Dienstag, 12. Februar 2013

Nachdenken über die 30 Stundenwoche - für den deutschen Mainstream öffnen sich die Tore zur Hölle


 Die Erde ist eine Kugel. Das steht seit Nikolaus Kopernikus fest. Sogar der Vatikan hat das mittlerweile anerkannt. Nur in Deutschland ist sie nach wie vor eine Scheibe, und es ist bei Strafe verboten, darüber nachzudenken, dass sie vielleicht doch eine Kugel sein könnte.

 Einhundert Wirtschaftswissenschaftler, Gewerkschafter, Betriebsräte, Sozialwissenschaftler, Autoren, Geisteswissenschaftler und Politiker aus der Partei die Linke haben jetz ein Papier veröffentlicht, als Grundlage für eine breit angelegte Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden in der Woche.

 Und genau wie die heilige Inquisition im Mittelalter gegen die wissenschaftliche Erkenntnis, die Erde sei eine Kugel und drehe sich um die Sonne, zu Felde zog, so zieht eine Inqusition von Neoliberalen, Unternehmern mit ihren Verbänden, das Gros der Mainstreamjournalisten und die Einheitsparteien von der FDP bis zu den Grünen, geprägt von ökonomischen Unverstand, aber getrieben vom festen Glauben an die freien Kräfte des Kapitalismus und die unsichtbare, alles regelnde Hand des Adam Smith, gegen die Ketzer zu Felde.

 Alle Erkenntnisse, die man gewonnen geglaubt hatte, aus den Krisen der letzten Jahre, entstanden durch die ungezügelten freien Kräfte des internationlen Kapitals, die Bankenkrise, die Eurokrise, die Schuldenkrise, die Lebensmittelkrise, besonders in den Staaten der dritten Welt, scheinen vergessen, sind unbeeinflussbare Naturkatastrophen.

 Es scheint keine Verarmung grosser Bevölkerungskreise mehr zu geben, keine Anhäufung von unvorstellbarem Reichtum, bar jeder Realität. Dieser unvorstellbare Reichtum, der entstanden ist, durch eine Umverteilung, des von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erwirtschafteten Mehrwerts, von unten nach oben, ist im Begriff die Welt, so wie wir sie kennen, zu zerstören. Das Geld hat sich selbstständig gemacht. Es hat seine Gesetze geschrieben und denen haben wir uns zu fügen.

 Geld, zu viel Geld, in nur wenigen Händen, und mit seinem Drang sich zu vermehren, hat zu einer bespiellosen Zerstörung von Mensch und Umwelt geführt. Das Geld hat sich aller Recourcen dieses Planeten bemächtigt. Nicht nur die Bodenschätze, wie Erze, Kohle, Öl oder Gas, auch Wälder, Wiesen, Ackerland, die Steppen und sogar die Wüsten, die Ozeane gehören einigen wenigen und sind nichts mehr als Produktionsfaktoren. Die Ackerböden veröden, die Seen und Meere werden leergefischt, die Wälder abgeholzt und gerodet und die Bodenschätze, die doch eigentlich allen gehören, von anonymen Finanzgesellschaften aus Lobndon oder New York ausgebeutet.

 Dabei spielen die Menschen eine immer geringere, bis gar keine Bedeutung mehr.  Wenn Öl und Erdgas soweit verfeuert ist, das nichts mehr von selbst aus dem Boden kommt, dann wird es von giftigen Chemiekalien, von denen niemand weiss was sie wirklich im Untergrund anrichten, mit Gewalt aus dem Boden gepresst, wenn der eigene Ackerboden nichts mehr hergibt, weil er durch jahrzehntelange, gnadenlose chemische Überdüngung restlos ausgelutscht ist, dann jagt man eben die eingeborenen Bauern in Afrika, Südamerika und den weiten Steppen Asiens von ihrem, seit alters her, genutztem Boden. Wenn die eigenen Fischgründe der reichen Länder leergefischt sind, dann fährt man eben mit den schwimmenden Fischfabriken in die fischreichen Küstengewässer der dritten Welt und holt mit riesigen Schleppnetzen, die sämtliche Flora und Fauna am Meeresgrund zerstören, auch noch den letzten Stint aus dem Meer.

 Profit ist das Zauberwort. Geld ist wie die Atomkraft, wenn genug beisammen ist, die kritische Menge erreicht ist, dann entfaltet es sein Zerstörungspotential. Es produziert immer neues Geld, ein Prozess der sich verselbstständigt und nicht zu stoppen ist. Geld zerstört ganze Staaten, es macht Regierungen erpressbar, entfremdedet die Menschen einander, treibt sie zu Verzweiflung, zu Raub, Mord und Krieg.

 Geld ist nicht konstruktiv, es ist zerstörerisch. Geld schafft keine Arbeitsplätze, es schafft sie ab. Wie unter Einsatz von viel Kapital Arbeitsplätze und Recourcen vernichtet werden, wie aus den Menschen immer mehr Arbeitskraft herausgepresst wird, bis es zum Showdown mit einem Heer von Arbeitslosen, dem Plattmachen einer ganzen Branche kommt, lässt sich hervorragend an dem Niedergang der Druckindustrie und dem Schliessen der Prinovis-Tiefdruckerei in Itzehoe nachvollziehen, hier im Blog beschrieben. Künstliche Überkapazitäten werden aufgebaut. Die Mitarbeiter werden zu immer mehr Arbeitsstunden, unter immer schlechteren Bedingungen gezwungen, um durch Dumpingpreise Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Arbeitnehmer werden gezwungen durch die eigene Mehrarbeit ihren Kollegen die Arbeitsplätze zu vernichten. Das Kapital konzentriert sich in immer weniger Händen. Die Kosten dieses Verdrängungswettbewerbs werden der Allgemeinheit aufgebürdet.

 Was im Kleinen, in einer Branche funktioniert, das funktioniert auch in grösserem Maßstab, zum Beispiel im Verhältnis der Staaten zueinander. Während einige wenige Länder Europas, an erster Stelle Deutschland,  durch einen ruinösen Wettbewerb mit Dumpinglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen, den Besitzenden von Kapital und Produktionsmitteln zu immer grösseren Profit verhelfen, verarmt der grössere Teil Europas. Während in Deutschland immer mehr Menschen krank werden, wegen der ihnen aufgezwungenen Mehrarbeit, den immer höher werdenden Anforderungen an Produktivität und dem täglichen zunehmenden Stress am Arbeitsplatz, wächst im Süden Europas die Arbeitslosigkeit. In Spanien, Portugal, Italien und Griechenland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 50 % und mehr, die allgemeine Arbeitslodigkeit übersteigt die 25 Prozentmarke. Dort werden die Menschen krank, an Mangelerscheinungen, weil sie sich nicht mehr ausgewogen ernähren können.

 Während wir unsere Überproduktion an landwirtschaftlichen Produkten nach Afrika verschleudern, nehmen wir den Bauern dort die Existenz. In hellen Scharen machen sie sich auf, und fliehen, den Tod vor Augen, in winzigen Nussschalen über das Mittelmeer zu uns. Nur um hier wieder zurückgeschickt zu werden, keine politischen Emigranten, „nur Wirtschaftsflüchtlinge“.

 Arbeit muss gerechter verteilt werden und zwar nicht nur national sondern international. Der erarbeitete Mehrwert muss bei denen bleiben, die ihn erwirtschaftet haben. Die ständig zunehmende Produktivität muss sich in Entlastung der Menschen niederschlagen. Die übergroßen Vermögen der Besitzenden dürfen nicht weiter wachsen, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

 Wie richtig die Hundert mit ihrem Brandbrief liegen kann man schon an den Reaktionen ablesen. Von „Unfug“ ist die Rede, von einem Griff in die Mottenkste“ spricht der DIHK, „Marxistische Vorstellungen aus den Siebzigern“ erkennt Karl Brenke, Konjunkturexperte des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Irgendetwas missverstanden hat Peter Bofinger, gewerkschaftsnahes Mitglied des, durch seine niemals eintreffenden Vorhersagen, bekannt gewordenen Sachverständigenrates der Bundesregierung. „Ich sehe überhaupt keinen sinnvollen Grund, das jetzt einzuführen.“ Von jetzt Einführen war nie die Rede.

 Jeglichen Sachverstand hat auch der sonst hochgeschätzte Heiner Flassbeck, Direktor der Uno-Organistion für Welthandel und Entwicklung (Unctad) an der Garderobe abgegeben. „Das wäre wie das Paradies mit den gebratenen Tauben,“ gab er Spiegel online zu Protokoll. der Spiegel fügt aus eigenem Ökonomenwissen bei und legt Flassbeck den Satz: „Damit der Ausgleich funktioniert, müsste nämlich die Arbeitsproduktivität der Angestellten im selben Maße wie ihr Lohn steigen, was bei einer
Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche unmöglich wäre", in den Mund. Der Spiegel vergisst dabei den Ausgleich der Inflation, der allein im letzten Jahr mit 2,1 % zu Buche geschlagen hätte, und unterschlägt so ganz nebenbei, dass die Forderung nach der 30 Stundenwoche auf einen längeren Prozess abzielt. Auch behält er für sich, dass nunmehr seit fast vierzig Jahren der Zuwachs der Arbeitsproduktivität ausschliesslich in die Taschen der Arbeitgeber geflossen ist.

 Stern.de fragt dümmlich: „Wer soll das bezahlen,“ und sieht irgendwie die Tarifhoheit der Gewerkschaften gefährdet. Merkwürdig, immer wenn es den Besitzenden ans Geld geht entdecken sie die Tarifhoheit. In den Druckereien, in denen, der Bertelsmann gehörnde Stern produziert wird, ist von Tarifhoheit nichts zu spüren. Die scheren sich nämlich einen Scheißdreck um die Forderungen der Gewerkschaften, da herrscht Lohndiktat der Arbeitgeber. „Das klingt sehr nach Entmachtung der Gewerkschaft,“ blanke Verhöhnung der Arbeitnehmer des Bertelsmannkonzerns. „Und gegen die niedrige deutsche Geburtenrate wird sich auf diesem Wege nicht aufkommen lassen,“ völlig losgelöst der Autor Hans Peter Schütz. Wer hat denn behauptet, das die wöchentlich gewonnenen fünf freien Stunden zur Produktion von Nachwuchs genutzt werden sollen?

 Die Zeit online widerspricht offen dem Wirtschaftweisen Peter Bofinger, der im Spiegel behauptet,es herrsche quasi Vollbeschäftigung: „Vollbeschäftigung bleibt eine Illusion“. die Autorin Tina Groll weiß auch:“Und die Umverteilung der Unternehmensgewinne dürfte politisch nur schwer durchsetzbar sein“. geradezu epochal die Erkenntnis.

 „An Dummheit kaum zu überbieten“, findeet die Vorschläge Christian Ramthun von der Wirtschaftswoche. er schäumt geradezu: „Soviel Unsinn haben linke Professoren, Funktionäre und Politiker lange nicht zustande gebracht“. „Rezept aus den 70er und 80er Jahren – das mit zur damaligen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Massenarbeitslosigkeit führte“, lügt er fröhlich drauflos. Aus dem Reich der Fantasie stammen auch die „vier Jahrzehnte“ der „ausufernde Sozial- und Steuerpolitik“, die „die Grenzen der wirtschaftlichen Belastbarkeit dieses Landes ausgetestet“ haben. Die „Wahrnehmungsstörung“ die er den Unterzeichnern des Briefes unterstellt, scheinen allerdings eher beim Autor selbst, Platz gegriffen zu haben, wenn er die Zeiten des Wirtschaftswunders als die „dunklen Zeiten der Nachkriegszeit“ bezeichnet.

 Die wenigen hier zitierten Reaktionen zeigen einmal mehr, dass für die Authisten in unseren Massenmedien die Welt immer noch eine Scheibe ist, von deren Kante sie ins Nichts zu stürzen fürchten, wenn sie ihre, von den Herrschenden gekaufte Feder, beiseite legen und sich umsehen in der Welt, jenseits ihrer komfortablen Verträge, der warmen Redaktionsstuben und der Empfänge mit feinen Häppchen und teurem Champagner.

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