Donnerstag, 4. Dezember 2014

South-Stream - ein Lehrstück für modernen Kolonialismus

 Wieder einmal hat die EU sich verzockt. Die Beamten in Brüssel haben ihre Großmachtfantasien ausgelebt. Sie wollten Russland und vor allen Dingen dessen Präsident Wladimir Putin unter Druck setzen. Mit vorgeschobenen Gründen, einer selbstgemacheten Vorschrift, wonach ein Erdöl oder Erdgaslieferant nicht auch gleichzeitig der Eigentümer der Pipeline sein darf, durch das sein Erdöl oder Erdgas zu den Verbrauchern strömt, wollten sie Einfluß nehmen auf den Bau der South-Stream-Pipeline durch das Schwarze Meer über Bulgarien, einige Läder des Balkans, bis hin nach Österreich und Italien. Das EU-Mitgliedsland Bulgarien wurde von Brüssel gezwungen einen Baustopp in ihrem Land zu verhängen.

 Nun reichte es dem russischen Präsidenten endgültig. Kurzerhand stoppte er den Bau der South-Stream-Pipeline und verkündete, die Europäer sollten nun sehen woher sie in Zukunft ihren wachsenden Rohstoffbedarf decken würden.

Die Herren Beamten, und die, ihnen an den Lippen hängenden europäischen Politiker, hatten dabei aber ein paar Kleinigkeiten ausser Acht gelassen. Der russische Präsident Putin hatte, geprägt durch den rüden Umgang der EU mit Russland im Zuge der Ukainekrise erkannt, dass die Europäer ein sehr unzuverläsiger Geschäftspartner waren. Die Europäer standen nicht zu ihrem einmal gegebenen Wort, sie brachen, im Zuge der gegen Russland verhängten Sanktionen, geschlossene Verträge und behandelten Russland wie eine X-beliebige Bananenrepublk, der man ihre Rohstoffe entreißt ohne ihre eigenen Interressen zu achten.

 Die EU handelt nicht souverän. Wenn es dem großen Bruder der EU, den Vereinigten Staaten von Amerika gefällt, wenn es derer Interessenlage entspricht, dann müssen die Europäer sich unterordnen, ihre eigenen Interessen hintan stellen, unbesehen einmal geschlossener Verträge. In Anbetracht dieser Tatsache hatte sich Russland nach anderen Abnehmern für seine Rohstoffe umgesehen.

 China stand nur allzugern bereit, die riesigen Mengen an Gas und Öl über die Russland verfügt abzunehmen. Die Chinesen garantierten absolute Vertragstreue, sind sie doch in der Lage souverän zu entscheiden und müssen sich keinem Hegemon beugen. Außerdem knüpften sie ihre Verträge nicht an irgendwelche Vorbedigungen, die mit dem eigentlichen Geschäft, Energie gegen Cash, nichts zu tun haben.

 Im Mai diesen Jahres schlossen Gazprom und das Chinesische Energieunternehemen CNPC einen Vertrag über Gaslieferungen von 400 Milliarden US-Dollar oder 292 Milliarden Euro. Der Vertrag hat eine Laufzeit von dreißig Jahren. Die Tagesschau ätzte damals:
„Beobachter gehen aber davon aus, dass der Ukraine-Konflikt Russland zu weitreichenden Zugeständnissen in den Verhandlungen bringen könnte. Denn Moskau sei wegen der Drohungen der USA und der EU dringend auf der Suche nach neuen langfristigen Abnehmern für sein Erdgas.“
 Die beiden Vertragspartner gaben bekannt, dass sie beabsichtigten in den nächsten Jahre 70 Milliarden US-Dollar oder 51 Milliarden Euro in Pipeline und Infrastruktur zu investieren. Die Investitionen in die South-Stream-Pipeline, die auf etwa 25 Milliarden Euro geschätzt wurden, wurden umgehend gestoppt.  Milliarden, von denen zum großen Teil die deutsche Industrie profitiert hätte.

 Die Aktie der deutschen Salzgitter AG, die einer der Lieferanten für die Röhren der South-Stream war, sackten nach bekanntwerden des Baustopps innerhalb eines Tages von 26,25 Euro pro Stück auf 24,30 Euro. Am gestrigen Dienstag trennten sich Eigentümer von 28.000 Papieren. Der Einfluss auf die Anzahl der Arbeitsplätze, nicht nur bei der Salzgitter AG, ist noch gar nicht abzusehen.

 Zum anderen scheint den Brüsseler Bürokraten aus dem Blickfeld geraten, dass Westeuropa zwar eine der stärksten Wirtschaftsregionen der Welt ist, dass diese Region aber fast vollkommen frei von eigenen Energie- und anderen benötigten Rohstofflagern ist. Der hohe Grad an Industrialisierung beruht einzig und allein auf dem störungsfreien Import von Gas, Öl und Erzen. Man hat sich darauf verlassen, dass alle Lieferländer, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, schwach und daher leicht erpressbar sind.

 Durch die aggressive Erweiterungspolitik der EU, die letztlich zu dem Konflikt mit Russland in der Ukraine führte, hat sich aber die Politik des größten Energielieferanten West- und Mitteleuropas entscheidend geändert. Russland ist nicht mehr bereit unter allen Bedingungen seine wertvollen Energiereserven an die feindlich gesinnten Staaten im Westen zu liefern. Zumal im Osten mit China ein energiehungriger großer Abnehmer bereitsteht.

Wie sehr man in Brüssel und in den Hauptstädten der EU überrascht und betroffen war von der Entscheidung Putins, das Projekt Southstream einzustellen, zeigen die Reaktionen. Die Sonderbeauftragte der ARD für Propaganda und Putinbashing, Goineh Atai, fasste in ihrem Kommentar in den Tagesthemen der ARD am 2. Dezember fast alle Arten der Reaktion zusammen. Aber bereits allein die Tatsache, dass man sich noch nicht auf eine Sprachregelung in den Medien einigen konnte, zeigt die Größe der Konsternierung im offiziellen Brüssel an.

  Zunächst prügelt Atai pflichtschuldigst auf Wladimir Putin ein und verwandelt die offensichtliche Schlappe der EU-Bürokraten in eine Niederlage Putins:

 "Wer Wladimir Putin kennt, der weiß, dass Drohszenarien, dass Druckszenarien, dass große Gesten zu seinen bevorzugten Mitteln der Politik gehören. Also er versucht immer bevorstehende Niederlagen in Siege umzuwandeln. Und anstatt sich jetzt eine Abweisung der EU abzuholen, wendet er sich demonstrativ von der EU ab und sagt, wenn ihr nicht wollt, dann wende ich mich eben einem neuen Partner zu und dann mach' ich einen neuen Deal, einen ganz anderen Deal."
 Danach allerdings hört man deutlich das angstvolle Pfeifen der EU-Oberen im dunklen Keller. Atai verleiht der vagen Hoffnung auf einen guten Ausgang und die Einsicht, des in den Sätzen zuvor doch so machtvoll geschlagenen russischen Präsidenten, in die prekäre energiepolitische Bedrouille der EU:
 "Aber nach Ansicht einiger Beobachter ist die Tür für die Eu immer noch einen Spaltbreit offen zumindest für einige wenige Tage. Die Erklärung gestern von Putin in Ankara, die erklären diese Beobachter als eine politische Erklärung, eine Aufforderung an die EU, jetzt ganz schnell zu handeln."
 Nach diesem fast flehentlichen Appell an Russland, doch nicht alle Brücken abzubrechen und noch einmal zu verhandeln, gleichzeitig verbunden mit dem Versuch die aufgeschreckten Bürger Europas zu beruhigen, alles sei gar nicht so schlimm und Putin komme schon noch zu Verstande, wirft sich Atai wieder in Siegerpose, um gebetsmühlenartig von der hohen Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland zu schwärmen:
 "Diese putinsche Strategie Georessourcen, Energieressourcen als geopolitisches Druckmittel einzusetzen, das ist natürlich riskant und das schmälert natürlich auch seine Geschäftsoptionen, zumal Russland droht in eine Rezession abzuschlittern wegen der Sanktionen auch der ganze finanzielle Rahmen für das Land reichlich beschränkt ist."
 Die Widersinnigkeit dieser Argumentation ist frappant. Also: Weil Russland sich, dank der Sanktionen der EU, die South-Stream, Kostenpunkt 25 Milliarden Euro, nicht mehr leisten kann, baut es in Asien eine Pipeline nach China, für 51 Milliarden Euro. Andererseits zeigt wohl nichts deutlicher den Unsinn solcher Sanktionen: Weil Russland geschwächt durch die Sanktionen der EU finanziell nicht mehr in der Lage ist die South-Stream-Pipeline zu bauen, geht Europa einer ungewissen Energieversorgung entgegen. Welch' ein Schwachsinn!

 Für die Ukraine, die aus nachvollziehbaren eigenen Interessen immer gegen Southstream war und die sich derzeit auf der Siegerstrasse wähnt, sollte der ganze Vorgang jedoch ein Aha-Erlebnis sein, in der Frage, wie die Kern-EU mit den Nationen in ihrem armen Hinterhof umspringt. Bulgarien, das ärmste Land der EU wurde rüde gezwungen, die Arbeiten an der Pipeline zu unterbrechen. Der jährliche Verlust für das Land, generiert aus den Durchleitungsgebühren beziffert sich auf ca. 400 Millionen Euro. Für das Land, das 2013 über Staatseinnahmen von 15 Milliarden Euro verfügte, wären das immerhin 2,5 Prozent des Haushalts.

  Der Vergleich einiger, wichtiger Wirtschaftskennzahlen mit Deutschland zeigt auf, wie dringend nötig Bulgarien dieses Geld gebraucht hätte.


Bulgarien Deutschland
Fläche 110.879,0 qkm 348.540,0 qkm
Einwohner 7,2 Millionen 80,8 Millionen
Bevölkerungswachstum -0,80% -0,20%
Geburtenrate 8,9 Geburten/1.000 Einwohner 8,4 Geburten/1.000 Einwohner
Bruttoinlandsprodukt 2013 39,9 Mrd Euro 2.810 Mrd €
Wirtschaftswachstum 2013 0,90% 0,10%
Haushaltssaldo (% des BIP) -1,5 0
Leistungsbilanzsaldo (% des BIP) 1,9 6,7
Arbeitslosenquote 13,00% 5,40%
Durchschnittslohn 423,00 € 3.449,00 €
Staatsverschuldung (% des BIP) 18,9 78,4
Jährliche Neuverschuldung (% des BIP) 1,9 -0,2
Saldo Aussenhandel - 3,6 Mrd. € 194,9 Mrd €


 Wie prekär die Lage Bulgariens wirklich ist, zeigen unter anderem zwei Zahlen. Obwohl die Geburtenrate Bulgariens mit 8,9 auf tausend Einwohner höher ist als die Deutschlands mit 84 pro tausend, nimmt die Bevölkerung mit 0,8% zu 0,2% erheblich stärker ab als die Deutschland. Grund ist die hohe Auswanderungsquote des Balkanstaates. Die Menschen laufen weg, vor der Aussichtslosigkeit in ihrem Land.

 Zeit-online fand für solche existenziellen Nöte eines kleinen Landes nur Hohn und Spott:
"Bulgariens Traum von einer Energie-Großmacht ist geplatzt"
und weiter:
"Spiel, Satz und Aus. Wladimir Putins Absage der Gaspipeline South Stream scheint Bulgarien seinen "Grand Slam der Energiewirtschaft" vereitelt zu haben. Mit dem Begriff aus der Tenniswelt hatte der damalige bulgarische Staatspräsident Georgi Parwanow im Januar 2008 seine Vision von Bulgarien als "Energie-Hub des Balkans" beschrieben. (...) Das Ende von South Stream scheint nun Bulgarien von der Energie-Weltkarte zu streichen, bevor es richtig drauf gekommen ist."
 Ganz im Stile eines Kolonialherren hatte die EU ihren damaligen Energiekommissar, den Deutschen Günther Oettinger nach Sofia geschickt:
"Ende Mai hatte der damalige EU-Energiekommissar Günther Oettinger den damals regierenden sozialistischen Ministerpräsidenten Plamen Orescharski aufgefordert, das Projekt South Stream einzufrieren, bis Russland bereit sei, anderen Anbietern Zugang zur Pipeline zu gewähren und damit Wettbewerb im Gashandel zu ermöglichen."
Aber nicht nur Bulgarien hat unter dem Bestreben der EU, entgegen eigenen Interessen, den USA nach Kräften in ihrem Weltmachtstreben behilflich zu sein, zu leiden. Für Serbien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Griechenland, Italien und Österreich sollte die neue Pipeline mehr Versorgungssicherheit bringen.

 Die Energielücke in Bulgarien könnte nun durch einen US-amerikanischen Ölmulti geschlossen werden. Erst im Mai (ein Datumsvergleich mit Oettingers Verdikt über das Einfrieren der South-Stream-Aktivitäten lohnt sich) war durch massive Demonstrationen der Versuch Chevrons gescheitert, durch Fracking in Rumänien und Bulgarien, Öl und Gas zu fördern. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass jetzt plötzlich Gerüchte verbreitet werden, die damaligen Demonstranten seien von Russland bezahlt worden. Ein Schelm, wer dabei böses denkt.

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