Donnerstag, 9. Januar 2014

100 Jahre nach dem großen Schlachten: "Der Spiegel" macht den Deutschen den nächsten Krieg schmackhaft

 Im Herbst werden es 25 Jahre dass die Bundesrepublik die damalige DDR anektiert hat. 25 Jahre in denen sich dieses Land grundlegend gewandelt hat. Aus der friedfertigen Bundesrepublik in der Sätze wie „Nie wieder Krieg“,oder der Ausspruch Willy Brandts: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“, durchaus ernst gemeint waren, ist ein Staat geworden, der seine wirtschaftlichen Interessen, oder besser die Interessen der Wirtschaft, mit allen Mitteln, auch mit kriegerischen durchzusetzen bereit ist. Deutsche Soldaten sind rund um den Erdball im Einsatz um die Interessen der Wirtschaft bei der Versorgung mit Rohstoffen und die Handelswege zu sichern um die deutsche Exportmaschine am Laufen zu halten.

 Die deutsche Kanzlerin und ihr Finanzminister diktieren ganz Europa ihr neoliberales Wirtschaftsmodell. Regierungen werden abgesetzt und dafür willfährige Technokraten eingesetzt, wie in Griechenland und Italien, Parlamentswahlen werden so oft wiederholt, oder durch Rücktritt der amtierenden Regierungen initiiert, wie in Griechenland, Spanien und Portugal. Europa ist ein Europa unter deutscher Knute geworden.

 Der Journalie ist das alles aber noch nicht genug. Liest man die Kommentare und die einseitig gefärbten, die Wahrheit mehr oder weniger zurechtbiegenden Artikel im deutschen Blätterwald von der grünen „taz“ über die sich liberal gebende „Süddeutsche“ bis hin zur tief schwarzen „FAZ“, so wird klar, dass die Edelfedern der Nation nach Stahlgewitter, nach Bombenkrieg und Blut schreien. Verpackt wird dieser Ruf nach Gewalt und Mord immer wieder in den Ruf nach Befreiung der Völker vom Joch der Diktatur. Ob Libyen, Syrien, ob Mali oder der Südsudan, unisono beklagt unsere Mainstreampresse die militärische Zurückhaltung der deutschen Regierung.

 Aus ihren voll klimatisierten Büros in den Glaspalästen der deutschen Pressehäuser bereiten die Journalisten die widerstrebende deutsche Bevölkerung auf neue, größere Kriegshandlungen vor. Da kommt der Umstand, dass sich der Ausbruch des ersten Weltkrieges 2014 zum hundertsten Mal jährt, gerade recht. Alle Medien rüsten auf.

 Der Spiegel würdigt das erste große Schlachten des 20. Jahrhunderts durch eine Serie mit sechs Folgen und diversen begleitenden Artikeln. Da wird dann ganz nebenbei in dem Beitrag „Gestohlener Sieg“ die Kampagne gegen den russischen Präsidenten Putin fortgesetzt, der für den Spiegel mittlerweile der Grund allen Übels ist. Aber es gilt auch dem, wie der Spiegel argwöhnt, „pazifistischen gesinnten Deutschland“ den Krieg wieder schmackhaft zu machen. Unter dem Titel „Wir sind Killer“ publiziert das Blatt in seiner Ausgabe 2/2014 vom 6. Januar, ein Interview seines Redakteurs Romain Leick mit dem britischen Archäologen und Historiker Ian Morris.

Als Einleitung der Unglaublichkeit präsentiert der Spiegel gleich die Essenz der kruden Thesen des Herrn Morris: „Krieg ist Massenmord - und kann dennoch produktiv sein. Denn er schuf größere Staaten, welche die Welt sicherer und reicher machten. Der Historiker Morris zieht eine hoffnungsvolle Bilanz aus Tausenden Jahren Militärgeschichte.“

Und Morris legt gleich mal richtig los mit der Verniedlichung von Mord, Raub, Vergewaltigung, von Zerstörung und Vernichtung. Frei nach dem preussischen  General und Militärhistoriker Carl von Clausewitz und dessen Kapitulation vor Verstand und Intelligenz, nach der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, behauptet Morris: „Gewalt ist immer nur ein Mittel zum Zweck, ein Werkzeug unter vielen, das Lebewesen im Ringen um Ressourcen und Fortpflanzung zur Verfügung steht.“

 Damit die Leser wissen aus welcher Perspektive Morris und der Spiegel Geschichte zu betrachten und zu interpretieren pflegen und aus welcher Perspektive Krieg „produktiv“ sein kann und wen er „sicherer und reicher“ macht, nämlich die Krupps, die Thyssens, die Quandts und Flicks, verorten sich Morris und der Spiegel direkt einmal: „Wer den Krieg erleidet, die Gewalt also von unten nach oben betrachtet, vermag im Allgemeinen keinen Sinn darin zu sehen. Von oben nach unten gesehen, von einer langfristigen globalen Perspektive aus, können wir dagegen sehr wohl die Logik hinter dem Krieg identifizieren.“

Man muss das Schlachten und Morden, dass Verstümmeln und Verbrennen nur von oben betrachten, schon hat man die Erkenntnis des griechischen Philosophen Heraklit, dass "Der Krieg ist der Vater aller Dinge" ist. Das dumme, dumme Volk aber, das sich für die Produktivität, die Sicherheit und den Reichtum, der von oben zuschauenden auf Befehl gegenseitig hinmordet, dem fehlt natürlich dieser Weitblick und es sieht deswegen keinen Sinn im Krieg.

 Trotz dieser Ignoranz bemühen sich Morris und der Spiegel redlich der tumben Masse etwas Verständnis fürs große Ganze beizubiegen: „So unbequem diese Tatsache ist, der Krieg ist sehr wohl zu etwas nutze.“ Dabei gewähren sie auch Einblick auf die von Verstand und Weitsicht geprägte Gedankenwelt unserer Eliten: „Böses wird getan in der Hoffnung, es möge dabei etwas Gutes herauskommen“. Erst einmal werden Millionen Menschen aufs grausamste vom Leben zum Tode befördert, werden ganze Landstriche so verwüstet, dass noch  nach Jahrzehnten die Narben in der Landschaft zu sehen sind und selbst siebzig Jahre nach Ende des Krieges Menschen durch die Explosion von Blindgängern zu Tode kommen, und wenn der Pulverdampf sich dann langsam verzogen hat, dann schauen unsere Entscheider von oben herab und sehen nach, ob etwas Gutes dabei herausgekommen ist. Wobei eines klar ist, wer dort oben ist, der ist längst „sicherer und reicher“ geworden.

 Dort oben, wo die, aus feinstem Leder in Handarbeit gefertigten, sündhaft teuren Schuhe nicht Gefahr laufen durch das Waten durch ganze Seen von Blut schaden zu nehmen, kann keine Rücksicht auf Einzelschicksale genommen werden. Hier ist der Blick auf das Generelle gerichtet: „Grob geschätzt kamen im 20. Jahrhundert 100 bis 200 Millionen Menschen gewaltsam oder im weitesten Sinne kriegsbedingt ums Leben.“ Na und wenn schon: „Aber diese Toten machen nur ein bis zwei Prozent der rund zehn Milliarden Menschen aus, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts lebten.“ Schlussfolgernd „war für einen Menschen des industiialisierten 20. Jahrhunderts die Wahrscheinlichkeit, durch einen gewaltsamen Tod sein Leben zu verlieren, zehnmal geringer als für einen aus der Steinzeit.“

 Diese hirnrissige Argumentation wird dann sogar dem Spiegel etwas zu viel. Schliesslich darf Propaganda, schon gar nicht bei einem grundsätzlich skeptischem Publikum, nicht zu dick auftragen, wenn sie auf Dauer verfangen soll. Vorsichtig wendet Redakteur Leick ein: „Solche Vergleiche muten absurd an.“

 Aber Morris, einmal richtig in Fahrt gekommen, lässt sich von ängstlichen, kleingläubigen Bedenkenträgern nicht bremsen, mögen sie auch Redakteur beim Spiegel sein. „Es ist einfach, alles Schlechte am Krieg aufzuzählen. Doch die Geschichte zeigt, dass der Krieg nicht so schlimm ist wie seine Alternative“. Hier setzt der Spiegel einen Gedankenstrich um den Leser anzuhalten, über eine Alternative zum Krieg nachzudenken. Wer jetzt auf die irrsinnige Idee kommen sollte, die einzige Alternative zum Krieg sei der Frieden, der irrt gewaltig. Dort oben auf dem Olymp, von dem aus Morris und der Spiegel das Gewusel der Masse beobachten ist die Alternative zu Krieg „Gewaltanarchie als täglicher Normalzustand“.

 Wer versucht dem Gedankengang Morris’ zu folgen, dem wird allerdings schnell klar, dass, will man zum gleichen Schluss wie Morris und der Spiegel kommen, man alle tatsächlichen geschichtlichen Fakten ausblenden muss. Stets sind „Gewaltanarchie als täglicher Normalzustand“ das Ergebnis von Krieg und nicht dessen Alternative. Das Horn von Afrika, Afghanistan, Irak, Libyen, der Südsudan, Mali, Syrien, Paästina, überall da, wo die „zivilisierte Welt“ den Unwissenden in missionarischem Eifer Demokratie und Freiheit mit Krieg und Gewalt bringen wollten, herrschen anschliessend Gewalt und Anarchie.

 Das der gequirlte Unsinn den Ian Morris absondert Methode hat, mag man der Tatsache entnehmen, das sich an dessen Verbreitung vor dem Spiegel schon „Cicero“: „Krieg hat die Welt sicherer gemacht“ am 25.10.2013, das "Handelsblatt" „Kriege haben die Welt sicherer gemacht“ am 11.11.2013 und der Fernsehsender "3Sat" „Motor Krieg - Ian Morris’ Buch „Krieg: Wozu er gut ist“ beteiligt haben. 68 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, der vollständigen Zerstörung Europas, von Millionen Toten, Soldaten, aber auch Greisen, Frauen und Kindern in den zerbombten Städten, arbeiten unsere Meinungsmacher mit allen Mitteln und unter Volldampf daran, uns einen Krieg wieder schmackhaft zu machen.

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