Mittwoch, 22. August 2012

Arabischer Frühling oder kalt kalkulierter Umsturz zugunsten des Marktradikalismus

 Wenn der ARD-Korrespondent Jörg Armbruster mal wieder auf seinem Balkon in Kairo steht mit Exklusivblick auf den Nil und uns angeblich die Vorgänge des „Arabischen Frühlings“ erklärt, dann erzählt er uns nicht einmal die halbe Wahrheit. Wurde uns doch weis gemacht, die Revolte gegen die Regierung Mubarak werde geführt von von jungen Menschen, die sich sich spontan zusammen getan hatten weil sie sich nach Freiheit und Demokratie sehnten.

 Ein wunderbares Bild, junge Menschen, die ganz ihre Ideale leben, ohne materielle Forderungen. Die ihr Leben riskieren um ihr Volk aus der Tyranei zu befreien. Schön für die Fernsehsender, wenn diese jungen Menschen auch noch eins zu eins die Zielgruppe der 15 bis 49-jährigen bilden, die man hier bei uns ansprechen will. So bekommt man junge Leute vor den Bildschirm, weil sie sich verbunden fühlen mit den Demonstranten auf dem Tahrirplatz. So sah man denn auch vornehmlich ausserordentlich gut gekleidete, junge Frauen und Männer, deren Lebensstil eindeutig von westlichen Werten geprägt ist.

 Sahen die Revolutionäre schon aus wie frisch einem Warenhauskatalog entsprungen, so ist die Art und Weise wie diese Revolution in Gang kam, wie sie gesteuert wurde und letztendlich triumphierte, ganz und gar so, als sei sie eine der vielen US-amerikanischen Seifenopern bei denen Handlung und Werbung des Sponsors nicht mehr von einander zu unterscheiden sind.

 Was für ein schöner Zufall, in den USA wird gerade der grösste Börsengang aller Zeiten eines Unternehmens vorbereitet und in Arabien befreien sich gerade junge, idealistische Menschen, die auf keinem US-amerikanischen Unicampus auffallen würden, mit Hilfe der Technik dieses Unternehmens, von finsteren Tyrannen. In allen Nachrichtensendungen aller TV-Sender weltweit, wird hundetrtausendmal am Tag der Firmenname "Facebook" genannt.  Bessere und kostengünstigere Werbung geht nicht. Eine Revolution durch drücken des Buttons: „Gefällt mir.“ Ein Firmenname nach dem eine ganze Generation benannt wird, die Genenration Facebook.

 Will man die Wahrheit über die Revolution in Ägypten erfahren, so muss man allerdings etliche Jahre zurückgehen. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts war das Regime Mubarak am Ende. Die Wirtschaft lag am Boden und der Regierung ging das Geld aus. Jahrelange Misswirtschaft, Korruption, überdimensionierte Bauvorhaben, wie etwa das Toshka-Projekt, immer grösser werdende Lebensmittelimporte durch eine verfehlte Landwirtschaftspolitik und eine jahrzehntelange Hochrüstung mit dem feinsten was es auf dem Markt zu kaufen gab, hatten das Land ruiniert.

 Mubarak und seine Clique mussten sich bei IWF und Weltbank Geld leihen, damit Ägypten nicht bankrott ging. Für die gewährten Kredite packten IWF und Weltbank dann ihr gesamtes Arsenal an Folterwerkzeugen aus. Ägypten musste seine Märkte für Impoerte öffnen, seine Währung abwerten. Es musste seine Landwirtschaft auf Export umstellen, statt Hirse, dicke Bohnen und Kohl, wie sie seit Jahrehunderten der Bevölkerung zur Ernährung dienten, wurde jetzt Baumwolle, Exportgemüse und Mais auf den, durch Versalzung Überdüngung und die Erderwärmung immer kleiner werdenden landwirtschaftlichen Flächen angebaut. Ägypten musste sich für ausländische Investitionen öffnen, und alles was irgendwie von Wert war privatisieren.

 Mit diesen Massnahmen einher ging die zunehmende Verarmung der Bevölkerung. Die Bauern verliessen ihre Äcker und Dörfer, weil sie dort ihre Familien nicht mehr ernähren konnten und wanderten in die Städte. Allein die Einwohnerzahl des Kerngebietes von Kairo wuchs von 1986 bis 2008 um fast 2 Millionen Menschen von 6 auf über 7,9 Millionen. Die meisten dieser Menschen lebten in den Slums der Stadt, ohne Wasser und ohne Kanalisation. Sie verdingten sich als Tagelöhner. In vielen Familien waren die Kinder die einzigsten, die durch ihre Arbeit den Lebensunterhalt der gesamten Familie bestritten.

 Im Frühjahr 2010, also ein Jahr vor der Revolution der Handygeneration, kam es zu immer massiveren Arbeiterunruhen. Immer wieder, oft über Wochen belagerten Hunderte und Tausende von Arbeitern das Parlament und kämpften für ihre Rechte. Auch das Protestcamp auf dem Tahrirplatz war keine Erfindung der Studenten. Die protestierenden Arbeiter, schon ein Jahr zuvor, campierten oftmals über Wochen vor dem Parlamentsgebäude. Mehrfach wurde von der ägyptischen Regierung erwogen, die Demonstrationen niederzuschiessen. Aber die Gefahr eines allgemeinen Volksaufstandes erschien zu groß.

 Diese Demonstrationen, eine amerikanische Untersuchung zählte in den Jahren 2004 bis 2008 allein 1.900 mit etwa 1,7 Millionen Teilnehmern wurden allerdings von den westlichen Medien totgeschwiegen. War man doch mit Mubarak noch innigst verbunden und Demonstrationen von Arbeitern gegen die schöne glitzernde Welt des Turbokapitalismus wie von IWF und Weltbank vertreten, darüber mochte man nicht berichten.

 So konnte dann im Frühjahr 2011 die Mär von der spontanen, ungesteuerten Protestbewegung der Generation Facebook verbreitet werden. Dabei war Mubarak längst vom Westen zum Abschuss freigegeben worden. Denn der lief nicht mehr so recht in der Spur. Aus Angst vor den immer lauter und mächtiger werdenden Arbeiterprotesten liess er im Juni 2010 verkünden, nun sei Schluss mit den Privatisierungen. Am 27. Juni 2010 spekulierte die New York Times schon öffentlich darüber, dass die nächsten Reformschritte nur mit einem anderen Präsidenten zu machen seien. Mubarak hatte nach 30 Dienstjahren ausgedient.

 In den 70er, 80er und auch noch 90er Jahren hätten die Amerikaner unter irgendeinem Vorwand einen Krieg vom Zaune gebrochen, hätten das arme Ägypten ein paar Wochen aus 5.000 Meter Höhe in Schutt und Asche bombadiert, wären anschliessend einmaschiert und hätten eine ihnen genehme Regierung eingesetzt. Aber nach vielen Versuchen, die zumeist suboptimal oder in einem Fiasko endeten, siehe Somalia, hatte man zwischenzeitlich in den diversen Thinktanks andere subtilere Methoden entwickelt, sich Staaten gefügig zu machen.

 Halbstaatliche oder gänzlich private Organisationen und Stiftungen bereiten im Stillen den Umsturz vor. Gern wird das Ergebnis einer Wahl als gefälscht bezeichnet und wie aus dem Nichts entstehen plötzlich, bis hin zum Corporate Identity, durchorganisierte Demonstrationen, die mit etwas Glück das alte, ungeliebte Regime aus dem Amt fegen. Als hervorstechendstes Ereignis sei hier die orangene Revolution in der Ukraine genannt.

 Eine der bestimmenden Gestalten dieser, auch Blumenrevolutionen genannten, Regierungsstürze ist der amerikanische Milliardär und Börsenspekulant George Soros. Dieser Mann, der sich gern einen Philantropen nennen lässt, besitzt überall auf der Welt Stiftungen, die vorgeben, einzig und allein der Freiheit und Demokratie zu dienen. In Wirklichkeit haben sie nur ein Ziel, den amerikanischen Marktradikalismus auf der ganzen Welt durchzusetzen.

 Dieser Georges Soros ist der wahre Initiator und Finanzier der ägyptischen Revolution. Mit seiner Organisation Otpor, die sich im damaligen Jugoslawien gründete und letztlich Präsident Milosevic stürzte, hat er ein Instrument in der Hand, das überall, wo Mister Soros der Demokratie, wie er sie versteht, ein wenig Beine machen will, Studenten zu Revolutionären ausbildet und ihnen die nötigen Mittel an die Hand gibt, um einen Umsturz einzuleiten.

 Otpor war nachweislich in Ägypten tätig. Mit dem Ergebnis dieser Tätigkeit dürften sowohl Herr Soros, wie auch die amerikanische Regierung, der IWF und die Weltbank zufrieden sein.

 Die in wirtschaftlichen Fragen, ganz wie der neoliberal, radikal marktwirtschaftliche Westen denkenden Muslimbrüder haben die Macht übernommen. Der neue Präsident Musri hat in Absprache und unter leuichtem Druck von IWF und der Weltbank ein paar Generäle in den Ruhestand versetzt und sich selbst mehr Kompetenzen gegeben. Das wurde in der Presse als Vollendung des ägyptischen Demokratisierungsprozesses gefeiert. (Wer weiss, wie durchdrungen die ägyptische Gesellschaft vom Miltär ist, wer weis, das fast alle Schlüsselindustrien in Händen des Militärs sind, der weiss, dass man das ägyptische Militär nicht einfach so entmachten kann.)

 Heute reist die Chefin des IWF Madame Lagarde nach Kairo um ihre Unterschrift unter neue Kreditverträge mit Ägypten zu unterzeichnen, versehen mit den üblichen Folterwerkzeugen. Die Mutmassung der New York Times vom 27 Juni 2010 hat sich nun erfüllt, ein neuer Präsident ist im Amt, die Reformen gehen weiter. Oder war das vielleicht gar keine Mutmassung, sondern die präzise Bekanntgabe der Pläne von USA, IWF und Weltbank?

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