Freitag, 22. Juni 2012

Die Märkte - Götzen des 21. Jahrhunderts

 „Man muss die Märkte beruhigen.“ Wenn heutzutage ein Politiker vor die, ihm entgegengestreckten, Mikrofone tritt, dann kann man darauf an, dass er entweder die Märkte beruhigen will, es gerade getan hat, oder dem politischen Gegner vorwirft, dies eben nicht zu tun, sondern, im Gegenteil, „die Märkte“ zu beunruhigen.

 Aber was ist das : „ Die Märkte“? Sind das mehrere, also die Mehrzahl von der Markt oder ist es nur eine, weiblich, die Märkte. Ich habe mich umgehört, ob irgendjemand sie schon einmal gesehen, oder mit ihr oder ihnen gesprochen hat. Niemand konnte mir helfen, aber bei Allen verfinsterte sich die Miene, Sorgenfalten zeichneten das Gesicht und mir wurde bedeutet, man dürfe die Märkte auf keinen Fall beunruhigen. Ich habe mich entschieden, bis zum Beweis des Gegenteils, von der Mehrzahl, also von mehreren Märkten auszugehen.

 Was sind das für finstere, gewalttätige Bestien, die Journalisten Unsinn schreiben, Politiker jede demokratische Regel vergessen lassen, und uns Steuerzahler veranlassen, die Geldbörse zu öffnen und bis auf den letzten Cent zu leeren, nur um sie nicht zu beunruhigen. Es scheint mir als seien sie direkte Nachfahren der „Arbeitsplätze“ die man in den Neunzigern des letzten und am Anfang diesen Jahrhunderts schaffen musste. Damals war das Schaffen wie heute die Beruhigung alternativlos und das Ende einer jeden Diskussion.

 Damals beherrschte das „Schaffen von Arbeitsplätzen“ unser gesamtes Leben. Alles Tun und Lassen war nur an dem einen, dem einzigen Ziel ausgerichtet. Es beschehrte uns die Hartz-Gesetze mit all ihren Monstrositäten, wie Ich-AGs, Ein-Euro-Jobs, HartzIV-Empfänger, Riesterrente, Leiharbeitsfirmen, Mini-Jobs. Das Arbeitsamt wurde zur Agentur für Arbeit, die Arbeitssuchenden wurden zu Kunden und junge Akademiker zu Praktikanten auf Lebenszeit. Die soziale Marktwirtschaft wurde des sozialen beraubt und entwickelte sich hin zur reinen Marktwirtschaft. Das hatte durchaus seine praktische Seite. Die Politiker, Wirtschaftsbosse und Journalisten, die die soziale Marktwirtschaft etliche Jahre wie eine Monstranz vor sich hergetragen hatten, waren nun von dieser schweren Last befreit.

 Und jetzt steht die neue Kärrnerarbeit an. Die Märkte verlangen unseren Eliten alles ab. Sie gilt es in Tag- und Nachteinsatz zu beruhigen. Auch sie verlangen Opfer. Wie in vorchristlicher Zeit gilt es ihnen Altäre zu errichten, auf denen wir unsere Gaben darreichen, die sie besänftigen, beruhigen sollen. Sie wollen nicht nur unser Geld, nein sie verlangen die Hingabe all dessen was uns bisher wichtig, lieb und wert war. Sie verlangen unsere Freiheit und Selbstbestimmung, unsere Demokratie, unsere soziale Verantwortung, unser Mitgefühl. Sie verlangen von uns Egoismus, Nationalismus und die Anwendung von Gewalt gegen Alle, die sich der Allmacht der Märkte zu widersetzen versuchen.

 Unsere Opferberitschaft kennt keine Grenzen. Sämtliche Rohstoffe kratzen wir aus der Erde, die Urwälder holzen wir ab, Menschen und Tiere, die in ihnen leben, müssen weichen oder werden einfach umgebracht, die Ozeane verpesten wir mit Öl und Kunststoffresten, Flüsse stauen wir auf, leiten sie um und veunreinigen sie mit unseren Abwässern, Seen pumpen wir leer oder missbrauchen sie als Kloaken in denen wir Fische oder Garnelen züchten, unsere Böden verpesten wir mit Chemie und den Pflanzen, die auf und in ihnen wachsen pflanzen wir fremde Gene ein. Wir verändern das Klima der Erde, bringen die Polkappen zum schmelzen, führen Kriege um Rohstoffe und zum Nutzen der Rüstungsindustrie und rotten Alles, Mensch, Tier und Pflanze aus, was uns nutzlos erscheint, oder dem Streben nach Mehrwert im Wege steht, also die Märkte beunruhigt.

 Die Hohen Priester des neuen Kults in den Glaspalästen der Banken, Börsen und Versicherungen, in ihren massgeschneiderten Anzügen aus feinstem Tuch in gedecktem Grau nehmen unsere Gaben entgegen und verwandeln sie in endlose Zahlenreihen. Am Schluss bleibt nur einer Menge Nullen, die Darstellung des Nichts. Und so treten sie vor uns, ihre gläubige Gemeinde, und erklären uns, die Märkte seien angesichts unserer offensichtlichen Ignoranz gegenüber ihrer Sensibilität, sehr beunruhigt.

 Das ist das Signal für die Trommler auf dem Sklavenschiff, die Merkel, Brüderle, Steinmeier, Steinbrück, Roth, Trittin und wie sie noch alle heissen, die Schlagzahl zu erhöhen und die Brotrationen zu kürzen. Ihre Sprachrohre, Radio, Fernsehen Presse wiederholen im Takt der Trommeln immer wieder die Anzahl der Hunderte von Milliarden Euro, die es noch gilt abzuliefern, zur Beruhigung der Märkte und die Namen der Rettungspakete, denen wir klaglos zuzustimmen haben ohne auch nur einmal nach unseren Rechten zu fragen.

2 Kommentare:

  1. @ Maik Riewoldt:
    Ihr Kommentar wurde leider aus Versehen gelöscht. Sorry

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    1. Hmmm wie kann das denn passieren :-)
      Egal. Ihre Site baut mich immer wieder auf, super zu sehen das nicht alles gleichgeschaltet ist und wenige Leute ihre eigene Meinung erhalten haben.

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