Montag, 20. Februar 2012

Schlecker die zweite oder: Die Macht der grossen Zahlen

30.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Mit dieser Drohung macht die Familie Schlecker Druck in der Öffentlichkeit. Eine ganzseitige Anzeige in der Bild: "Wir sind weiter für sie da", ein, unter dubiosen Umständen, angeblich von Mitarbeitern, gegründeter Verein mit Namen: "Wir sind für sie da", und schliesslich, unter Beugung bestehenden Rechts, bekommt Sohn Lars redaktionelle Sendezeit eingeräumt, im ARD Morgenmagazin, um für die neue Unternehmenskultur im Hause Schlecker zu werben.

 Nun gut, mag man sagen, ungewöhnliche Umstände rechtfertigen eben auch ungewöhnliche Methoden. Da muss das Fernsehen auch mal eine Ausnahme machen können, um zum Erhalt so vieler Arbeitsplätze beizutragen.

 Ungewöhnliche Umstände? Täglich gehen tausende Arbeitsplätze verloren im deutschen Einzelhandel. Der Gemüsehändler, der Milchladen, der Fleischer, der Textilfachhändler, das Inhaber geführte Schuhgeschäft, täglich werden Existenzen vernichtet. Nicht nur die Inhaber stehen vor dem Nichts, auch den zwei, drei Beschäftigten droht, zum Teil, lange Arbeitslosigkeit und sozialer Abstieg. Für diese Geschäfte, die von solchen Filialisten, wie z.B. Schlecker, an die Wand gedrückt und dort zerquetscht werden, regt sich aber keine Hand.

 Wettbewerb, schön und gut. Aber dann bitte mit fairen Mitteln. Der kleine Einzelhändler hat doch überhaupt keine Chance gegen die riesigen Konzerne zu bestehen.

 "Der Schlecker wartet schon," so habe ich mehrfach gehört, wenn ein Eigentümer die Miete für das Geschäft in seinem Haus derart erhöht hat, dass der kleine Händler sich den Laden gar nicht mehr leisten konnte und schliessen musste. Gerade Schlecker hat doch zu seinen besten Zeiten jeden Preis, für die letzten Bruchbuden bezahlt, nur um auch in diesem Viertel vertreten zu sein. Verdrängungswettbewerb, so heisst das ganz offiziell.

 Da sind als weiteres die Ladenschlusszeiten. Von der Politik gegen Gewerkschaften und die breite Masse der Händler durchgesetzt. Welcher kleine Einzelhändler kann es sich leisten, seinen Laden von morgens acht Uhr bis am Abend um zehn Uhr durchgehend offen zu halten, ohne sich selbst bis zur völligen Erschöpfung auszubeuten?

 Der Einkauf macht den Gewinn, sagt der Kaufmann. Ein Grosshändler, wie Markant, einer der Hauptgläubiger bei Schlecker, würde den kleinen, selbstständigen Drogisten oder Inhaber einer kleinen Parfümerie gar nicht beliefern, weil der die Wertgrenze ab der dieser liefert, niemals erreichen kann. So bekommt er seine Ware natürlich nur zu wesentlich schlechteren Konditionen als die grossen Konkurenten, muss aber dem Verbraucher die Ware zum gleichen Preis wie z.B. Schlecker anbieten. Für den Verbraucher ist Geiz schliesslich geil.

 Das Ergebnis dieses massiven Verdrängungskampfes können wir täglich in unseren Innenstädten sehen: Verschlossenen Türen, zugeklebte Schaufenster, heruntergekommene Fassaden, letztendlich die Verödung ganzer Strassenzüge. Doch für's Fernsehen sind diese Schicksale uninteressant. Das braucht die grossen Zahlen.

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