Donnerstag, 5. Juli 2012

Durch EZB-Zinssenkung noch mehr Geld fürs Kasino?

 Der Rat der EZB ist am Morgen zu seiner turnusmässigen Sitzung in Frankfurt zusammen gekommen. Allgemein wird erwartet, dass er den Leitzins auf das historische Tief von 0,75% oder gar 0,5% senken wird. Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich die Banken Geld bei der EZB leihen können. Begründet wurde diese zu erwartende historische Entscheidung mit der Eurokrise und der nachlassenden Konjunktur.

 Die Zocker reagierten auf ihre Weise auf das Gerücht einer Zinssenkung. Der Dax machte schon einmal in froher Erwartung des Nachmittags einen Kurssprung von über einem halben Prozentpunkt. Verbunden mit dem positiven Aktienkurs war allerdings auch die Drohung, sollte die EZB die Leitzinsen nicht senken, so sei mit negativen Reaktionen auf den Märkten zu rechnen. Selbst die mächtige EZB scheint mittlerweile erpressbar.

 Rational verständlich ist eine Senkung des Leitzinses auf das historische Tief von 0,75 oder 0,5% nämlich nicht. Zwar zeigt die Konjunkturkurve nach unten, aber einen allgemeinen Abschwung mit einer Zinssenkung abzufangen ist in der jetzigen Situation unwahrscheinlich. Geld ist ja im Überfluss vorhanden, so viel, dass die Banken es in bisher unbekannter Höhe bei der EZB parken, zu dem Minimalzinssatz von 0,25%.

 Das Problem liegt vielmehr darin, das die Banken sich untereinander nicht trauen und sich gegenseutig kein Geld leihen. Auch sind sie zur Zeit nicht bereit der Wirtschaft die dringend benötigten Kredite zur Verfügung zu stellen. Erst wenn die Banken das billige Geld der EZB an die Unternehmen zu günstigen Konditionen weitergeben würden, könnte dadurch die Wirtschaft angekurbelt werden

 So aber ist die Zinssenkung nur ein weiteres Mittel um die Spekulation anzuheizen. Geld, das unter Umständen sogar Kontraproduktiv sein kann. Wird es dazu verwandt um etwa mit Öl oder Nahrungsmitteln zu spekulieren, so treibt es nicht nur deren Preise für die Verbraucher in die Höhe. Folge ist ein Rückgang des Konsums, neben den Investitionen der Wirtschaft einer der Motoren der Konjunktur.

 Ein zweiter Punkt, der gegen eine Zinssenkung zum jetzigen Zeitpunkt spricht: Womit will die EZB die Konjunktur im Euroraum stimmulieren, wenn der erwartete grosse Einbruch kommt? Das probate Mittel Zinssenkung steht ihr dann nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung. Bei Zinssätzen von zwei bis drei Prozent oder gar über vier Prozent, wo er zu seiner besten Zeit stand, da lässt sich bei nachlassender Konjunktur ein ordentlicher Schluck aus der Pulle verteilen. Aber bei dem Allzeittief von unter einem Prozent ist kaum noch ein wirkungsvolles Signal möglich. Die EZB täte besser daran, ihr Pulver jetzt trocken zu halten.

 So bleiben eigentlich nur zwei Erklärungen: Die eine wäre, die EZB-Bänker sind so gefangen in ihrem angebotsorientiertem Denken, dass sie auch zur Unzeit nach dem Leitsatz handeln, wonach eine Ware nur in ausreichender Menge, zu einem günstigen Preis angeboten werden müsse, um auch abgenommen zu werden.

 Die zweite Erklärung wäre, dass die EZB einfach dem Druck der so genannten Märkte nachgibt. Also Leute mit sehr viel Geld, mit so viel Geld, dass sie durch spekulative Geschäfte ganze Volkswirtschaften ins Elend stürzen können. Diese Leute wollen immer mehr und sie haben die Macht und die Mittel ihren Willen durchzusetzen. Dabei ist ihnen auch jedes Mittel recht. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Zentralbank von diesen Leuten zu, für die Allgemeinheit schädlichen, Handlungen gezwungen wird.


Nachtrag: Die EZB hat die Zinsen tatsächlich um 0,25% auf 0,75%  gesenkt. Den Zockern ist das anscheinend deutlich zu wenig. Unmittelbar nach Bekanntgabe des neuen Zinssatzes drehte der Dax mit über einem halben Prozent deutlich ins Minus.

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