Mittwoch, 27. November 2013

Warum durch den deutschen Exportüberschuss jeder von uns nicht reicher sondern ärmer wird

 Die Vereinigten Staaten von Amerika nehmen Anstoss an der deutschen Exportpolitik. Die deutsche Handelspolitik gefährde die Euro-Zone und die Stabilität der Weltwirtschaft. Die Bundesrepublik müsse künftig mehr tun, um die Binnennachfrage anzukurbeln, so war aus Washington zu hören. Auch der IWF forderte eine Beschränkung des deutschen Exports.

 Die EU-Kommission prüft ein offizielles Verfahren gegen Deutschland im nächsten Jahr, weil der deutsche Exportüberschuss seit 2006 jedes Jahr über der magischen Grenze von 6% liegt. Sollte dieses Verfahren eingeleitet und Deutschland verurteilt werden, so droht eine Strafzahlung von 0,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Das wären rund 2,5 Milliarden Euro die der Finanzminister dann nach Brüssel überweisen müsste.

 Die Volksseele kocht hoch. Kommentare, beispielsweise auf Spiegel-online lassen alte Vorurteile fröhliche Urständ feiern. Besonders die Südländer der Eurozone bekamen ihr nationalistisches Fett weg.
 spon-facebook-10000495855 schrieb: sozusagen sollen wir uns doch ein bisschen zurückhalten, damit die Südeuropäer in Ruhe weiter faulenzen können?
 grover01: Sollen wir nun absichtlich schlechter Wirtschaften, damit wir auf das Niveau von Griechenland kommen?
prophet46: Die Fettleibigen des Südens können wohl das deutsche Tempo nicht halten.
 Aber auch das alte Vorurteil, das auch durch ständiges Wiederholen nichts an Wahrheit gewinnt, Deutschland sei der Zahlmeister Europas musste wieder herhalten:
detta111 wird wieder die Deutschland Bashing Keule herausgeholt. Wir sind nur zum zahlen erwuenscht....kj.az "German bashing"
 Das von den Deutschen so sehr geliebte Gefühl, zwar die Besten zu sein, aber von den bösen Nachbarn um die Früchte ihrer Arbeit gebracht zu werden, verloren und einsam gegen den Rest der Welt, obsiegte wieder einmal über wirtschaftliche Vernunft.

 Der deutsche Exportüberschuss gründet sich auf, in der Hauptsache, vier Faktoren:
  • Die gute Qualität deutscher Produkte, die sich auf den Fleiss, die Präzision ihrer Arbeit und die gute Ausbildung von Millionen deutscher Arbeitnehmer gründet.
  • Der seit Jahren andauernde massive Lohnverzicht. Deutsche Löhne sind, gemessen an der Produktivität der Arbeitnehmer viel zu niedrig. Das bedeutet Deutschland betreibt gegenüber seiner Wirtschaftspartner seit Jahren ein massives Preisdumping. 
  • Der gewaltige Investitionsstau. Deutschland lebt seit Jahren vom Eingemachten. Investitionen zum Teil aus den sechziger und siebziger Jahren verfallen zusehends. Brücken müssen gesperrt werden, Bahnlinien sind so marode, dass nur noch mit stark verminderter Geschwindigkeit gefahren werden kann. Die Stromnetze sind total veraltet und werden bis an ihre Kapazitätsgrenze ausgelastet. Hier besteht dringender Investitionsbedarf. Aber nicht nur die alten Anlagen verrotten. Wenn weiterhin, Zukunftsinvestitionen unterbleiben, zum Beispiel in erneuerbare Energien, wie intelligentes Energiemanagement, oder flächendeckendes High-speed-Internet, oder in ein modernes Bildungssystem, von der Kleinkindbetreuung bis zum Hochschulstudium, weil angeblich kein Geld da ist, dann werden wir in ein paar Jahren abgehängt sein. 
  •  Den, gemessen an der deutschen Wirtschaftskraft, massiv unterbewerteten Euro.
Der Target 2 Saldo, der grob gesagt, die Verbindlichkeiten anderer Zentralbanken des Euroraumes bei der Bundesbank anzeigt, belief sich am 31. Oktober auf über 561 Milliarden Euro. Das heisst Deutsche Banken haben Kunden deutscher Firmen allein im Euroraum, über 561 Milliarden Euro geliehen, um die bestellten Waren zu bezahlen. Zu Ende gedacht bedeutet das, wir bezahlen unsere Exporte weitgehend selbst. Wir verbrauchen Ressourcen, verschmutzen unsere Atemluft und arbeiten uns krank, ohne selbst etwas davon zu haben. Ja wir verspielen die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder für den wertlosen Titel Exportweltmeister.

 Bei diesem merkwürdigem Deal gewinnen ausschliesslich die Inhaber des Kapitals. Sie bekommen ja die Rechnungen von ihren Kunden bezahlt. Für die mit Sicherheit eintretenden Verluste, weil die ausländischen Kreditnehmer auf Dauer ihre ständig anwachsenden Verbindlichkeiten nicht mehr zahlen können, muss dann wieder einmal die Allgemeinheit aufkommen.

 Es ist natürlich blanker Unsinn, wenn der IWF nun fordert, Deutschland müsse durch bürokratische Massnahmen seinen Exportüberschuss zurückfahren. Wenn aber bei uns der Produktivität angepasste Löhne gezahlt würden, wenn privat und staatlich vernünftig in die Zukunft unseres Landes investiert würde, dann würde sich die deutsche Handelsbilanz ganz von selbst ausgleichen.

 Wie sehr die aggressive einseitig auf Export ausgerichtete Politik unsere Nachbarn und Partner belastet kann man der folgenden Tabelle entnehmen. In einem Jahr haben wir allein im Euroraum einen Handelsbilanzüberschuss von fast 72 Milliarden Euro erwirtschaftet, in der gesamten EU beläuft sich der Überschuss auf über 117 Milliarden Euro. Das hält keine Wirtschaftsunion auf Dauer aus.

Land Jahr Einfuhr Ausfuhr Bilanz BIP % vom BIP
Euroraum
Belgien 2012 38,40 44,60 6,20 376,20 1,65%
Estland 2012 0,50 1,60 1,10 17,00 6,47%
Finnland 2012 6,20 8,10 1,90 249,90 0,76%
Frankreich 2012 68,40 104,50 39,70 2.028,20 1,96%
Griechenland 2012 1,84 4,69 2,90 183,50 1,58%
Irland 2012 10,00 4,60 -5,40 163,60 -3,29%
Italien 2012 49,20 56,00 6,80 1.565,90 0,20%
Lettland ab 2014 2012 0,70 1,40 0,70 22,30 3,14%
Luxemburg 2012 2,90 5,80 2,90 44,40 6,53%
Malta 2012 0,33 0,32 0,04 6,80 0,59%
Niederlande 2012 86,60 71,00 -15,60 600,60 -2,60%
Österreich 2012 37,20 57,90 20,70 309,90 6,68%
Portugal 2012 5,00 6,20 1,20 165,40 0,73%
Slowenien 2012 4,60 3,90 -0,70 35,50 -1,97%
Spanien 2012 22,30 31,20 8,90 1.051,20 0,85%
Zypern 2012 0,13 0,67 0,53 23,00 2,30%
Summe
334,30 402,48 71,87

EU ausser Euroraum
Bulgarien 2012 2,17 2,71 0,54 39,70 1,36%
Dänemark 2012 11,60 15,10 3,50 244,10 1,43%
Kroatien 2012 0,86 2,20 1,33 43,90 3,03%
Litauen 2012 1,80 2,40 0,60 32,90 1,82%
Polen 2012 33,50 42,20 8,70 381,20 2,28%
Rumänien 2012 8,80 9,20 0,40 131,70 0,30%
Schweden 2012 14,00 21,20 7,20 408,50 1,76%
Slowakische Republik 2012 12,10 10,40 -1,70 71,50 -2,38%
Tschechien 2012 33,20 31,50 -1,70 152,30 -1,12%
Ungarn 2012 18,70 16,40 -2,30 97,80 -1,51%
Großbritannien 2012 43,50 72,20 28,70 1.901,00 1,51%
Summe
180,23 225,51 45,27

Europa ausser EU
Kosovo 2012 0,16 0,15 0,14 4,80 2,85%
Ukraine 2012 1,50 5,70 4,20 137,10 3,06%
Weißrussland 2012 4,50 7,80 3,30 49,30 6,69%
Serbien 2012 0,98 1,52 0,54 29,10 1,85%
Bosnien Herzegowina 2012 0,47 0,75 0,28 13,50 2,07%
Montenegro 2012 0,03 0,07 0,04 3,30 1,21%
Albanien 2012 0,08 0,16 0,08 9,88 0,81%
Mazedonien 2012 0,96 0,51 -0,45 7,50 -6,00%
Moldawien 2012 0,10 0,37 0,27 5,44 5,00%
Norwegen 2012 26,20 8,50 -17,70 390,00 -4,53%
Summe
34,97 25,53 -9,30

Aussereuropäische Staaten
USA 2012 50,60 86,80 36,20 15.684,80 0,23%
Kanada 2012 4,40 8,90 4,50 1.415,60 0,32%
Summe
55,00 95,70 40,70

BRICS-Staaten
VR China 2012 77,30 66,60 -10,70 6.432,30 -0,17%
Russland 2012 42,50 38,10 -4,40 1.573,50 -0,28%
Brasilien 2012 37,10 39,60 2,50 1.864,60 0,13%
Indien 2012 7,00 10,40 3,40 1.420,10 0,24%
Summe
163,90 154,70 -9,20

Mittel und Südamerika (Auswahl)
Mexiko 2012 4,30 8,90 4,60 916,00 0,50%
Kolumbien 2012 1,40 1,60 0,30 284,80 0,11%
Argentinien 2012 1,90 2,70 0,80 369,60 0,22%
Chile 2012 1,70 2,60 0,90 208,70 0,43%
Venezuela 2012 0,50 0,90 0,40 297,60 0,13%
Summe
9,80 16,70 7,00

Asien, Ozeanien (Auswahl)
Australien 2012 3,00 9,30 6,30 1.199,80 0,53%
Neuseeland 2012 0,60 1,00 0,40 132,10 0,30%
Japan 2012 21,80 17,40 -4,70 4.641,20 -0,10%
Indonesien 2012 3,90 3,10 -0,80 683,40 -0,12%
Südkorea 2012 8,40 13,40 5,00 878,80 0,57%
Iran 2012 0,30 2,50 2,20 427,20 0,51%
Türkei 2012 12,00 20,10 8,10 618,30 1,31%
Israel 2012 1,60 3,70 2,10 187,50 1,12%
Saudi Arabien 2012 1,70 8,20 6,50 566,00 1,15%
Summe
53,30 78,70 25,10

Afrika
Ägypten 2012 1,40 2,60 1,20 199,80 0,60%
Algerien 2012 1,80 1,80 0,00 160,70 0,00%
Marokko 2012 0,80 1,60 0,80 75,60 1,05%
Kenia 2012 0,10 0,30 0,20 32,00 0,63%
Sudan 2012 0,02 0,16 0,14 46,60 0,30%
Senegal 2012 0,01 0,79 0,71 10,80 6,57%
Nigeria 2012 4,40 1,30 -3,10 209,10 -1,48%
Angola 2012 0,30 0,40 0,10 92,40 0,11%
Südafrika 2012 5,10 8,80 3,70 299,10 1,24%
Summe
13,93 17,75 3,75


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