Freitag, 11. April 2014
Ein weiteres Beispiel für die grenzenlose Verlogenheit in Politik und veröffentlichter Meinung
„Die politischen Beziehungen zwischen Malaysia und Deutschland sind eng und freundschaftlich und werden vor allen Dingen von den intensiven Wirtschaftsbeziehungen getragen“, so beschreibt das Auswärtige Amt in Berlin die Beziehungen der deutschen Politik zu dem Land in Südostasien. Malaysia habe „es verstanden stabile politische Bedingungen zu schaffen und diese über einen Zeitraum von nunmehr über 40 Jahren auch zu erhalten.“
Diese Darstellung macht die ganze Verlogenheit der deutschen Politik in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie deutlich. Während, besonders im Vorfeld der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi, die Politik der russischen Regierung im Hinblick auf ihren Umgang mit Schwulen und Lesben, hier im Lande heftigst kritisiert wurde, ging in der Öffentlichkeit vollkommen das Urteil gegen den malaysischen Oppositionsführer Anwar Ibrahim unter. Dieser wurde Anfang März zu einen fünfjährigen Haftstrafe wegen Homosexualität verurteilt.
Malaysia stand zu diesem Zeitkunkt kurz vor Regionalwahlen am 23. März. Ibrahim wurde von Beobachtern eine reelle Chance zugestanden, das seit 54 Jahren autokratisch herrschende Parteienbündnis Barisan Nasional, angeführt von der United Malays National Organisation (UMNO) zu schlagen. Die Anschuldigungen gegen Ibrahim gehen zurück auf einen angeblichen Vorfall aus dem Jahr 2008. Ibrahim soll damals Sex mit einem 23-jährigen Mitarbeiter gehabt haben.
2012 wurde Ibrahim nach einem fast zwei Jahre dauerndem Prozess frei gesprochen, wegen Mangels an Beweisen. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, die jetzt, nach einem nicht einmal zwei Tage dauernden Prozess zur Verurteilung zu fünf Jahren Haft führte. In Malaysia ist Homosexualität, im Gegensatz zu den meisten südostasiatischen Staaten, grundsätzlich strafbar. „Geschlechtsverkehr gegen die Ordnug der Natur“ wird mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft. Versuche die Repressionen gegen Schwule und Lesben zu lockern, werden zunehmende staatliche Repression entgegengesetzt.
Auch in andere Hinsicht ist Malaysia kein Musterland der Demokratie. Auf dem Demokratieindex des "Economist" aus dem Jahre 2012 belegt Malaysia Platz 64 von 167 bewerteten Nationen. Diesen Platz nimmt das Land aber nur aufgrund der etwas merkwürdigen Gewichtung der einzelnen Kriterien ein. So wird die Funktionsweise der Regierung genau so hoch gewichtet wie die Bürgerrechte, obwohl auch die Regierung einer Diktatur sehr wohl funktionieren kann. Bei den Bürgerrechten erhält das Land aber nur eine sehr mässige Bewertung und zieht gleich mit Armenien auf Platz 114.
Die Friedrich Nauman Stiftung spricht im Zusammenhang mit der malaysischen Regierung von einem Regim, das seine Macht durch "unfreie Wahlen, Einschränkung von Medien- und Versammlungsfreiheit sowie durch Justizbeeinflussung sichert". Amnesty International klagt über die regide Anwendung der Todesstrafe: „Hunderten Menschen droht gegenwärtig in Malaysia die Vollstreckung ihrer Todesurteile. Hinrichtungen finden in Malaysia im Geheimen statt und werden weder vor ihrer Vollstreckung noch danach der Öffentlichkeit mitgeteilt.“ Und Human Rights Watch berichtet über unkontrollierte Polizeigewalt: „Ahmad Zahid Hamidi, als Innenminister zuständig für die Polizei, sagte im Oktober 2013: „[Wir] gehen nicht länger Kompromisse mit [Kriminellen] ein. Es besteht keine Notwendigkeit, sie zu warnen. Haben wir die Beweise, schießen wir als erster."
Berichten aus Menschenrechtsorganisationen und aus Geheimdienstkreisen zu Folge liess die Regierung Bush in malaysischen Gefängnissen Terrorrismusverdächtige foltern.
Während also gegen Russland ein Sturm der Entrüstung losbrach, als ein Gesetz erlassen wurde, dass es bei einer Geldstrafe von bis zu 25.000 Euro, verbietet mit Jugendlichen über gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zu sprechen, sind die Beziehungen zu Malaysia nach wie vor „eng und freundschaftlich“, obwohl hier Mensch für mehrere Jahre weggesperrt werden für gleichgeschlechtliche, einvernehmliche Handlungen unter Erwachsenen.
Auch von den politischen Parteien und den Medien, die Russland und dessen Präsident Putin mit einer wahren Flut von Vorwürfen überzogen und sogar einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi forderten, zu Malaysia kein Wort.
Die Grünen, sonst doch, wenn es um Minderheitenrechte geht, immer an vorderster Front und bereit diese notfalls mit Bomben und Granaten durchzusetzen, hüllen sich in Schweigen. Volker Beck, dem Vorzeigeschwulen bei den Grünen, der sich gern schon mal publikumswirksam dabei filmen lässt, wie er bei einer nicht genehmigten Demonstration in Moskau, zur Feststellung der Personalien von Polizeikräften abgeführt wird, scheint das Schicksal der malysischen Schwulen und Lesben und insbesondere das Schicksal Anwar Ibrahims ziemlich egal zu sein, kein Wort jedenfalls von ihm.
Das Zentralorgan der Grünen, die „taz“, fand es nicht einmal für nötig einen schlampig, aus dem englischen übersetzten Agenturbericht in ein vernünftiges Deutsch zu fassen. „Fünf Jahre Haft wegen „Sodomie“ lautet der Titel eines Beitrages vom 7. März. Die Damen und Herren Redakteure mussten sich erst durch Leserkommentare darüber belehren lassen, dass der Ausdruck Sodomy im englischen Sprachgebrauch für Analverkehr, oder wie jeder, der sich nur ein kleines bisschen bemüht, bei Wikipedia lesen kann, für "jede sexuelle Handlung, die nicht heterosexueller vaginaler Geschlechtsverkehr ist", gebraucht wird.
Der Artikel aber erweckt den Eindruck, als habe Ibrahim Unzucht mit Tieren betrieben, für dass das Wort Sodomie im deutschen steht. Bis jetzt ist eine Richtigstellung der Redaktion ausgeblieben, man scheint den Unterschied für nicht so gravierend zu halten.
Warum also diese aufgeregte Empörung, bei einer Gesetzesänderung in Russland, die zugegebenermassen nicht unseren mitteleuropäischen Wertvorstellungen entspricht, und auf der anderen Seite diese absolute Ignoranz, wenn ein Mann in Malaysia für einverständlichen Geschlechtsverkehr zwischen Männern zu fünf Jahren Haft verurteilt wird? Es geht weder der Politik noch den Medien und schon gar nicht den, im Besitz der ewigen Wahrheit befindlichen, Grünen um Menschen- oder Bürgerrechte.
Malaysia ist ein alter Verbündeter des Westens. Malaysias Grenzen stehen offen für westliches Kapital und Malaysia ist Mitglied im, von den USA dominierten, ASEAN-Militärbündnis. Es geht im Fall Russland, als auch im Fall Malaysia einzig und allein um Globalstrategie, um Rohstoffe und Handelswege.
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