verschreibt sich voll und ganz Europa..."
so als würde die Frau ihre Existenz, das Wohl und Wehe ihres weitern Lebens in die Hand der Europaparlamentarier legen. Ihr Einsatz am Tisch der Gaukler und Roßtäuscher ist typisch - ein Bluff. Sie, so einer ihrer Claqueure, ZDF-Mann Breyer,
"...tritt auf jeden Fall zurück als Bundesverteidigungsministerin."
Nun weiß jeder, der sich auch nur ein bisschen in der deutschen Politik auskennt, dass die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein Artikel von nur noch äußerst begrenzter Haltbarkeitsdauer war.

 Leider hat sich das Breyerlein damit arg verstolpert. Frau Barley ignoriert das dumme Geschwätz von der sich aufopfernd für Europa in die Schlacht werfenden Ursula von der Leyen und kommt direkt zum Kern der Debatte:
"Was in den nationalen Medien manchmal aus dem Blick gerät: Es geht hier um viel mehr als um die Personalien. Es geht um eine Weichenstellung in der Europäischen Union. ...wir haben im Wahlkampf dafür geworben, dass die Europäische Union demokratischer wird. Übrigens CDU und CSU auch, mit dem Spitzenkandidatenprinzip. ...Wir halten das immer noch für sehr wichtig, dass der Rat das nicht einfach in die Tonne treten kann und zwar unter lautem Jubel der Rechtspopulisten Orban und Salvini."
 Breyer, nun deutlich in der Defensive, versucht sich zu retten und verwickelt sich dabei immer mehr in den von ihm selbst ausgelegten Fallstricken:
"Dieses Spitzenkandidatenprinzip an dem sie sich so ein wenig festklammern steht allerdings nicht in den EU-Verträgen und das Parlament konnte sich ja auch nicht auf einen Kandidaten einigen."
 Eine Spitzfindigkeit und ein zumindest deutlich zurechtgebogenes Argument. Zum Spitzenkandidatenprinzip in den EU-Verträgen hatten wir bereits das Vergnügen weiter oben, Elmar Brok einen der Autoren dieser EU-Verträge zu hören. Und was das, sich nicht einigen können der EU-Parlamentarier anbetrifft, lassen wir doch Frau Barley antworten:
"...das Europäische Parlament konnte sich gar nicht einigen. Das ist nämlich einer der Punkte. Am 2. Juli, als der Rat seine Entscheidung bekannt gab, dieses Paket aufzustellen, da trat das Europäische Parlament das erstmal zusammen. Das ist eben Teil des Problems. Der Rat hat bewusst das Parlament überfahren mit dem Vorschlag."
 Man muss schon strunzdumm oder hochgradig ignorant sein, wenn man, wie Breyer, die eben erhaltene Lehrstunde in Europapolitik einfach gar nicht zur Kenntnis nimmt und die hier gar nicht zur Debatte stehende Frage stellt:
"Also für Ursula von der Leyen sind sie nicht. Für wen sind sie denn?"
Barley versucht es noch einmal mit Geduld:
"Nun es geht darum das der Rat und das Parlament eine gemeinsame Lösung finden. So sehen es die Verträge vor. Der Rat schlägt vor und das Parlament wählt. Und es geht eben nicht, dass die eine der Institutionen die andere vor vollendete Tatsachen stellt. Wenn wir das einreissen lassen, das dieser ganze Prozess des Europäischen Parlaments, dass sich ja jede Befugnis hat hart erkämpfen müssen. Das geht dann in genau die andere Richtung und dagegen wehren wir uns."
 Breyer schien nun der Meinung zu sein, dass er sich noch nicht genug blamiert habe. Er stampft mit dem Fuß auf:
"Aber sie nennen auch keinen Namen. Beim Brexit haben sie den Torrys in Großbritannien immer vorgeworfen, dass sie nur sagen wogegen sie sind aber nicht wofür."
Wenn der alte Satz: Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, jemals zutreffend war, dann hier. Der Mann ist eindeutig bei einem anderen Thema in einem anderen Interview, in einer anderen Galaxie.

 So sieht er aus der deutsche Qualitätsjournalismus, der in weiten Teilen ein Kampagnenjournalismus ist. Die Politik, die Speerspitze des tiefen Staates brauchte bei den Europawahlen im Mai eine hohe Wahlbeteiligung, um den Schweinereien der Zukunft, dem Kolonialismus 2.0, der Kriegstreiberei und der damit einhergehenden Hochrüstung, der Aufteilung Europas in ein prosperierendes, wohlhabendes im Überflusss lebendes und ein diesen Zentralstaaten, wie Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich zulieferndes Prekariat der Ränder im Osten und im Süden.

 Aus diesem Grunde wurde dem Wahlvolk vorgegaukelt, die Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament, am 26. Mai, würde die Union auf ihrem Weg in eine demokratische Union ein wesentliches Stück voranbringen. Als die so umworbenen Wählerinnen und Wähler dann am Montag den 27. Mai aufwachten, war von Demokratisierung nicht mehr die Rede. Frankreichs Staatspräsident sprach sogar von Fesseln, die die Bürger Europas den Regierungschefs mit ihrer Wahl angelegt hätten und von denen man sich befreien müsse.

 Alles in allem ein Lehrstück für Jeden, in Sachen Meinungsmanipulation.

2 Kommentare:

  1. ano55nymus: Ich bedanke mich für diesen hervorragenden Kommentar.

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  2. Ich bin auch kein Freund von diesem Macron/vdL-Coup. Aber die EU ist unsere Zukunft. Ohne starke EU werden wir von China domestiziert. Schon jetzt werden kritische Stimmen abgestraft wenn möglich. Und wer schützt uns vor den immer agressiveren Autokraten wie Putin oder Erdogan?

    Wirtscfatlich ist die EU ein Erfolgsmodell. Wer das bezweifelt stellt sich gegen die Wissenschaft. Das gleiche gilt für Frieden und Rechtsstaatlichkeit. Wer den Hasskommentaren der Nationalisten folgt steht außerhalb unserer Verfassung.

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