„Man muss die Märkte beruhigen.“ Wenn heutzutage ein Politiker vor
die, ihm entgegengestreckten, Mikrofone tritt, dann kann man darauf an,
dass er entweder die Märkte beruhigen will, es gerade getan hat, oder
dem politischen Gegner vorwirft, dies eben nicht zu tun, sondern, im
Gegenteil, „die Märkte“ zu beunruhigen.
Aber was ist
das : „ Die Märkte“? Sind das mehrere, also die Mehrzahl von der Markt
oder ist es nur eine, weiblich, die Märkte. Ich habe mich umgehört, ob
irgendjemand sie schon einmal gesehen, oder mit ihr oder ihnen
gesprochen hat. Niemand konnte mir helfen, aber bei Allen verfinsterte
sich die Miene, Sorgenfalten zeichneten das Gesicht und mir wurde
bedeutet, man dürfe die Märkte auf keinen Fall beunruhigen. Ich habe
mich entschieden, bis zum Beweis des Gegenteils, von der Mehrzahl, also
von mehreren Märkten auszugehen.
Was sind das für
finstere, gewalttätige Bestien, die Journalisten Unsinn schreiben,
Politiker jede demokratische Regel vergessen lassen, und uns
Steuerzahler veranlassen, die Geldbörse zu öffnen und bis auf den
letzten Cent zu leeren, nur um sie nicht zu beunruhigen. Es scheint mir
als seien sie direkte Nachfahren der „Arbeitsplätze“ die man in den
Neunzigern des letzten und am Anfang diesen Jahrhunderts schaffen
musste. Damals war das Schaffen wie heute die Beruhigung alternativlos
und das Ende einer jeden Diskussion.
Damals
beherrschte das „Schaffen von Arbeitsplätzen“ unser gesamtes Leben.
Alles Tun und Lassen war nur an dem einen, dem einzigen Ziel
ausgerichtet. Es beschehrte uns die Hartz-Gesetze mit all ihren
Monstrositäten, wie Ich-AGs, Ein-Euro-Jobs, HartzIV-Empfänger,
Riesterrente, Leiharbeitsfirmen, Mini-Jobs. Das Arbeitsamt wurde zur
Agentur für Arbeit, die Arbeitssuchenden wurden zu Kunden und junge
Akademiker zu Praktikanten auf Lebenszeit. Die soziale Marktwirtschaft
wurde des sozialen beraubt und entwickelte sich hin zur reinen
Marktwirtschaft. Das hatte durchaus seine praktische Seite. Die
Politiker, Wirtschaftsbosse und Journalisten, die die soziale
Marktwirtschaft etliche Jahre wie eine Monstranz vor sich hergetragen
hatten, waren nun von dieser schweren Last befreit.
Und
jetzt steht die neue Kärrnerarbeit an. Die Märkte verlangen unseren
Eliten alles ab. Sie gilt es in Tag- und Nachteinsatz zu beruhigen. Auch
sie verlangen Opfer. Wie in vorchristlicher Zeit gilt es ihnen Altäre
zu errichten, auf denen wir unsere Gaben darreichen, die sie
besänftigen, beruhigen sollen. Sie wollen nicht nur unser Geld, nein sie
verlangen die Hingabe all dessen was uns bisher wichtig, lieb und wert
war. Sie verlangen unsere Freiheit und Selbstbestimmung, unsere
Demokratie, unsere soziale Verantwortung, unser Mitgefühl. Sie verlangen
von uns Egoismus, Nationalismus und die Anwendung von Gewalt gegen
Alle, die sich der Allmacht der Märkte zu widersetzen versuchen.
Unsere
Opferberitschaft kennt keine Grenzen. Sämtliche Rohstoffe kratzen wir
aus der Erde, die Urwälder holzen wir ab, Menschen und Tiere, die in
ihnen leben, müssen weichen oder werden einfach umgebracht, die Ozeane
verpesten wir mit Öl und Kunststoffresten, Flüsse stauen wir auf, leiten
sie um und veunreinigen sie mit unseren Abwässern, Seen pumpen wir leer
oder missbrauchen sie als Kloaken in denen wir Fische oder Garnelen
züchten, unsere Böden verpesten wir mit Chemie und den Pflanzen, die auf
und in ihnen wachsen pflanzen wir fremde Gene ein. Wir verändern das
Klima der Erde, bringen die Polkappen zum schmelzen, führen Kriege um
Rohstoffe und zum Nutzen der Rüstungsindustrie und rotten Alles, Mensch,
Tier und Pflanze aus, was uns nutzlos erscheint, oder dem Streben nach
Mehrwert im Wege steht, also die Märkte beunruhigt.
Die
Hohen Priester des neuen Kults in den Glaspalästen der Banken, Börsen
und Versicherungen, in ihren massgeschneiderten Anzügen aus feinstem
Tuch in gedecktem Grau nehmen unsere Gaben entgegen und verwandeln sie
in endlose Zahlenreihen. Am Schluss bleibt nur einer Menge Nullen, die
Darstellung des Nichts. Und so treten sie vor uns, ihre gläubige
Gemeinde, und erklären uns, die Märkte seien angesichts unserer
offensichtlichen Ignoranz gegenüber ihrer Sensibilität, sehr beunruhigt.
Das
ist das Signal für die Trommler auf dem Sklavenschiff, die Merkel,
Brüderle, Steinmeier, Steinbrück, Roth, Trittin und wie sie noch alle
heissen, die Schlagzahl zu erhöhen und die Brotrationen zu kürzen. Ihre
Sprachrohre, Radio, Fernsehen Presse wiederholen im Takt der Trommeln
immer wieder die Anzahl der Hunderte von Milliarden Euro, die es noch
gilt abzuliefern, zur Beruhigung der Märkte und die Namen der
Rettungspakete, denen wir klaglos zuzustimmen haben ohne auch nur einmal
nach unseren Rechten zu fragen.
@ Maik Riewoldt:
AntwortenLöschenIhr Kommentar wurde leider aus Versehen gelöscht. Sorry
Hmmm wie kann das denn passieren :-)
LöschenEgal. Ihre Site baut mich immer wieder auf, super zu sehen das nicht alles gleichgeschaltet ist und wenige Leute ihre eigene Meinung erhalten haben.